EinzeltestCannondale Habit Carbon LT 1

Max Fuchs

 · 21.09.2023

BIKE-Testredakteur Stefan Frey auf dem Cannondale Habit Carbon LT 1.
Fotos: Max Fuchs
Bislang kannte man das Cannondale Habit nur als Trailbike. In der von uns getesteten LT-Version steigt der Allrounder jedoch in die All Mountain-Liga auf. Wie sich das MTB in der neuen Kategorie wohl schlägt?

Rückblende: Das Cannondale Habit hat eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Die Premiere des Trailbikes feierte das US-Label 2015. In schrillen Carbon-Gewändern und mit den einzigartigen Lefty-Gabeln bestückt, weckte es bereits im Stillstand großes Begehren. Die Mixtur aus 120 Millimetern Federweg und 27,5-Zoll Laufrädern qualifizierten es damals als ultimative Allzweckwaffe für Trailbiker. Die Preisspanne ragte allerdings bis in den fünfstelligen Bereich. So gesellte sich das exklusive Ur-Habit nicht nur zu den begehrtesten, sondern auch zu den prestigeträchtigsten Modellen.

So sah das Cannondale Habit in seiner Anfangszeit aus.Foto: Georg GrieshaberSo sah das Cannondale Habit in seiner Anfangszeit aus.

Zurück in der Saison 2023 hat sich viel geändert. Die Firmenphilosophie von Cannondale, die Anforderungen an ein Trailbike und die Zielgruppe. Und damit - wer hätte es gedacht - auch das Cannondale Habit. Geblieben ist dem US-MTB lediglich der Name. Ansonsten wich bereits 2018 das Racebike-ähnliche Carbon-Chassis – mit flexenden Hinterbaustreben an Stelle von Lagerpunkten – einer wuchtigeren Rahmenkonstruktion mit Vier-Gelenk-Hinterbau. Den Federweg schraubten die Entwickler am Habit von 120 auf 140 Millimeter an Heck und Front. Die von uns getestete LT-Version (für long travel) ruft an der Gabel sogar 150 Millimeter Federweg ab und mischt damit in der All-Mountain-Liga mit. Laufradgröße: 29 Zoll.

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Auch die Geometrie baut heute länger und flacher, um den Einsatzbereich Richtung rasanter Abfahrten zu erweitern. In diesen Punkten hat das Habit dazu gewonnen. Was heute fehlt, ist auf den ersten Blick der Wow-Effekt. Denn ohne markante Lefty-Gabel in schlichtem Beige und mit gewöhnlicher Rahmenkonstruktion erweckt das aktuelle Habit weniger Begehren als den Eindruck von Understatement – zumindest im Stillstand.

Das bestätigt auch die Preispolitik: Mit Preisen zwischen 2699 und 8499 Euro opfern die Produktmanager etwas Exklusivität zugunsten des Sparbuchs von Otto Normalverbraucher.

Schön unkompliziert: Das Cannondale Habit verzichtet auf eine integrierte Kabelführung durch den Steuersatz und verlegt die Kabel klassisch durch den Hauptrahmen.
Foto: Max Fuchs
Das Cannondale Habit Carbon LT 1 im Detail.

2015 bis heute: Das Cannondale Habit punktet mit spaßigem Handling

Der Praxistest zeichnet jedoch ein krass gegensätzliches Bild. Denn von Understatement fehl auf dem Trail jede Spur. Betont leichtfüßig, spritzig und direkt – so blieb das Cannondale Habit LT unserer Testcrew in Erinnerung. Diese Attribute hat das Bike in erster Linie seiner gelungenen Geometrie zu verdanken. Der 64,6 Grad flache Lenkwinkel erzeugt zwar einen soliden Geradeauslauf, baut aber noch steil genug, um präzise Richtungswechsel umzusetzen. Der Reach liegt mit 462 Millimetern in Größe L für heutige Verhältnisse auf der kompakten Seite. So fällt es leicht, genügend Gewicht über dem Vorderrad zu verteilen, was die quirligen Charakterzüge des Habits betont. Aber auch das Fahrwerk trägt seinen Teil zum spaßigen Handling bei. Denn die sportive Endprogression belohnt einen aktiven Fahrstil. So lässt sich das Bike willig um Kurven und durch Bodenwellen drücken. Bunny-Hops und Manuals gehen ebenfalls leicht von der Hand.

Testleiter Peter Nilges scheucht das Habit über unsere Teststrecke in Lermoos.Foto: Max FuchsTestleiter Peter Nilges scheucht das Habit über unsere Teststrecke in Lermoos.

Gleichzeitig weiß der Kandidat aber auch Highspeed-Passagen und grobe Trails souverän zu meistern. Ganz nach dem Motto "Länge läuft" trumpft das Cannondale Habit hier mit seinen 442 Millimeter langen Kettenstreben auf. Die Kombination aus hoher Front und tiefem Tretlager integriert den Fahrer zudem sehr selbstbewusst hinter der Steuerzentrale. Das erzeugt auch in steilen Abfahrten ein hohes Maß an Fahrsicherheit. Einziges Manko: Für 5999 Euro hätten wir uns an Stelle des günstigen Select+-Fahrwerks von Rockshox Federelemente aus der Ultimate-Baureihe mit besserer Dämpfungskontrolle gewünscht. Wer das Habit auf lange Touren ausführt, freut sich über das gute Gesamtgewicht (14,18 Kilo ohne Pedale in Größe L) und die komfortable und aufrechte Sitzposition. Auch gut: Für ein Bike dieser Federwegs-Liga bleibt der Hinterbau selbst im Wiegetritt angenehm ruhig, generiert unter Kettenzug aber trotzdem noch genügend Traktion. Dank dem steilen Sitzwinkel und dem langen Heck erklimmt man auch steilste Rampen entspannt, ohne aktiv gegen das steigende Vorderrad ankämpfen zu müssen. Mit diesen unkomplizierten Klettereigenschaften und dem extrem gelungenen Handling bergab weckt das Cannondale Habit auch noch acht Jahre nach seiner Premiere großes Begehren – ganz ohne schrille Farben und ausgefallene Gabel-Konstruktionen.

Fazit von BIKE-Testleiter Peter Nilges

BIKE-Testleiter Peter NilgesFoto: Georg GrieshaberBIKE-Testleiter Peter Nilges
Unkompliziert und frei von ausgefallenen Detail-Lösungen schürt das Habit LT auf den ersten Blick nur wenig Emotionen. Zum Glück! Denn umso mehr Aufwand steckten die Entwickler offensichtlich in die Fahreigenschaften des Bikes. Das Fahrwerk bringt Komfort und Gegenhalt perfekt in Einklang und das ausgewogene Handling garantiert Fahrspaß in allen Lebenslagen.

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