Florentin Vesenbeckh
· 20.08.2025
Spezialist für Downhill-Freaks und Bikepark-Fans oder komfortabler Tourenpartner mit Reserven? E-Enduros sollen eine maximal breite Zielgruppe bedienen. Entsprechend stecken Bike-Entwickler in einer Zwickmühle: Soll der Sprössling ein Spezial-Tool für hartes Gelände sein? Oder Everybody’s Darling, der auch bei der gemütlichen Seeumrundung willig mitmacht? Und auch wir Biker müssen aufpassen, denn wo viel Federweg draufsteht, muss noch lange kein echter Trail-Könner
drinstecken. Mit diesem Test schaffen wir Klarheit! Auch wenn wir uns bei der Auswahl auf die sportlichere Seite der E-Enduros konzentriert haben, zeigen unsere fünf Prüflinge ganz unterschiedliche Charaktere.
Zwischen 160 und 170 Millimeter Federweg liefern die Testbikes am Heck, an der Gabel sind es 170 bis 180 Millimeter. Kaum zu glauben, dass die Federwege so nahe beieinander liegen, denn im Praxistest sind die Unterschiede der Fahrwerke eklatant. Die Bikes von Focus und Propain, beide mit Stahlfederdämpfer, zeigen extremes Schluckvermögen. Selbst auf harten Bikepark-Strecken mit großen Sprüngen bleiben die Boliden gelassen – und animieren in Downhill-Manier zum Gas geben.
Im Vergleich dazu geht man mit den Bikes von Conway und Radon zahmer zu Werke. Wir würden die beiden Kandidaten eher als fahrstarke All Mountains mit Reserven für härtere Abfahrten bezeichnen. Dazu passen auch die großen Akkus mit 800 Wattstunden und die moderaten Gewichte. In die Mitte zwischen den beiden Extremen trifft das Centurion No Pogo. Es kombiniert Fahrspaß, Schluckvermögen und Tourentauglichkeit gekonnt.
Bei der Ausstattung leisten sich die Produktmanager kaum Schnitzer: Kräftige Bremsen mit großen Scheiben, robuste Reifen mit griffigem Gummi, gute Federelemente. Auch im ernsten Geländeeinsatz kann man mit diesen Paketen direkt durchstarten.
Auch wenn der Markt der E-Motoren aktuell aufblüht, ist unser Testfeld eher monoton bestückt. Vier der fünf Modelle kommen mit dem beliebten Bosch Performance Line CX, der seine Vormachtstellung am Markt in den letzten Jahren zementiert hat. Zwar sägen Newcomer wie der DJI Avinox (hier im Test!) am Thron – doch E-Enduros mit dem starken China-Motor gibt es aktuell noch nicht in Serie. Stattdessen sorgt Propain mit dem Sram Powertrain für Abwechslung im Testfeld.
Doch an der Bosch-Dominanz kann der Sram-Motor kaum rütteln. Nach dem Leistungs-Update für den Performance CX ist der Schwaben-Motor spürbar stärker. Wie spielerisch man sich mit dieser Power selbst steilste Uphills hochmanövriert, ist fast schon frech. Für uns ist klar: Der Schub eines Brose Drive S, der die Hardware für Srams Powertrain liefert, reicht theoretisch völlig aus. Doch im direkten Vergleich fällt die Power spürbar ab.
Trotz sportlichen Anspruchs und Fokus auf beste Abfahrtseigenschaften kommen übrigens alle Bikes mit leicht entnehmbarer Batterie. Das ist in dieser Kategorie etwas überraschend, kamen doch zuletzt immer mehr sportliche E-MTBs mit fester Integration auf den Markt. Gut für alle, die Wert auf einen Wechsel-Akku legen. Rekordgewichte erreichen die Kandidaten damit natürlich nicht. Doch wir können beruhigen: Auf knackigen Abfahrten haben wir uns selten so sicher gefühlt – und hatten noch dazu richtig Spaß.
Ausgestattet mit hochwertiger Messtechnik von Garmin führen wir mit den E-Mountainbikes aufwändige Reichweitenvergleiche durch. Unser Ziel dabei: Eine ideale Vergleichbarkeit zwischen den unterschiedlichen Systemen. Vier der fünf Kandidaten fahren mit Boschs Performance CX, dem traditionell reichweitenstärksten System im Ring. Radon, Conway und Centurion erreichen mit den großen 800er Batterien im Turbo-Modus über 2000 Höhenmeter, das ist richtig viel. Wichtig zu wissen: Die Tests laufen im Auslieferungszustand, also mit 85 Nm und 600 Watt Spitzenleistung des Bosch CX. Die zusätzliche Power durch das Update auf 100 Nm muss explizit vom Fahrer über die App hochgeregelt werden. Mit höherer Leistung würden die Bikes schneller fahren und die Akkus nicht so lange halten.
Auch mit dem Powertube 600 im Focus Sam² ist eine sehr ordentliche Reichweite drin. Im direkten Vergleich mit dem Sram Powertrain im Propain, ebenfalls mit 600 Wh, zeigt sich die super Reichweitenleistung des Bosch-Systems. Das Propain Ekano landet damit klar auf dem letzten Platz des Rankings.
Echte Leichtgewichte sucht man im Feld vergeblich. Bei der robusten Ausstattung und mit Wechsel-Akkus verwundert das nicht. Mit seinem leichten Chassis erreicht Conway das geringste Gesamtgewicht, trotz reichweitenstarkem Bosch-Akku, 38er Gabel und Gravity-Reifen. Das ist stark. Die Alu-Bikes von Centurion und Focus fallen schwer aus, dafür können beide mit richtig hohen Gewichtsfreigaben punkten, das schafft Vertrauen ins Bike. Gerade Focus setzt von Kopf bis Fuß auf Heavy Duty. Trotz kleinem 600er Akku ist das Bike verdammt schwer.
Im Downhill setzen sich Propain und Focus deutlich ab. Wahnsinn, wie sicher und spaßig beide über harte Abfahrten bügeln! Erfreulich: Das Budget wird dabei nicht überstrapaziert. Gerade das Focus muss allerdings gefordert werden um abzuliefern. Für gemäßigte Einsätze eignen sich Centurion, Conway und Radon besser. Hier gibt’s dann auch massig Reichweite dank Riesen-Akku. - Florentin Vesenbeckh, stv. Chefredakteur BIKE
Unsere Punktetabelle zeigt im Detail, welche Stärken und Schwächen die Bikes haben. In der Praxiswertung liegt das Propain Ekano deutlich vorne, gefolgt vom fahrsicheren Focus Sam². Die anderen Kandidaten sind im harten Gelände nicht ganz so souverän und schnell unterwegs.
In der Praxiswertung schnappt sich das Propain Ekano 2 CF mit Abstand die meisten Punkte. Im harten Gelände fährt es schlafwandlerisch sicher, ohne zu behäbig zu werden. Das bringt dem Versender-Bike den Testsieg!
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Das Focus Sam² 6.8 holt sich mit richtig starken Downhill-Eigenschaften und einem fairen Preis den Tipp Preis/Leistung!
Der kleine Bikepark in Oberammergau hat sich zu einem Klassiker unter unseren Testrevieren gemausert. Die meisten Trails sind naturbelassen und haben Enduro-Charakter, dazwischen reihen sich gebaute Stunts und eine Jumpline ein. Die ideale Varianz für einen Enduro-Test. Die Downhill-Strecke „Fichtenschreck“ entlarvt Schwächen im Fahrwerk gnadenlos, denn hier verteilen Wurzelfelder Schläge im Prassel-Modus. Das muss ein gestandenes Enduro abkönnen.