Jan Timmermann
· 06.12.2024
Leichtbau-Fans kommen an Bike Ahead nur schwer vorbei. Als die Carbon-Spezialisten kürzlich ihren ersten eigenen Hardtail-Rahmen mit dem Namen The Frame vorstellten, war die Aufregung groß. Als erstes MTB-Medium weltweit hatte BIKE die Chance das neue Superbike zu testen. Doch der Reihe nach: Der Mann hinter Bike Ahead heißt Christian Gemperlein, Ingenieur für Kunststofftechnik und Chef der All Ahead Composites GmbH. Gemperlein hatte im Rahmen seiner Diplomarbeit ein ultraleichtes Laufrad mit nur sechs Speichen aus Kohlenstoff entwickelt. Die Teile kamen gut an und mit der Zeit entwickelte sich Bike Ahead zu einer Premium-Manufaktur mit knapp 50 Mitarbeitern.
Neben den legendären “Biturbo” fertigen Gemperlein und sein Team in Veitshöchheim nahe Würzburg heute weitere Laufradsätze, Sättel, Sattelstützen und Cockpits. Alle Teile zeichnen sich durch minimalistische Gewichte aus und entstehen mit einem großen Anteil an Handarbeit in Kleinserie im eigenen Land. Dieses Know-How nutzen längst auch andere Hersteller, wie Last Bikes oder Stoll, und lassen ihre Rahmen bei Bike Ahead fertigen. Nun also wagen sich die Bayern zum ersten Mal mit einem ganz eigenen Rahmen auf dem Markt. Wir hatten die Chance das persönliche Bike von Christian Gemperlein zu testen.
Christian Gemperlein ist von den qualitativen und nachhaltigen Vorteilen der Produktion in Europa überzeugt. Anders, als die übrigen Teile aus dem Portfolio von Bike Ahead entsteht The Frame allerdings nicht in Deutschland, sondern in den Hallen von Carbon Team in Portugal. Gemperlein steht dem Unternehmen als Technologiepartner mit allerlei Wissen rund um den Werkstoff Carbon bei. So wird der The Frame Rahmen dort nach den Vorgaben Bike Aheads als einteiliger Monocoque produziert und geht dann nach Deutschland.
Veredelung und Fertigstellung übernimmt man bei Bike Ahead in Veitshöchheim wieder selbst, denn The Frame soll sich genauso hochwertig anfühlen und aussehen, wie die anderen Teile der Marke. Das Carbon wird nicht lackiert. So wird die Faseroptik in den Vordergrund gestellt und der Rahmen bleibt schön leicht. Schon bei 911,7 Gramm bleibt unsere ultragenaue Laborwaage stehen. Damit wiegt das Chassis des The Frame nur wenig mehr als ein mittelgroßer Blumenkohl. Mit 1978,99 Euro bleibt der Preis fürs Rahmenset bei Bike Ahead noch auf dem Boden - jedenfalls, wenn man ihn mit anderen High-End-Race-Rahmen vergleicht, für die teilweise bis zu 4000 Euro fällig werden.
Gemperlein wäre kein Diplom-Ingenieur, wenn der erste eigene Rahmen unter seinem Label nicht auch zahlreiche Prüf-Normen erfüllen würde. So ist The Frame nach dem TRI-Test des EFBE-Instituts für die Kategorie Drei (XC MTB) zertifiziert. Für den BIKE-Test stellte der Chef persönlich sein privates Hardtail zur Verfügung. Selbstverständlich hängen am The Frame allerlei Edelteile von Bike Ahead, bei denen Weight-Weenies und Zahlen-Nerds vor Neid erblassen. Die asymmetrischen Three Zero XC Carbonfelgen sollen aufgespeicht auf DT Swiss 240S Naben nur 1380 Gramm Laufradgewicht auf die Waage bringen - bei 30 Millimetern Innenweite wohlgemerkt.
Mit lediglich 205 Gramm belastet die Bike Ahead Cockpit-Einheit The Unit ICR die Waage. Optional lässt sich ein GPS-Halter mit minimalistischen neun Gramm ergänzen. Trotz Leichtbau-Ansatz muss das Hardtail nicht auf eine Variostütze verzichten. Lediglich 60 Millimeter Hub bietet die DT Swiss D 232 One, fügt sich aber nahtlos ins Konzept ein. Auf der Dropper-Post sitzt eine weitere Bike Ahead-Neuheit: The Hypersaddle, welcher in der breiten Ausführung nur 76 Gramm wiegt. Die Leichtbau-Perfektion geht bis ins kleinste Detail: The Frame wird mit hohlen Flaschenhalterschrauben aus Titan ausgeliefert. Jede einzelne trägt das Bike Ahead-Logo und wiegt homöopathische 1,06 Gramm.
Als krassen Kontrast zu den vielen Carbonfasern am Bike Ahead The Frame hat Gemperlein sein Bike mit einer Cane Creek eeWings Titankurbel inklusive ovalem Kettenblatt ausgerüstet. Die Führungsarbeit übernimmt eine Cannondale Lefty Ocho Carbon mit 100 Millimetern Federweg. Bei den Bremsen vertraut der Firmenchef auf bewährte Technik. Die Hope Race X2 stammen nicht aus der aktuellsten Kollektion der Briten und werden am Custom-Bike mit Bremsscheiben von Carbon-Ti mit Carbon-Spider kombiniert. Selbst am klassisch-leichten Sram XX1 Eagle AXS Schaltwerk hat Gemperlein noch Tuningpotential gefunden: Dessen Gewicht wird durch Carbon-Bauteile von Hopp nochmals reduziert. Im wahrsten Sinne des Wortes abgerundet wird das einzigartige Hardtail mit breiten Schlappen von Maxxis.
Wer angesichts der vielen exklusiven Tuning-Teile des nur 8,34 Kilo leichten Bike Ahead The Frame nun eine exorbitanten Preis erwartet, bewahrt nur teilweise Recht. Zwar kommen die Einzelteile des Custom-Racers auf rund 8850 Euro, das Rahmenset für 1979 Euro ist allerdings nicht nur der leichteste, sondern auch mit Abstand der günstigste im Vergleich. Im Vergleich zum doppelt so teuren und 300 Gramm schwereren Rahmenset des Pinarello Dogma erscheint das, wie ein Schnäppchen. Komplettbikes verkauft Bike Ahead zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch nicht, es gibt aber Hinweise, dass sich das schon in Kürze ändern könnte.
Im direkten Vergleich zu den vielen Supersportlern der Race-Hardtail-Kategorie wirkt die Sitzposition auf dem Bike Ahead The Frame deutlich zahmer. Durch die nur 55 Millimeter kurze aber immerhin 740 Millimeter breite Vorbau-Lenkereinheit sitzt es sich kompakter und komfortabler als auf den konkurrierenden Streckbänken. Rennfahrer werden zugunsten des Drucks auf der Front ein längeres Cockpit wählen wollen, um in technischen Kletterpassagen auf Ideallinie zu bleiben. Dass The Frame das leichteste Hardtail seit langem ist, welches unser Test-Prozedere durchläuft, hat an steilen Rampen nicht nur Vorteile. Gemeinsam mit der kompakten Steuereinheit und den nur 424 Millimeter kurzen Kettenstreben verhält sich das Bike im Trail-Anstieg äußerst reaktiv. Für präzise Klettereinlagen im roten Pulsbereich braucht es einen dynamischen Fahrer, um das Fliegengewicht zu zügeln. Hilfestellung kommt von den breiten Maxxis-Reifen, welche eine hervorragende Traktion liefern.
Im Antritt prescht das Bike Ahead The Frame zügig nach vorne. Die Beschleunigung der hauseigenen Laufräder sind deutlich besser als beim Pinarello. Nominell geht es mit Cannondale und Storck zwar noch fixer vom Fleck, diese spezifizieren aber auch schmalere und leichtere Reifen. Mit einem Traumwert beim Gesamtgewicht lässt sich The Frame leichtfüßig von A nach B bewegen. Bei Sprinteinlagen und auf flachen, flowigen Trails macht das mächtig Laune. Der Lenkwinkel fällt mit 68,5 Grad etwas steiler aus, als an anderen aktuellen Racebikes. The Frame ließe theoretisch auch eine Federgabel mit 120 anstatt 100 Millimetern Federweg zu. So könnte der Lenkwinkel um rund ein Grad abgeflacht werden. Im Testaufbau schlängelt sich das schwarze Bike agil durch Kurven, lässt sich über Wurzeln lupfen als sei Nichts gewesen und braucht nur minimalem Körpereinsatz, um aufs Hinterrad oder in die Luft zu gehen.
Durch sein direktes Handling birgt das Bike Ahead großes Fahrspaß-Potential für ein Racebike. Wie ein seriöser Sportwagen fühlt es sich in dieser Konfiguration allerdings weniger an. Da passt es auch ins Bilde, dass sich die Lefty an Gemperleins Bike zwar an der Gabelkrone, nicht jedoch vom Lenker aus sperren lässt. Im Downhill legt der Einbeiner einen gewohnt starken Auftritt hin. Die Gabel überzeugt durch ein sensibles aber kontrolliertes Ansprechverhalten und glättet Unebenheiten so gut, wie es für einen kurzhubigen XC-Weichmacher nur irgend geht. Wird es bergab steil, ist die Variostütze trotz ihres winzigen Verstellbereichs ein echter Gamechanger. Ohne Platzprobleme bei der Gewichtsverlagerung lässt sich ein Hardtail mit Dropper Post einfach kontrollierter gen Tal steuern.
Auch wenn die Hope-Bremsen des Custom-Bikes einer älteren Serie entspringen, sind sie doch noch immer kräftig für eine Race-Bremse: einen Hauch potenter als die Shimano XT am Storck sowie die XTR am Pinarello und auch kompetenter als die Sram Level am Cannondale Für ein Plus an Komfort sorgen nicht nur die Breitreifen, sondern auch der Rahmen selbst. Das Chassis fühlt sich in der Praxis nachgiebiger an, als die anderen, und teilt in technischen Passagen nicht ganz so hart aus. Die geringere Steifigkeit bestätigt auch der Prüfstand in unserem Testlabor. In unserem Fahrtest ergaben sich daraus keine Probleme, schwere Fahrer sollten die Steifigkeit aber im Hinterkopf behalten. Lob erntet das Bike Ahead für seine leise Geräuschkulisse. Ohne Knacken und Knarzen vertraut es sich einem Superleicht-Bike deutlich einfacher. Der Sitzkomfort fällt mittelmäßig aus.
Das Gewicht des Komplettbikes ohne Pedale ermitteln wir im BIKE-Testlabor. Das Laufradgewicht versteht sich pro Satz mit Reifen, Kassette und Bremsscheiben. Bei der Laufradträgheit gilt: Je niedriger der Messwert, desto leichter zu beschleunigen.
Note Fahrverhalten (45 %): 1,69
Note Labor (30 %): 1,60
Note Ausstattung: 1,80
Gesamtnote: 1,69
Bike Ahead-Kopf Gemperlein hat sich ein Traum-Hardtail aus Carbon aufgebaut. Bei so viel Liebe zum Detail, fällt es Technik-Nerds schwer emotional stark zu bleiben. Im Gelände begeistert The Frame mit Leichtfüßigkeit und reaktivem Handling. Fast schon grenzwertig leicht und im kompakten Custom-Setup gibt es souveränere Untersätze für Racer. Dafür ist der Fahrspaß hoch, der Rahmen kommt aus Europa und das edle Tuning-Juwel kostet weniger, als die High-End-Konkurrenz aus Fernost. Testsieg für Bike Ahead! - Jan Timmermann, BIKE-Testredakteur