Besser hätte es für Yeti kaum laufen können. Gleich zwei Titel nehmen die Amerikaner von der Enduro WM in Bellwald Anfang September mit nach Hause. Einen davon mit dem “alten” Enduro E-Bike 160E und eigentlich unterlegenem Shimano-Motor. Mit dem neuen LTe steht jetzt schon der Nachfolger von Yetis Weltmeister-Bike bereit. Racing in der DNA, auch mit Motor? Nach unserem Erstkontakt können wir definitiv sagen: Das ist bei Yeti mehr als bloß ein Slogan.
Aber ganz von vorne: Yeti dürfte den meisten Bikern ein Begriff sein. Mit ausgefallener Optik und Racern wie Missy Giove und Juli Furtado zementierten die Marke von John Parker Anfang der 90er ihren Kult-Status. Zwar hat Yeti seitdem einiges durchgemacht, mit Superstar Richie Rude steht Racing aber immer noch ganz oben auf der Agenda. Beim E-Bike hingegen übte sich die Marke mit den türkisen Bikes lange in Zurückhaltung. Erst das 160E von 2021 brach mit den Konventionen. Typisch Yeti: Sündteuer. Die Fahreigenschaften waren jedoch “nur” sehr gut, das Motorsystem wenig reichweitenstark.
E-Bike #2, das neue Light-Bike MTe mit TQ-Motor von Anfang 2025 konnte uns da schon wesentlich mehr begeistern und sich sogar im direkten Duell mit Erzrivale Pivot durchsetzen. Und nun rollt Yeti dieses Bike bei uns in die Redaktion: Das neue LTe tritt mit 170/160 Millimetern Federweg in die Fußstapfen des 160E. Statt von Shimano kommt der Antrieb jetzt von Bosch, 800 Wattstunden im Unterrohr inklusive. Doch der E-Teil beim E-Bike ist für Yeti eher zweitrangig.
Das Hinterbau-System, das soll das Herz des Mountainbikes sein. Egal ob mit oder ohne Motor, so die Überzeugung. Also tauchen wir ab in die Details des komplexen Sechs-Gelenk-Hinterbaus. In Federkennlinien und Anti-Squat-Kurven und Hebelverhältnisse. Hier hat sich jemand massiv Gedanken gemacht, so die klare Message. Ob sich das auch auf dem Trail auszahlt, dazu unten mehr. Was die reinen Fakten angeht: Der Hinterbau quetscht 160 Millimeter Hub aus Dämpfern von Fox. Über einen Flipchip soll sich die Progression auf die Vorlieben des Fahrers in drei Stufen anpassen lassen.
Ansonsten kommt das Bike mit Laufrädern in 29 Zoll, soll sich dank eines zweiten Flip-Chips in der Kettenstrebe aber ohne Geometrie-Veränderungen auch als Mullet fahren lassen. Der Rahmen des High-End-Boliden ist natürlich aus Carbon, das mit einem zweiten Composit-Material verstärkt ist. Vectran setzt Yeti teilweise schon beim Light-Bike MTe und vor allem in seinem Downhill-Prototypen ein, beim LTe kommt es jetzt flächendeckend zur Anwendung.
Der Rahmen ist mit klassischer Zugführung konstruiert. Gegen Geräuschentwicklung beim Fahren und zugunsten der Servicefreundlichkeit sind die Züge im Rahmen in Röhrchen geführt und an den Ein- und Ausgängen geklemmt. Der Bosch-Akku ist aus Optik- und Performance-Gründen fest verbaut. Eine Service-Klappe erleichtert aber den Zugang. Es reicht wohl, den vorderen Motorbolzen zu lösen, um die Batterie nach unten herausnehmen zu können. Ausprobiert haben wir das nicht.
Schließlich dann doch noch ein paar Takte zum E-System: Yeti setzt auf den neuen Bosch Performance CX (hier im Test), inklusive schickem Kiox 400 C Display. Im Topmodell kommt sogar der CX-R zum Einsatz. Über die Bosch App kann man den Motor auf bis zu 100 Nm und 750 Watt Spitzenleistung aufziehen und sich auch den neuen EMTB+ Modus hinzukonfigurieren, der gerade in schwierigen Uphills spürbare Vorteile bringt. Für Reichweite satt gibt’s die große 800er Batterie. Yeti will damit auch für eine stärkere Abgrenzung zum Light-Modell MTe mit TQ und 580 Wattstunden sorgen.
Die Geometrie des LTe hat Yeti modern gezeichnet. Der Reach fällt in Größe L mit 486 mm lang aus, die Kettenstreben treffen mit 449 Millimetern für Größe L ein angenehmes Mittelmaß. Auf mitwachsende Kettenstreben für eine ausgewogene Balance über die Rahmengrößen muss man bei Yeti aber verzichten. Prägend ist die flache Front: Der Stack von 636 mm fällt für moderne (E-Bike-)Verhältnisse ungewöhnlich tief aus.
Ein Schnapper ist das neue Yeti natürlich nicht. Die Exoten-Marke ist für krasse Preise bekannt und auch das LTe ist da keine Ausnahme. Immerhin: Anders als bei Vorgänger 160E bleibt das Einstiegsmodell trotz größerer Batterie vierstellig. Für 9900 Euro Listenpreis wechselt das LTe C2 mit Eagle 90 Transmission und Fox Performance Fahrwerk den Besitzer. Wer so viel Geld in einem Rad anlegt, greift vermutlich aber gleich zu unserem Testbike T3 für krasse 12 900 Euro mit XO Transmission, Fox Factory Fahrwerk und eigens für Yeti kreierten HXC 1700 Laufrädern von DT Swiss mit Carbon-Felgen und 350er Naben.
Noch mehr Bling-Bling gibt’s beim Topmodell T4 mit der neuen Fox Podium Upside-Down-Gabel und Bosch CX-R Motor für 14 500 Euro. Damit liegt das Yeti auf Augenhöhe mit anderen Edel-Bikes wie Specializeds Levo S-Works. Alle Bikes kommen mit Schwalbes Radial-Reifen, Rockshox neuer AXS Reverb und brutal zupackenden Sram Maven Bremsen, die zugunsten der Dosierbarkeit auch am Vorderrad “nur” auf 200er HS2 Scheiben beißen. Yeti verbaut bei allen drei Ausstattungsvarianten außerdem einen neuen, hauseigenen Carbonlenker, der mit viel Flex für üppigen Komfort auf langen und rauen Abfahrten sorgen soll. Bei Yeti ist man so überzeugt von diesem Produkt, dass es den Lenker mit 800er Breite und 35er Rise zukünftig auch im Aftermarket geben soll.
Ob das Yeti seinen exorbitanten Preis auf dem Trail rechtfertigen kann? Das liegt natürlich auch im Auge des Betrachters. Uns hat der neue Wurf aus Colorado aber mit seiner Kompromisslosigkeit und seinem klaren Charakter beeindruckt. Bergauf sitzt man zentral im Bike. Der Hinterbau steht eher etwas tiefer im Hub, arbeitet aber sehr sensibel und traktionsstark. In Kombination mit Schwalbes Radial-Reifen bietet das Yeti so massiv viel Grip bergauf. Vorderrad-Steigen ist hier und da spürbar aber kein echtes Problem, da man mit dem relativ niedrigen Stack und steilen Sitzwinkel immer viel Druck auf die Front bringen kann. Der neue Bosch-Motor tut sein übriges und verhilft dem Yeti in Summe zu einer starken Kletter-Performance.
Steigt man von anderen E-Enduros auf das Yeti um, braucht man bergab eine kurze Eingewöhnungsphase. Viele federwegsstarke E-Bikes tendieren zu einer hohen Front und moderatem Reach, das Yeti fällt hingegen lang und flach aus. Wir lassen also lieber ein paar Spacer unter dem Vorbau und sind froh über den hohen Lenker mit 35 mm Rise. Einmal eingewöhnt, lernt man die racige Fahrposition des Yeti zu schätzen. Voll konzentriert und mit viel Druck auf der Front schießen wir mit dem Bike in eine unserer gewohnten Downhill-Teststrecken und merken: Genau dafür ist das LTe gemacht.
In weiten High-Speed-Kurven liegt das Yeti wie auf Schienen, Chassis und Rahmen und sicher auch die Radial-Reifen filtern kleine Schläge gekonnt heraus. Trotz “nur” 160 Millimetern im Heck fühlt sich das Fahrwerk nach massiven Reserven an und gleitet wie der sprichwörtliche fliegende Teppich selbst über raue Wurzelfelder, voll mit groben Absätzen und fiesen Steinen. Da scheppert man im Übermut schon mit eigentlich zu hohem Tempo über die Strecke und das LTe schluckt’s einfach weg und verlangt nach mehr. Mehr Reinhalten, mehr Speed, mehr Harakiri. So eng waren die Kurven auf unserem Test-Track gefühlt schon lange nicht mehr. Wer mag kann das Hinterbau-Gefühl außerdem noch mit dem Flip-Chip am Dämpfer Richtung linearer oder poppiger feintunen. Wir empfanden die mittlere Position als sehr ausgewogen.
Wer auf Vollgas und schnelle Linie steht, wird also seine helle Freude am LTe haben. Und wie steht’s mit Spieltrieb, Popp und engen Kurven? Gerade in die Luft lässt sich das racige Bike erstaunlich leicht befördern. Da waren wir angesichts des schluckfreudigen Fahrwerks überrascht. Auch in engen Turns schlägt sich das Yeti dank moderater Kettenstrebenlänge und nicht zu üppigem Radstand gut. Der Gesamtcharakter bleibt jedoch zielstrebig und sportlich statt explizit verspielt. Dank guter Zugführung und neuem Bosch-Motor ist das Yeti auch bergab relativ leise. Unser Testbike gab jedoch ein leichtes Klacken aus Rahmen oder Dämpfer von sich, das wir bis Testende nicht genau lokalisieren konnten.
Yetis neues LTe ist zwar extrem teuer, begeistert aber mit vielen durchdachten Details und vor allem den Fahreigenschaften. Wir sind das Bike nicht im Direktvergleich mit der Konkurrenz gefahren. So würden wir sagen: Echter Racer mit fantastischem Fahrwerk und klarem Charakter für Speed-Fetischisten. Wer ein besonders verspieltes Bike sucht findet aber geeignetere Bikes. Wir sind gespannt, wie sich das Yeti LTe schlägt, wenn wir mit einem passenden Konkurrenten zum Test ausrücken können. - Adrian Kaether, Redakteur Test & Technik
BIKE: Yeti hat sich in Sachen E-Bike lange zurückgehalten. Erst 2021 erschien das 160E, auch auf MTe und das neue LTe mussten wir seitdem vier Jahre warten. Was steckt dahinter?
Garrett Davis: Zwei Dinge mussten für uns gegeben sein: Erstens mussten die Motoren ein technisches Level erreichen, dass wir auch selbst damit Spaß hatten. Und zweitens brauchten wir eine Kinematik, die uns auch mit dem Motor die herausragenden Qualitäten in Sachen Federung liefert, für die wir bekannt sind. Unser Sixfinity-Konzept war die Lösung.
Gerade in den USA stand man lange E-Bikes auch sehr kritisch gegenüber. Welche Rolle spielt denn auch die Nachfrage für die Entwicklung eurer E-Mountainbikes?
Mit dem 160E haben wir 2021 unserer Meinung nach einen guten Zeitpunkt getroffen, um mit dem ersten E-MTB durchzustarten. Unser Video zum Launch damals hieß “It takes time, to make time.” Wir wussten, dass wir später dran sind als andere. Aber wir wollten mit unserem E-MTB eben ein kompromissloses Yeti-Bike an den Start bringen, hinter dem wir als Marke zu 100 Prozent stehen. Die zwei neuen Bikes jetzt, mit der Diversifizierung mit MTe und LTe zeigen unser Commitment zum Thema E-Mountainbike. Wir beobachten das genau und können uns auch eine Erweiterung der Palette vorstellen, wenn der Markt das fordert.
In unserem Gespräch vor dem Interview hast du angedeutet, dass Yeti die Konstruktion eines neuen Bikes etwas anders angeht als andere Marken. Was genau meinst du?
Wir wollen ein Rad, das Mountainbiker schneller macht. Das Design des Fahrwerk nimmt dabei die zentrale Rolle ein und hat Priorität vor allen anderen Entscheidungen hinsichtlich der Ausstattung und damit meine ich explizit auch das Motorsystem. Mit Sixfinity haben wir eine Kinematik, bei der wir quasi alle Freiheiten haben hinsichtlich Hebelverhältnissen, Anti-Squat und Anti-Rise und genau das Fahrwerk realisieren können, wie wir es uns vorstellen. Daneben spielt die Ästhetik eine große Rolle. Wir haben hier bei Yeti ein extrem motiviertes Team, dass die technische Perfektion im Inneren auch nach außen hin sichtbar macht.
Bis jetzt setzte euer Full-Power-E-Bike auf einen Shimano-Motor. Das neue kommt mit Bosch. Warum der Wechsel?
Die Flexibilität unseres Federungssystems gibt uns den Luxus, das E-System als einen Teil der Ausstattung behandeln zu können. Das ist bei vielen anderen Marken anders, die einen neuen Motor erst umfangreich in ihr Fahrwerk einpassen müssten. Im Moment verbauen wir zum Beispiel Schaltungen von Sram und nehmen das Feedback vom Markt dazu auf. Nächstes Jahr wird Shimano wieder eine größere Rolle zukommen. Bosch liefert aktuell ein sehr performantes E-System mit hoher Zuverlässigkeit und gutem Service. Unsere Verbindungen zu Shimano, durch unser Race-Team aber auch sonst bleiben trotzdem eng.
Einige Entscheidungen am LTe - Full-29, fest verbaute Batterie, Geometrie - hätte man auch anders treffen können. Warum habt ihr euch so entschieden?
Zunächst zur fest verbauten Batterie. Wir alle wollen ein Bike das unkompliziert im Umgang und leicht zu warten ist. Aber wir wollen auch, dass es gut aussieht. Mit 800 Wattstunden im Unterrohr muss man die Batterie nicht unterwegs ausbauen. Durch die Service-Klappe kommt man in der Werkstatt aber in gut 10 Minuten an den Akku heran. Das war für uns der beste Kompromiss.
Zum Thema Laufradgröße und Geometrie: Wir denken immer noch, dass Full-29 die schnellste Option ist. Mit Sixfinity können wir aber ein Flip-Chip einbauen, der ein kleines Hinterrad möglich macht, ohne Einbußen bei der Performance und ohne die Geometrie des Bikes zu verändern. Also war für uns die Entscheidung klar, den Fahrern diese Option auch zu geben.
Kannst du etwas zum Gewicht und zum Rahmengewicht sagen?
Gewicht ist natürlich ein Faktor, aber beim E-Enduro nicht der Entscheidende. Einfach auch, weil so viele schwere Komponenten im Spiel sind, dass der Rahmen am Gesamtgewicht keinen großen Unterschied macht. Anders zum Beispiel bei unserem Cross-Country-Bike ASR (hier im Test). Beim LTe standen aber mehr die Fahreigenschaften und vor allem die Haltbarkeit im Fokus. Das Bike wurde nach unserem hauseigenen Yeti-Enduro-Standard getestet, der deutlich über den normalen ASTM4 Standard hinausgeht. Neben einem Stahlfederdämpfer kann das Bike auch mit einer Doppelbrückengabel mit bis zu 180 Millimetern gefahren werden und wurde auch entsprechend geprüft. Das ist uns beim E-Enduro wichtiger, als das Gewicht des Bikes.