Florentin Vesenbeckh
· 27.12.2024
Enduros werden immer schwerer und abfahrtsorientierter. Deutlich über 16 Kilo wogen die Bikes unseres letzten Vergleichstests im Schnitt – ohne Motor und Akku, versteht sich. Kommen dann noch klebrige Reifen und robustes Zubehör dazu, können lange Ausfahrten schon mal zäh werden. Die Allround-Qualitäten der beliebten Spaß-Kategorie leiden. Und genau hier kommen Light-E-MTBs ins Spiel. Sie versprechen entspannte Anstiege, um volle Konzentration auf den Abfahrtsspaß zu legen. Und das ohne das krasse Mehrgewicht und den bulligen Look von klassischen E-Bikes. Zwei heiße und brandaktuelle Kandidaten dieser Kategorie sind das Trek Slash+ und das Decoy SN von Direktversender YT Industries.
Mit über 20 Kilo sind die Bikes zwar weit entfernt von Gewichtsrekorden. Dafür haben sie mit dicken Federelementen und ebensolchem Hub genug Reserven für harte Enduro-Tracks und Bikepark-Einsätze parat. Und genau hier brillieren sie. Das Handling ist spürbar besser als bei klassischen E-Enduros. Weniger schieben beim Anbremsen, leichtfüßigeres Fahren, spaßig in die Luft zu ziehen. Auch wenn beide Kandidaten nicht mit der Wendigkeit noch leichterer, kurzhubigerer Light-E-MTBs um 18 Kilo mithalten können.
Optisch bleiben Slash+ und Decoy SN erstaunlich nahe an ihren unmotorisierten Geschwistern, dem Slash und dem Capra. Das verdanken sie insbesondere den schlanken Motoren. Im Trek steckt der kreisrunde und superleise TQ HPR 50, den wir HIER schon ausführlich in Labor und Praxis getestet haben. Unauffälliger und natürlicher wird die Fahrt aktuell mit keinem anderen E-Motor am Markt. Dafür ist die Power auch eher dezent. Eine Stufe stärker kommt der Ride 60 von Fazua (HIER im Test) im YT daher. Auch der zweite Bayern-Motor trägt kaum auf. Doch ist er deutlich kräftiger, allerdings auch etwas lauter als der TQ.
Das Trek kommt als erstes und bisher einziges Bike überhaupt mit dem neuen, extragroßen TQ-Akku mit 580 Wattstunden. Der konnte in unserem Reichweitentest mit starker Ausdauer überzeugen. Zudem ist die Batterie aus dem Bike entnehmbar. YT hat den Akku hingegen fest im Unterrohr verbaut und ist obendrein mit 430 Wattstunden schlanker bestückt.
Wer nur mäßig Motor-Power abruft, um im Anstieg ein paar Körner zu sparen, kann auch mit den Light-Bikes tagesfüllende Enduro-Runden abspulen. Anders sieht es aus, wenn man permanent vollen Schub fordert, zum Beispiel um einem Power-E-Bike hinterherzuhecheln. Beide Kandidaten stehen in diesem Punkt überdurchschnittlich gut im Saft. Aber wie schlagen sich beide Systeme im direkten Vergleich?
Extra für dieses Duell haben wir die beiden Bikes mit eingelevelter Motor-Power von ca. 200 Watt gegeneinander antreten lassen. Bei diesem Feldtest fahren beide Bikes mit identischer Geschwindigkeit den Berg hinauf. Das Gewicht der Fahrer haben wir mit Zusatzgewichten auf 90 Kilo inkl. Ausrüstung angeglichen und die Tretleistung mit Garmin-Wattmesstechnik auf konstant 150 Watt gehalten. Das garantiert ideale Vergleichbarkeit der Systeme.
Der neue, extragroße TQ-Akku mit 580 Wattstunden im Trek konnte in diesem Szenario mit starker Ausdauer überzeugen. So erkletterte das Slash+ 1933 Höhenmeter. Den Ride 60 mit 430er-Batterie im YT Decoy SN lies es damit klar hinter sich. Dieser schaffte es auf 1537 Höhenmeter. Das ist aufgrund der reinen Akku-Kapazität nicht verwunderlich, schließlich ist das Trek für ein Light-Bike überdurchschnittlich gut bestückt. Doch in früheren Tests machte das TQ-System mit dem kleineren 360er-Akku eine eher schwache Figur, während der Ride 60 von Fazua stets brillierte. Das zeigt auch dieser umfangreiche Reichweitenvergleich diverser Light-Antriebe.
Setzt man die erreichten Höhenmeter mit der nominellen Akku-Kapazität ins Verhältnis, steht das Fazua-System noch etwas besser da, was Rückschlüsse auf eine bessere Effizienz zulässt. Doch in der Praxis ist das Slash+ mit größerem Akku deutlich reichweitstärker, bei geringerem Gesamtgewicht. Das ist ein Pfund!
Der Uphill ist nicht die große Stärke eines Light-E-MTBs. Trotzdem gelingt beiden Bikes eine super Performance. Besonders in technischen Passagen können die Enduros punkten, sofern der Fahrer aktiv zu Werke geht und ordentlich Eigenleistung in die Pedale gibt. Dabei haben beide Bikes eine extrem starke Traktion im Heck gemein. Die Fahrwerke saugen Unebenheiten schier in sich auf, so verliert man quasi nie den Grip. Auf dem Trek nimmt man deutlich weiter vorne im Bike Platz, auch weil die Front tiefer baut. So hat man mehr Kontrolle und Druck auf dem Vorderrad. Ein spürbarer Vorteil. Denn das YT drängt den Fahrer durch die hohe Front in extremen Steilpassagen etwas zu weit nach hinten, da muss man aktiv gegenarbeiten.
Der Positionsunterschied zeigt sich auch im Downhill. Gelassen hinter dem Cockpit stehen, tief im Bike, dafür steht das Decoy SN. Während man im direkten Vergleich beim Slash+ deutlich sportlicher über das Bike gespannt ist und so per se mehr Druck auf dem Vorderrad hat. Das liegt neben der Geometrie auch ein Stück weit am Lenker, der am YT hoch, am Trek flach baut.
Auf sehr hohem Niveau liegen Sensibilität und Schluckvermögen der Hinterbauten. Eine große Stärke beider Bikes. Das Slash+ bietet hier mehr Sänftenfeeling, während das Decoy SN definierter wirkt. Gerade bei großen Schlägen bringt das High-Pivot-Design im Trek einen Aha-Effekt. Der Federweg ist schier unendlich. Und das trotz günstigem Performance-Dämpfer.
Anders sieht es an der Front aus. Hier bringt die günstige Fox 38 Rythm dem Slash einen klaren Nachteil. Sie kann weder mit dem Heck, noch mit der ZEB Ultimate im Decoy mithalten. So bleibt das YT in ruppigen Downhills deutlich länger souverän.
Für ihre enormen Nehmerqualitäten bleiben beide Kontrahenten angenehm handlich. Auch auf engeren Trails lassen sie sich gut bewegen und spaßig von Kurve zu Kurve werfen. Das YT ist in Summe aber nochmal eine ganze Ecke lebendiger, animiert mehr zu einer aktiven Fahrweise und lässt sich deutlich leichter aufs Hinterrad ziehen.
Beide Bikes haben uns auf dem Trail voll überzeugt. Trotz verhältnismäßig üppiger Gewichte unterscheidet sich ihr Handling drastisch von dem der ‘dicken’ E-Enduros. Dank Top-Ausstattung holt das YT noch mehr heraus. Die gibt’s bei Trek erst beim deutlich teureren Topmodell. - Florentin Vesenbeckh, stellv. Chefredakteur BIKE