Ähm, ist das überhaupt ein Trek!? Ohne den dezenten Schriftzug auf dem Unterrohr, würde man hinter dem neuen High-Pivot-Enduro gar kein Bike aus dem Trek-Portfolio vermuten. Denn mit einer neuen Hinterbau-Konstruktion, einem Laufradgrößen-Mix und der überarbeiteten Formsprache werfen die Amerikaner das Erfolgsrezept des alten Slash über den Haufen – und zwar zu Gunsten einer gänzlich neuen Generation Trek-Enduros.
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Herzstück und gleichzeitig die größte Veränderung der Neuauflage ist der High-Pivot-Hinterbau. Aktuell setzen immer mehr Enduros auf einen hohen Drehpunkt. Darunter auch große Marken wir GT oder Cannondale. Doch was hat es damit auf sich? Wie der Name schon sagt, sitzt der Hauptdrehpunkt des Hinterbaus nicht wie gewöhnlich in Tretlagernähe, sondern deutlich weiter oben. Beim Einfedern vergrößert sich so der Abstand zwischen Tretlager und Hinterradachse, wodurch das Hinterrad dem Hindernis nach hinten ausweicht, anstatt daran “hängen” zu bleiben. Der Nachteil: Je größer die Kettenstrebenlängung, desto mehr zieht die Kette das Kettenblatt beim Einfedern zurück. Je nach Kettenzug führt das zu negativen Einflüssen auf das Fahrwerk und zu Pedalrückschlag. Um das Fahrwerk von diesen Antriebseinflüssen zu entkoppeln, läuft die Kette bei High-Pivot-Bikes für gewöhnlich über eine Umlenkrolle nahe dem Drehpunkt. Allerding macht sich die fortschrittliche Hinterbau-Konstruktion auch auf der Waage bemerkbar – und zwar im negativen Sinne. Denn der neue Carbon-Rahmen wiegt ohne Dämpfer 3268 Gramm in Größe L (BIKE Messwert). Beim Vorgänger pendelte sich unsere Laborwaage dagegen schon bei 2777 Gramm ein.
Das nächste große Update geht mit der Laufradgröße einher. Während der Vorgänger ausschließlich mit 29-Zoll-Laufrädern erhältlich war, setzt das Trek Slash in der sechsten Generation auf einen Laufradgrößen-Mix mit 29er-Vorderrad und 27,5-Zoll am Hinterrad. Demontiert man das Mini-Schutzblech zwischen den Sitzstreben und tauscht die untere Dämpfer-Aufnahme (separat erhältlich), können Freunde von extremer Laufruhe aber auch ein großes Hinterrad montieren. Doch damit nicht genug. Um das neue Slash bestmöglich an die persönlichen Vorlieben des Fahrers anzupassen, kann man zudem den Lenkwinkel mit verschiedene Steuersatz-Schalen ein halbes Grad flacher oder steiler stellen (separat erhältlich). Auch gut: Um Bikern jeder Körpergröße perfekt ausgewogene Fahreigenschaften zu garantieren, wachsen die Kettenstreben mit der Rahmengröße. An Bikes in der Rahmengröße S steckt aus demselben Grund auch in der Gabel ein kleines 27,5-Zoll-Laufrad. Zu guter Letzt lässt sich auch die Progression des Hinterbaus via Flipchip an der Dämpferaufnahme in zwei Stufen verstellen.
Weitere Neuerungen offenbart ein Blick auf die Geometrie-Tabelle. Der Lenkwinkel flacht im Vergleich zum Vorgänger von 64,1 Grad auf 63,5 Grad ab - mit neutraler Steuersatz-Schale wohlgemerkt. Entsprechend dem Trend baut auch der Sitzwinkel am neuen Slash mit 77 Grad um 1,4 Grad steiler. Der Reach in Größe L (488 Millimeter) bleibt gegenüber dem Vorgänger (486 Millimeter) dagegen fast identisch. Analog zur radikaleren Geometrie wächst auch der Federweg am Heck um einen Zentimeter und zieht damit mit der 170er-Gabel gleich.
“Das neue Trek Slash ist wie ein Flugzeugträger: Lang, hoch-technologisiert und sauteuer.” - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Zahllose Detail-Lösungen, die top Verarbeitung und jede Menge Einstell-Optionen entfachen bei Individualisten und Liebhabern bereits im Stillstand sofortige Kauflust. Den Fahreindruck bergab dominiert der extrem flache Lenkwinkel und der üppige Reach. Die Kombi zieht den Radstand stark in die Länge. So kann das Trek besonders auf ruppigen Highspeed-Passagen mit enormer Souveränität glänzen. Überschlagsgefühle kommen durch die hohe Front und die erhabene Fahrposition so gut wie nie auf. Das Geschwindigkeits-Limit setzen allein die Fahrkünste des Piloten. Ab 30 Prozent SAG unterstützt auch das Fahrwerk rasante Abfahrten mit einem satten Fahrgefühl, entkoppelt den Fahrer aber nicht komplett vom Untergrund. Um zackige Richtungswechsel auf verwinkelten Trails umzusetzen, verlangt das Bike aber nach einer extra Portion Körpereinsatz. Das liegt neben der Länge des Bike auch am vergleichsweise hohen Gesamtgewicht. Auch das kleine Hinterrad kann daran nur wenig ändern. Denn mit 434 Millimetern in Größe L fallen Kettenstreben nicht auffällig kurz aus. Bergauf gefällt die vortriebsorientierte Sitzposition. Der spürbar steile Sitzwinkel verteilt viel Last über dem Vorderrad. Das erleichtert die Kontrolle. Die Bontrager-Reifen rollen zwar angenehm leicht, geizen gerade für ein Superenduro aber mit Grip. Kritik gibt’s auch für den flachen Lenkwinkel. Der neigt bei langsamer Fahrt stark zum Abkippen. Obwohl Trek als ein Vorreiter der Lenkanschlagsbegrenzer gilt, verzichten die Amerikaner am neuen Slash auf diesen Schutz.
Alle Ausstattungsvarianten und Preise des Neuen Trek Slash 2024 in der Fotogalerie:
GESAMT BERGAUF: 46 von 80 Punkten
GESAMT BERGAB: 125 von 140 Punkten