Die schnellsten XC-Hardtails der Welt üben eine ganz besondere Faszination aus. In einer Zeit, in der alles fortlaufend technischer und komplexer wird, dominiert das vollgefederte Mountainbike längst weite Züge des Crosscountry- und Marathon-Sports. Trotzdem haben Hardtails Nichts an Anziehungskraft verloren. Im Gegenteil: Sie sind die puristischste Form einer Rennmaschine. Reduziert, konzentriert, pointiert wie ein Rennwagen, sind die exklusivsten Hardtails des Planeten vor allem auf Speed gepolt. Keine andere Bike-Gattung übersetzt Körperkräfte so radikal und verlustfrei in Geschwindigkeit. Philosophisch veranlagte Ingenieure mögen gar von der effizientesten Maschine der Welt sprechen.
Ein Fahrer, ein Bike, kein Firlefanz - so sollte man bei leichten Hardtails jedenfalls meinen. Wie viel Entwicklungsarbeit heute allerdings in einen ungefederten Rahmen fließt, mag viele überraschen. Da geht es um kontrollierten Flex im Kohlenstoff-Setup, asymmetrische Konstruktionen mit überlegenem Power-Transfer und nicht zuletzt fünfstellige Summen beim Kaufpreis. Wir wollten herausfinden, wozu die aktuelle Speerspitze der XC-Hardtails fähig ist und haben die exklusivsten Bikes von Bike Ahead, Cannondale, Pinarello und Storck zum Test gebeten.
Vier High-End-Hardtails bieten sich in diesem Test einen Schlagabtausch, aus dem das beste Racebike mit starrem Heck hervorgehen soll. Als weltweit erstes hatten wir die Möglichkeit den superleichten Bike Ahead The Frame Rahmen im Custom-Aufbau zu testen. Das Fliegengewicht aus deutscher Produktion tritt an gegen einen Vorreiter progressiver Hardtail-Geometrien: das Cannondale Scalpel HT Lab71 mit der charakteristischen Lefty-Gabel. Als drittes steigt das Pinarello Dogma XC Hardtail in den Ring. Auf dem italienischen Super-Bike wurden dieses Jahr schon Olympia- und Weltmeisterschaftssiege eingefahren. Alle drei Rennmaschinen stammen aus dem obersten Ende des jeweiligen Produktportfolios - besser geht nicht! Teurer allerdings auch kaum. Deshalb haben wir mit dem Storck Rebel.4 Platinum ein viertes Hardtail zum Test geladen, das zwar ebenfalls einen ausgeklügelten und hochpreisigen Carbon-Rahmen besitzt, im Komplettaufbau aber deutlich günstiger zu haben ist. Bereits die Details der Testbikes lesen sich, wie die Trumpf-Karten eines Hardtail-Quartetts. Alle Testbikes hatten Rahmengröße L.
In der reduzierten Welt des Spitzensports werden permanent Extreme ausgelotet - auch beim Material. Grundsätzlich sind die sündhaft teuren Bikes von Cannondale und Pinarello Nichts für Jedermann, sondern ausschließlich für Racer, die ihren Sport auf hohem Wettkampf-Niveau austragen wollen. Während es beim Scalpel HT immerhin günstigere Optionen für Normalsterbliche gibt, müssen für ein Pinarello Dogma XC mindestens 7000 Euro, beziehungsweise 5000 Euro alleine fürs Rahmenset, investiert werden. Machen wir uns nichts vor: Auch in unserer Redaktion fährt niemand wie Tom Pidcock. Im Test wird deutlich, dass das Pinarello extrem viel Schneid braucht, um auf dem Crosscountry-Parcours gut zu funktionieren. Mit den Proportionen und dem radikalen Ansatz des charismatischen Italieners können nur wenige Biker etwas anfangen. Das Dogma mag am Ende ein Meisterwerk sein, verlangt jedoch auch nach einer Meisterhand. Aber ein Bild von Leonardo da Vinci gehört vielleicht auch nicht an die Wand einer Studenten-WG.
Da zeigt das ähnlich teure Cannondale schon mehr Volksnähe und lässt sich auch ohne Weltmeistertitel nachhaltig schnell durchs Gelände bewegen. In diesem Vergleichstest lässt sich das Scalpel HT getrost als klassisches Race-Hardtail bezeichnen. Auch, wenn es mit flachem Lenkwinkel und Federwegs-Plus einst ein Vorreiter der XC-Disziplin war, reiht es sich heute ohne auffällige Extreme in die Riege der Sportskameraden ein. Sitzposition und Fahrverhalten sind sportlich aber gefällig. Viel kann man als Racer mit dem Scalpel HT nicht falsch machen. Doch mag die Basis noch so bis ans Limit perfektioniert sein, trüben immer noch Ausstattungsdetails die hohe Rechnung. Trotzdem kommen Freunde aufs Wesentliche reduzierter Sportgeräte ihrem Traumbike mit dem Cannondale Scalpel HT Lab71 sehr nahe.
Ganz anders das Pinarello. Lang, flach, giftig ist es das auffälligste Bike im Test. Zu extrem für 95 Prozent der Biker, eine gnadenlose Wettkampf-Waffe für die fünf schnellsten Prozent der Welt. Ähnlich eines italienischen Sportwagens ist das Dogma XC schön anzusehen, um es auf dem Race-Track aber am Limit zu bewegen braucht es einen Profi am Steuer. Der krasseste Gegensatz zum kompromisslosen Pinarello ist aber das Storck. Für einen Bruchteil des Preises gibt es hier mehr Komfort und Alltagstauglichkeit aber eben auch deutlich weniger Race-Attitüde. Bei mehreren tausend Euro noch von Vernunft zu sprechen ist stets eine Frage des Verhältnisses. Für die meisten Crosscountry-Biker bietet das Storck aber eine solide Basis.
Und was ist mit dem Bike Ahead? Noch nie zuvor hatte ein Mountainbike-Medium die Chance den ersten eigenen Hardtail-Rahmen des Labels zu testen. In der Gewichts-Wertung sticht das Bike made in Europe alle anderen Kandidaten aus. Natürlich schlummert auch im The Frame Race-Potential, allerdings nicht ganz so kompromisslos, wie bei Cannondale oder gar Pinarello. Im Custom-Aufbau sichert sich das Bike Ahead die Fahrspaß-Wertung. Insgesamt ist es das vielseitigste Bike.
Nun suchen Cross-Country-Racer an einem Hardtail jedoch nicht unbedingt nach Vielseitigkeit. Wohl aber nach Perfektion. Bei Cannondale und Storck trüben Ausstattungsdetails das Gesamtbild - eine Tatsache, die bei den aufgerufenen Preisen schwer zu übersehen ist. Perfekt ist auch das Pinarello nicht. Dafür ist es zu extrem auf einen speziellen Fahrstil zugeschnitten. Am Ende kann das Bike Ahead die meisten Punkte einfahren. Mit superleichtem Gewicht und einem im Vergleich zur Konkurrenz günstigeren Rahmen, der auch noch in Europa produziert wird, hat The Frame den Testsieg verdient.
Cannondale und Storck stellen beide gute Hardtails zu völlig unterschiedlichen Preispunkten. Der schieren Extravaganz des Pinarello ist schwer zu widerstehen, in der Praxis sind die Fahreigenschaften aber zu extrem. Das Bike Ahead konnte uns in Labor und Praxis am meisten überzeugen. Hier passt das Paket aus Sieges-Potential, Fahrspaß, Preis und Leistung am besten zusammen. - Jan Timmermann, BIKE-Testredakteur
Das Laufradgewicht versteht sich pro Satz mit Reifen, Kassette und Bremsscheiben. Bei der Laufradträgheit gilt: Je niedriger der Messwert, desto leichter zu beschleunigen.
Wäre rein die Ingenieursleistung ausschlaggebend, hätte es zwischen Pinarello und Testsieger Bike Ahead knapp werden können. Außerhalb des Labors überzeugt das deutsche Produkt, die italienische Diva ist zu extravagant. Das Cannondale ist eine super Fahrmaschine, bei der Ausstattung aber nicht ganz auf der Höhe. Ein in fast allen Punkten solides Hardtail gibt es bei Storck. Um in diesem Hochglanz-Test mithalten zu können, reicht Durchschnitt aber nicht. - Jan Timmermann, BIKE-Testredakteur
Keine andere Kategorie hatte so viel Zeit sich zu entwickeln, wie die XC -Hardtails. Auch deshalb schenken wir hier den Daten aus dem BIKE -Labor ein besonderes Augenmerk. I direkten Praxis -Vergleich testen mindestens drei erfahrene Redakteure. Die BIKE -Benotung hat echtes Gewicht. Um Mountainbikes objektiv zu beurteilen, treiben wir bei BIKE einen beispiellosen Aufwand. Diese Kriterien sind ausschlaggebend für die Bewertung:
Der wichtigste Punkt im Bewertungssystem macht bei Hardtails 45 Prozent der Endnote aus. Wir unterscheiden, wie gut sich ein Bike bergauf und bergab fahren lässt und wie das Fahr - werk entsprechend arbeitet. Bergauf bewerten wir zum einen die Geometrie: Passt der Kom - fort? Stimmt die Kraftübertragung und über - steht man auch lange Tage im Sattel? In technischen Uphills gibt es Strafpunkte für ein früh steigendes Vorderrad und mangelnde Kontrolle in Schlüsselstellen. Features wie ein Lenker-Remote werden von unserem Punktesystem be - lohnt. Auch wichtig: Stimmt die Traktion oder muss sich der Pilot abmühen, um die Watt auf den Trail zu bringen? Die Spieltrieb-Wertung ist dem Fahrspaß gewidmet. Hier punkten handliche Bikes mit spritzigem Handling. Modelle mit hohem (Laufrad -)Gewicht, indirektem Fahrwerk und sperrigen Geometrien sind hier im Nachteil. Bei der Downhill-Wertung unterscheiden wir zwischen den Fahreigenschaften und den Fahrwerks-Qualitäten. In der ersten Kategorie legen wir besonderen Wert auf die Fahrposition: Steht man gut integriert im Bike, lässt es sich intuitiv steuern und wie viel Sicherheit vermittelt die Geometrie im steilen Gelände oder bei hohen Geschwindigkeiten? Zum Punkt Fahrwerk zählen Schluckvermögen und Ansprechverhalten der Gabel. Fängt diese auch schnelle Schlagabfolgen ab?
Das Gesamtgewicht und die Laufradträgheit machen in der Kategorie der XC-Hardtails insgesamt 30 Prozent der Gesamtnote aus. Um uns bezüglich der Geometrie nicht auf die Werte der Hersteller und in puncto Steifigkeit nicht auf das Bauchgefühl eines Einzelnen verlassen zu müssen, ermittelt unsere Labor-Crew Rahmensteifigkeiten und exakte Geometriedaten. Auf unseren Prüfständen ermitteln wir zudem die Trägheit der Laufräder sowie den Sitzkomfort.
Hinter den 25 Prozent verbergen sich ins - gesamt fünf Bewertungskriterien. Neben der Qualität der Komponenten und Anbauteile bewerten wir Dinge, die für den Fahrer einen Mehrwert schaffen. Das kann beispielsweise ein integriertes Tool oder ein Lenkanschlagsbegrenzer sein. Zusätzlich honorieren wir die Größe der Trinkflaschen, die am Rahmen transportiert werden können, die Versenkbarkeit des Sattels sowie letztendlich die Qualität und Verarbeitung des Rahmens.
Eine Ampel in der Punktetabelle gibt Auskunft darüber, wie leicht Service- und Wartungsarbeiten am Bike erledigt werden können. Grün steht für eine gute Servicefreundlichkeit, Orange für eine mittlere, und Rot warnt vor Stress beim Schrauben. Dabei bewerten wir die Zugverlegung, wie leicht das Tretlager und der Steuersatz getauscht werden können, ob der Rahmen an Problemzonen (Kettenstrebe, Unterrohr etc.) ausreichend geschützt ist und ob ein universelles Schaltauge spezifiziert wurde.
Welche Stärken und Schwächen und damit welchen Charakter ein Bike hat, zeigen wir auf einen Blick mit dem neuen Spinnen-Dia - gramm. Grundsätzlich gilt: je größer die farbige Fläche, desto besser das Bike. Aber auch die Bewertung in den einzelnen Kriterien wird hier sichtbar. Die Gewichtung passen wir da - bei je nach Bike-Kategorie an. So werden wir den unterschiedlichen Anforderungen an zum Beispiel Cross-Country- oder Trail-Bikes gerecht. Der Vortrieb setzt sich aus dem Gesamtgewicht und der Laufradträgheit zusammen
In der BIKE-Testredaktion sind Crosscountry-Hardtails gern gesehene Gäste. Schön zu sehen, dass der Markt für schnelle Mountainbikes ohne Hinterbaufederung so vielseitig ist. Diese aktuellen Hardtails haben wir in den letzten Monaten außerdem bereits getestet: