Als das Bionicon Earp bei uns im Testlabor eintrudelte, da waren wir schon etwas überrascht. Gute Komponenten an vielen Ecken und sogar eine Tele-Stütze wirken im Stand viel vielversprechender, als wir bei Preisen um 3500 Euro erwartet hätten. Kein Wunder: Das Earp 2 kostete ursprünglich 3949 Euro, dann 3499 Euro und wurde kurz vor Redaktionsschluss sogar noch auf 3399 Euro reduziert. Ob dem Earp damit der Preis-Leistungs-Titel sicher ist?
Beim Earp 2 entscheidet sich Bionicon für das bewährte Smart System mit dem Top-Antrieb Performance CX von Bosch und allen dazugehörigen Features. App-Konnektivität, satte 85 Newtonmeter Schub, tolle Dosierbarkeit im Gelände und spezielle E-MTB-Features wie einen verlängerten Nachlauf im besonders dosierbaren E-MTB-Modus. Das hilft, Schlüsselstellen im Gelände zu bewältigen. Auf ein Display muss man aber verzichten, die LED-Remote zeigt über farbige LEDs nur die gewählte Unterstützungsstufe und den Akkustand in 10-Prozent-Schritten an.
Der Akku selbst ist Boschs mittelgroßer 625er-Powertube, der bei Bionicon von oben ins Unterrohr eingelegt wird. Die Akkuentnahme ist damit prinzipiell komfortabel, man muss aber aufpassen beim Handling mit der langen Batterie den Rahmen nicht zu beschädigen. Immerhin: So dürften mit dem Bionicon auch lange Touren von gut 1500 Höhenmeter möglich sein, ohne dass dem Akku der Saft ausgeht. Sehr schön: Statt auf einen externen Speed-Sensor setzt Bionicon auf den modernen Felgenmagneten.
Bei der Rahmengeometrie kommt Bionicons Mountainbike-Historie durch. Lenkwinkel und Sitzwinkel fallen wie bei den meisten anderen E-Hardtails aus und finden einen guten Kompromiss zwischen Gelände- und Tourentauglichkeit, der moderate Stack bringt aber auch im Trail noch gut Druck auf die Front, die Kettenstreben fallen nicht zu lang aus, das Rad bleibt handlich.
Der Bosch-Motor selbst ist für ein günstiges Hardtail schon ein echtes Highlight, doch auch bei der restlichen Ausstattung lässt sich Bionicon nicht lumpen. In der Front steckt die Luftfedergabel 35 mit breiten 35er-Standrohren von Rockshox. Zwar handelt es sich nur um die günstigere Silver-Version ohne verstellbare Druckstufe, die Gabel in unserem Testbike funktionierte aber gut.
Geschaltet wird mit 12 Gängen von Srams günstigster Eagle-Gruppe, gebremst mit Magura-Stoppern und großer Bremsscheibe vorne, wenn auch nur mit zwei Kolben-Sätteln. Das Beste am Bike sind aber die hochwertigen Nobby Nic Evo Reifen von Schwalbe und vor allem die versenkbare Sattelstütze mit satten 150 Millimetern Hub von Kindshock. Damit steht auch echten Geländeritten nichts im Weg. Wer das Bike doch lieber im Alltag nutzt, freut sich über die Möglichkeit, Schutzbleche und Seitenständer zu montieren.
Auf dem Bionicon sitzt man etwas sportlicher als auf den meisten anderen E-Hardtails. Das hilft, im Traileinsatz eine aktive Fahrposition einzunehmen. Überhaupt ist das Earp 2 erstaunlich stark aufs Gelände ausgerichtet. Hier gefällt die Geometrie mit moderater Kettenstrebenlänge und tiefer Front, die das Bike handlich machen.
Dank guter Reifen, der anständigen Gabel und der Tele-Stütze traut man sich auch mal in etwas steilere Abfahrten, die Bremsen können da meist gut mithalten. Bergauf bietet das Bionicon dank Srams Zwölffach-Schaltung auch noch einen kleinen Klettergang zum Akku-Sparen bei langen Anstiegen.
Nur der Rahmen wirkt etwas harsch und reicht Schläge ziemlich unvermittelt an den Fahrer weiter. Nur eine Kleinigkeit, die wir von anderen E-Hardtails aber etwas besser gewohnt sind.
Mit dem Earp 2 stellt Bionicon ein E-Hardtail mit durchdachter Ausstattung und gelungener Geometrie auf die Reifen, das sogar im Gelände überzeugen kann. Wer den maximalen Komfort sucht und nur selten von der Schotterstraße abbiegt, ist aber mit einer moderateren Geometrie und einem weicheren Rahmen besser beraten. – Adrian Kaether, Redakteur EMTB