Die Produkt-Manager von Canyon verstehen ihren Job. Natürlich sind auch sie zum Sparen gezwungen, wenn es darum geht, ein günstiges E-Hardtail auf die Beine zu stellen. Und freilich darf man nicht verschweigen, dass die Koblenzer unser Preislimit von 3800 Euro zwar vollständig, aber eben auch optimal ausreizen. Ebenso, dass sich die Versender auf dem Weg zum Kunden die Händler-Marge sparen. Trotzdem: Die Canyon-PMs nutzen ihren Spielraum geschickt aus, wissen genau, wo Sparen zu verschmerzen ist, und wo man sich auch mal einen Luxus leisten muss. Im Reigen der neuen E-Hardtails, die wir 2023 bereits getestet haben, bietet Canyon mit dem Grand Canyon:On 8.0 mit das stimmigste Gesamtkonzept: einen leistungsstarken Antrieb, eine sportliche, aber nicht zu extreme Geometrie und eine Ausstattungsspezifikation, die klar macht: Alltagseinsatz und Forstwegtouren allein sind dem Canyon zu langweilig.
Bei Motor und Antrieb setzt Canyon auf Bewährtes, geht aber trotzdem ein kleines Risiko ein. Denn der 750 Wattstunden große Powertube-Akku von Bosch ist fest verbaut. Das bringt in der Regel Vorteile beim Gewicht und lässt den Ingenieuren mehr Spielraum bei der Rahmenkonstruktion, birgt aber auch Nachteile. Im Alltag heißt das vor allem: Zum Aufladen kann man nicht den Akku alleine, sondern nur das komplette Bike an die Steckdose hängen. Nicht die ideale Wahl, wenn das nur in der Wohnung geht.
Im Toureneinsatz sind die Limits nur theoretisch gesetzt: Denn für lange Ausflüge ist ein Ladegerät ohnehin sinnvoller als ein Ersatz-Akku – eine fast viereinhalb Kilo schwere Batterie wollen sich die wenigsten in den Rucksack stecken. Zudem schafft die Kombi aus Bosch CX und 750er Powertube-Akku erfahrungsgemäß um die 2000 Höhenmeter. Bevor da die Energiereserven zur Neige gehen, wird es auf einem Hardtail ziemlich ungemütlich werden.
Über die Performance des Bosch-Motors gibt es nur Positives zu sagen: App-Konnektivität, satte 85 Newtonmeter Schub, tolle Dosierbarkeit im Gelände, dynamische Kraftentwicklung und spezielle E-MTB-Features wie einen verlängerten Nachlauf im besonders dosierbaren E-MTB-Modus. Das hilft, Schlüsselstellen im Gelände zu bewältigen. Wenn man die Nutzungsempfehlung irgendwie einschränken will, dann nur für ganz faule Zeitgenossen: Denn damit der Bosch seine maximale Leistung abruft, muss man auch selber ein bisschen fester in die Pedale treten.
Auf ein Display verzichtet Canyon am Grand Canyon:On 8. Die LED-Remote zeigt über farbige LEDs nur die gewählte Unterstützungsstufe und den Akkustand in 10-Prozent-Schritten an. Sehr schön: Statt auf einen externen Speed-Sensor setzt Canyon auf den modernen Felgenmagneten.
Breites Cockpit, langer Reach: Die Geometrie des Canyon ist modern. Da auch der Stack mit 466 Millimeter recht hoch ausfällt, sitzt man auf dem Canyon-Hardtail nicht zu gestreckt-sportlich, sondern durchaus komfortabel. Insgesamt fällt das Bike recht groß aus und ist eher fahrsicher als ausgesprochen wendig.
Man hat sich bei Canyon offenbar gut überlegt, bei welchen Komponenten es sich zu investieren lohnt. Das fängt beim Antrieb an, wo man den starken Bosch-Motor mit dem großen Akku kombiniert, sich die Kosten für ein zusätzliches Display aber spart. Das ist zu verschmerzen. Sehr sinnvoll ist auch die Investition in eine Teleskopstütze. Ein Druck auf den Hebel am Lenker, und der Sattel lässt sich in die zur Fahrsituation passende Position bringen. Die 150 Millimeter Hub der Iridium Dropperpost reichen dabei aus, um auch in steilen Abfahrten genügend Bewegungsfreiheit zu haben.
Auch die Wahl der Federgabel hat man bei Canyon gut getroffen: Die Fox 34 AWL Luftfedergabel verfügt als eine der wenigen Forken im Konkurrenzumfeld über eine einstellbare Zug- und Druckstufendämpfung. Im Vergleich zur „normalen“ Fox 34 wurde das Casting der Gabel angepasst und bietet jetzt Aufnahmen für Licht und Schutzbleche.
Was Alltagsnutzer noch mehr freuen dürfte: Canyon verbaut ab Werk das Connect-Modul von Bosch. Dabei handelt es sich um einen kleinen GPS-Tracker mit Sim-Karte im Rad, der bei Bedarf jederzeit die Position des Bikes an den Besitzer durchfunkt. Ein effektiver Diebstahlschutz, der für ein ruhiges Gewissen sorgt und Langfingern das Leben ziemlich schwer machen dürfte. Zwar kostet der Service ab dem zweiten Jahr 40 Euro pro Jahr, dennoch ein klarer Mehrwert. Das erste Jahr ist bei Canyon kostenlos.
Zum sportiven Anspruch des Canyon-Hardtails passen auch die Vierkolben-Deore-Bremsen mit kurzen Einfinger-Hebeln, das hochwertige Deore-XT-Schaltwerk mit großer 12fach-Bandbreite und Schwalbes Nobby Nic mit der stabilen Performance-Karkasse.
Auch den Details am Canyon hat man viel Aufmerksamkeit gewidmet: Die Kabelverlegung durch den Steuersatz ist schick, der Felgenmagnet des Speedsensors pannensicher, obendrein gibt’s zwei Flaschenhalter-Positionen und einen wertigen Fizik-Sattel. Für 3799 Euro kann man aktuell kaum mehr erwarten.
Das Canyon ist ein E-Bike, für das man kaum Eingewöhnungszeit braucht. Das Bike fällt eher lang aus, doch dank des recht hohen Stack sitzt man nicht zu gestreckt. Nur sehr komfortorientierte Biker, die sich ausschließlich auf Straßen, Rad- oder Forstwegen bewegen, würden sich eine noch aufrechtere Sitzposition wünschen.
Doch das Koblenzer E-Hardtail will definitiv auch im Gelände gefahren werden, und dabei hat es überhaupt nichts gegen eine sportliche Gangart einzuwenden. Die Fahrsicherheit ist hoch: Teleskopstütze, breites Cockpit, langer Radstand, griffige Reifen, eine gute Gabel und Bremsen, die zupacken können – damit kann man es auf moderaten Trails auch mal krachen lassen.
Auch bergauf gehört das Bike zu den besten seiner Preisklasse: Der Bosch CX reagiert feinfühlig und schiebt kräftig, die 2.6er-Reifen (Schwalbe Nobby Nic) liefern auf den 29-Zoll-Rädern ausreichend Traktion, und dank moderat langer Kettenstreben bäumt sich die Front erst spät auf.
Mit dem Grand Canyon:On 8 liefert Canyon ein absolut stimmiges E-Hardtail. Mit 3799 Euro reizen die Koblenzer den von uns getreckten Preisrahmen voll aus. Dafür bekommt man ein sinnvoll ausgestattetes Bike mit durchdachten Details. Im Traileinsatz bietet das Canyon viel Fahrsicherheit, ein quirliger Kurvenräuber ist es aber nicht. Ein Leichtgewicht ebenso wenig. – Josh Welz, EMTB-Chefredakteur