Scott zählt zu den stärksten Innovationstreibern der Bike-Industrie. Ihren letzten großen Meilenstein legten die Schweizer 2021 mit dem neuen Racefully Spark. Damals präsentierten die Schweizer nicht nur das bis dato abfahrtsstärkste Racebike, sondern profitierten auch erstmals von ihren Markenanteilen an der Schwesterfirma Bold. Nach deren Übernahme darf sich Scott auch am Patent zur Dämpferintegration bedienen. Seitdem setzt das Spark neben seinen herausragenden Fahreigenschaften auch in Sachen Systemintegration neue Maßstäbe. Auch beim All Mountain Bike Genius steckt der Dämpfer mittlerweile im Rahmen. Gleiches gilt für die gesamte E-Mountainbike-Modellpalette. Man muss also kein Szene-Insider sein, um zu erahnen, welchem Mountainbike Scott als nächstes die neue Designsprache angedeihen lässt. Richtig: dem Ransom.
Um das Enduro Scott Ransom perfekt in die Modell-Hierarchie einzugliedern, verschiebt sich auch hier der Fokus deutlich weiter Richtung Downhill – genau wie bei den kleineren Geschwistern Spark und Genius. Den Grundstein für die gesteigerte Abfahrtsleistung legen die Ingenieure mit einer komplett neuen Rahmenplattform mit 170 Millimetern Hub und Sechsgelenk-Hinterbau. Dabei steht der Dämpfer jedoch nicht mehr im Sitzrohr, wie wir es von den Modellen Spark und Genius kennen, sondern liegt stattdessen fast waagerecht über dem Tretlager. Der Tretlagerbereich ist so großzügig konstruiert, dass das Ransom neben dem Float-X-Nude auch mit anderen gängigen Stahl- und Luftfederdämpfern kompatibel ist. Der integrierte Dämpfer bietet übrigens nicht nur optische Vorteile. Er schafft auch Platz im Hauptrahmen für eine große Trinkflasche. Die Integration zahlt zudem auf die Haltbarkeit ein. Geschützt vor Wasser, Schlamm und Staub verlangt der im Rahmen integrierte Dämpfer deutlich weniger Wartungsaufwand als in herkömmlichen Rahmenkonstruktionen. Der weniger positive Aspekt: Für das Setup ist der Dämpfer deutlich schwieriger zu erreichen. Steht das Bike auf dem Kopf, kommt man aber gut an die Service-Luke unter dem Tretlager.
Um das Scott Ransom möglichst einfach an die Vorlieben verschiedener Fahrertypen anpassen zu können, erhielt das MTB einen verstellbaren Winkelsteuersatz. Je nachdem, wie man die ovale Steuersatzschale einsetzt, beträgt der Lenkwinkel 63,5 oder 64,7 Grad. Eine neutrale Steuersatzschale für die Mittelstellung wird mitgeliefert. Doch damit nicht genug: Auch beim Laufrad-Setup kann der Kunde dank Flipchip selbst entscheiden: Soll das Bike einheitlich auf 29-Zoll-Laufrädern rollen oder zugunsten des Spieltriebs mit einem kleineren 27,5er-Hinterrad aufgebaut werden? Einen weiteren USP bietet das Ransom mit einer Menge cleverer Details: Eine externe SAG-Anzeige, ein Steckachsen-Tool, die hauseigene Syncros-Vario-Stütze mit verstellbarem Hub, neben dem Dämpfer passen auch ein Ersatzschlauch und Werkzeug in den Rahmen und in den Lenker-Enden steckt ein Tubeless-Pannen-Kit.
63,8er-Lenkwinkel (flache Einstellung), 483 Millimeter Reach, 440er-Kettenstreben und ein 77,4 Grad steiler Sitzwinkel - mit diesen Maßen bekennt sich das neue Ransom zur modernen Sorte der Enduro-Bikes, meidet aber Extreme. So bleibt das Ransom auch für weniger versierte Piloten leicht zu beherrschen und verlangt keine ausgefeilte Fahrtechnik.
Erhältlich sind fünf Modellvarianten zwischen 5999 und 9999 Euro. Dabei kommt nur das Top-Modell mit einem Vollcarbon-Rahmen aus den superleichten HMX-Carbonfasern. Bei den übrigen Varianten besteht das hintere Rahmendreieck aus Aluminium und der Hauptrahmen vertraut auf die einfacheren HMF-Fasern. Erhältlich sind die Bikes in den Rahmengrößen S, M, L und XL. Das Contessa-Frauen-Modell gibt´s nur in S, M, und L.
Wir konnten das Top-Modell Scott Ransom 900 RC im 29er-Setup bereits ausführlich testen. Ausgewogen, sportlich und durchdacht bis in die kleinste Schraube – das beschreibt die Kernkompetenzen des neuen Ransom ziemlich perfekt. Die Sitzposition ist modern und fällt kompakt aus, der steile Sitzwinkel platziert den Piloten weit vorn im Bike. Mit viel Druck auf der Front klettert das Scott so auch knifflige Anstiege locker hinauf. Was die Effizienz angeht, gehört das Ransom zu den besten Enduros am Markt. Über den sogenannten Tracloc-Hebel lässt sich der Hinterbau während der Fahrt vom Lenker aus in drei Stufen verstellen. Neben dem offenen Modus stehen zwei weitere Fahrmodi zur Wahl. So schließt sich im Ramp-Control-Modus eine der beiden Luftkammern im Dämpfer und der Federweg schrumpft auf 130 Millimeter.
Das hat denselben Effekt, als würde man Volumen-Spacer verbauen – nur eben auf Knopfdruck. So bietet das Heck beispielsweise auf welligen Trails mehr Gegenhalt und unterstützt eine aktive Fahrweise. Als Klettermodus dient eine klassische Plattform. Sie eliminiert auch im Wiegetritt jegliches Wippen. Im Downhill fühlt sich der Hinterbau trotz des vergrößerten Luftvolumens des Float-X-Nude-Dämpfers vergleichsweise progressiv an und gibt gutes Feedback vom Untergrund. Das Ansprechverhalten überzeugt dennoch auf ganzer Linie. Piloten mit einem aktiven Fahrstil dürften diese Fahrwerkscharakteristik lieben. Wer allerdings ein Setup bevorzugt, das einen komplett vom Untergrund entkoppelt, findet potentere Bikes bei den Mitbewerbern. Alternativ kann man das Bike aber auch mit etwas mehr SAG abstimmen. Ab 35 Prozent Negativfederweg vermittelt auch das Ransom ein satteres Fahrgefühl.
Und das Handling? Zielstrebig und präzise hält es die anvisierte Linie – dem langen Radstand und dem flachen Lenkwinkel sei Dank. Die hohe Front und das tiefe Tretlager integrieren den Piloten zudem sicher hinter dem Cockpit. Dennoch wuselt das Ransom mit seiner gelungenen Fahrposition und dem reaktiven Fahrwerk flink von einer Kurve in die nächste.
Das neue Scott Ransom trifft die goldene Mitte aus Laufruhe und Spieltrieb. Gepaart mit dem vielseitigen Fahrwerk, dem geringen Gewicht und der tollen Kletterperformance deckt das Bike ein extrem breites Einsatzspektrum ab. Wer nur auf die Downhill-Leistung wert legt, findet allerdings konsequentere Modelle.