Eine Neuauflage des Scott Patron E-MTB war nach der Vorstellung des Bosch Performance CX 2025 eigentlich nur eine Frage der Zeit. Scott hat jedoch nicht einfach das neue System in den bestehenden Rahmen gesteckt, sondern viel Hirnschmalz investiert, um eine performante Plattform von Alltag bis Enduro zu erschaffen. Bereits auf den ersten Blick werden zwei Dinge klar. Erstens: Der Neuling unterscheidet sich deutlich von seinem Vorgänger. Zweitens: Das Thema Design spielte in der Entwicklungsabteilung der Schweizer eine große Rolle.
Von den ersten motorisierten Mountainbikes bis heute haben E-MTBs einen langen Weg schon hinter sich. Bei Scott weiß man, dass Optik und Formsprache im Bereich motorisierter Fahrräder ein sensibles Thema ist. Bereits das alte Patron E-Ride brach mit den E-Bikes früherer Zeiten und schaffte es dank einer großen Portion Systemintegration eine futuristische Optik mit den Vorzügen moderner E-MTBs zu vereinen. Das neue Scott Patron 2025 legt nochmals eine Schippe drauf. Mit klaren Linien, starken Fahreigenschaften und dem neuen Bosch-Motor (hier im Test) will das Fully mit 150 Millimetern Federweg im Heck in die Herzen der E-Biker fahren.
Trotz sportlichen Anspruchs wollte bereits die auslaufende Generation des Scott Patron E-Ride nicht auf komfortable Vorzüge, wie integrierte Rücklichter oder eine Ständeraufnahme verzichten. Unsere Tests bescheinigten den Patron damals eine hohe Alltagstauglichkeit, aber auch ein hohes Gewicht und eine etwas zahmere Gangart im Vergleich zu anderen Hardcore-E-MTBs derselben Federwegs-Liga. Beim Nachfolgermodell soll dieser Grenzgang zwischen den Welten nun konsequenter gelöst sein. Dafür setzt Scott auf eine Zweiteilung der Modell-Bezeichnungen. Die neuen Scott Patron Modelle der 900er-Reihe verfügen über 150 Millimeter Federweg an Gabel sowie Dämpfer und richten sich dank “Do-It-All-Anspruch” an eine breite Zielgruppe. Das neue Scott Patron ST (für “Super Trail”) will mit einer spezifischeren Komponentenwahl bis in das anspruchsvollste Gelände vordringen und so vor allem Enduro-Fahrer erreichen.
Erstmals in der Firmengeschichte kombiniert Scott an den neuen Topmodellen des Patron E-Ride einen Full-Power-Antrieb mit einem Vollcarbonrahmen. An diesen Bikes besteht nicht nur der Hauptrahmen, sondern auch der Hinterbau auf Carbon. Die Modelle aus der Speerspitze des Lineups mit Carbon-Kettenstreben müssen in diesem Zuge auf eine Ständeraufnahme verzichten. Ohne Dämpfer und in Größe M verspricht Scott ein Rahmengewicht von 2500 Gramm. In der preislichen Mittelklasse bieten die Schweizer das Patron mit einem Hybrid Rahmen an, welcher einen Carbon-Hauptrahmen mit einem Alu-Hinterbau kombiniert. Den Einstieg in die Welt des Patron E-Ride bilden Modelle mit Aluminium-Rahmen. Dieser soll ganze zwei Kilo schwerer sein, als das ausoptimierte Chassis aus Kohlenstoff. Um ein harmonisches Portfolio anbieten zu können und die Ersatzteilversorgung zu vereinfachen, entwickelte Scott die Carbon- und Alu-Versionen in Symbiose. Unabhängig vom Rahmenmaterial sind alle Kunststoffteile modellübergreifend dieselben. Alle Rahmen werden nach ASTM Kategorie Vier getestet und sind bis zu einem maximalen Systemgewicht von 128 Kilo freigegeben.
Obwohl Scott den neuen Patron-Rahmen von Grund auf neu entwickelt hat, kommt dieser interessanterweise mit derselben Geometrie, wie sein Vorgänger. Laut Hersteller hätten sich die Maße des Patrons sowohl im Up- als auch im Downhill bewährt und ein Update wurde hier für überflüssig erachtet. Neu ist allerdings die Option den Lenkwinkel in drei Schritten von 64,9 bis 65,8 Grad zu variieren. Geblieben ist die 454 Millimeter lange Kettenstrebenlänge über alle Rahmengrößen hinweg. Auf größenspezifische Hinterbauten verzichtet Scott. Ein tiefer gezogenes Oberrohr mit niedriger Überstandshöhe soll das Patron nun aber auch für kleinere Fahrer attraktiv machen. Alle Räder rollen auf 29 Zoll Laufrädern. Ein Umbau auf Mullet-Bereifung ist nicht vorgesehen.
Seit dem Scott Spark ist der schweizerische Hersteller für Systemintegrationslösungen am Fahrwerk seiner Fullys bekannt. Auch das neue Scott Patron verbirgt seinen Dämpfer im Rahmeninneren. Allerdings sitzt das Federbein nun nicht mehr, wie noch beim Vorgänger im Oberrohr, sondern wurde in den Bereich des Sitzrohres integriert. Großzügige Cover kapseln die interne Technik von Umwelteinflüssen ab, erhalten bei Bedarf aber die Zugriffsmöglichkeit auf den Dämpfer. Da dieser gut geschützt im Rahmen sitzt und keinem Dreckbeschuss ausgesetzt ist, war es Scott möglich besonders performante Dämpfer-Lagerungen von Fox zu verbauen. Trotz großer Öffnungen im Rahmen verspricht Scott eine hohe Rahmensteifigkeit.
Ungeachtet der großen optischen Veränderung soll bei der Kinematik fast alles beim Alten sein. Das neue Scott Patron vertraut weiterhin auf ein bewährtes Viergelenker-Hinterbausystem. Die Enduro-Modelle der ST-Baureihe kommen nun mit einem Fox Float X Dämpfer inklusive Ausgleichsbehälter für größeres Volumen und besseres Hitzemanagement. Eine formgenaue Öffnung im Dämpfer-Cover schafft den nötigen Platz. Beim Fahrwerks-Remote hört man auf die Wünsche der Kunden und spezifiziert auch am neuen E-Fully das Scott Tracloc-System. Mit diesem lässt sich per Daumendruck eine Pedalier-Plattform des Federbeins zuschalten oder der dieses sperren, um bergauf eine höhere Treteffizienz zu erreichen.
Für 2025 kommt das Scott Patron E-Ride mit dem neusten E-Bike-System von Bosch. Herzstück ist der aktualisierte Bosch Performance Line CX Motor mit 600 Watt und 85 Newtonmeter Spitzenleistung. Bis zu 340 Prozent Unterstützungsleistung sollen E-Mountainbiker überall hoch bringen. In unseren Tests erreicht das neue Aggregat Bestwerte und ist vor allem eines: angenehm klapperfrei. Ab Werk kommen alle Ausstattungsvarianten des Scott Patron 2025 mit dem neuen 800 Wattstunden-Akku von Bosch. Für ein leichteres Komplettgewicht können Kunden auch einen kleineren 600er Akku nachrüsten. Die Akkus lassen sich einfach nach unten aus dem Unterrohr entnehmen. Eine Magnetführung erleichtert das Einsetzen der Abdeckung, der robuste Verschluss funktioniert mechanisch. Anders, als noch beim Vorgänger, steht der Bosch Motor im Patron nun nicht mehr Kopf, sondern liegt konventionell im Bike.
Geschützt wird das Antriebssystem vom resistentesten Motor-Cover, das Scott je entwickelt hat. Inspiriert vom Motocross-Bereich verspricht das Cover massiven Schutz für die Elektronik. Um allen Dreck ausspülen zu können, verfügt das Cover am rundum abgedichteten Motor über extra große Ablauf-Öffnungen. Während alle anderen Leitungen und Züge im Oberrohr verlaufen, werden sämtliche Kabel im Unterrohr verlegt. Diese klare Trennung soll für weniger Komplexität beim Schrauben sorgen und Klappern verhindern. In den höheren Preisklassen kommt das neue Scott Patron mit dem Antiblockiersystem Bosch ABS Pro, welches blockierte Reifen beim Bremsen verhindern soll.
Mit dem neuen Patron E-Ride will Scott eine Fully-Plattform geschaffen haben, das möglichst viele Bedürfnisse von E-Bikern abdeckt. So kommen alle Modelle mit integrierten Rücklichtern, die ihren Strom direkt aus dem Haupt-Akku beziehen. Ein Fender am Hinterrad schützt die Hardware vor dem gröbsten Dreckbeschuss. Um das Fahrwerks-Setup zu erleichtern kommt auch am neuen Patron der von anderen Scott-Bikes bekannte SAG-Indikator zum Einsatz. So lässt sich trotz verborgenem Dämpfer problemlos der Negativfederweg von Außen ablesen. Eine zusätzliche Öffnung ermöglicht die Erreichbarkeit des oberen Dämpferauges, erleichtert den Ausbau und wird durch eine Gummi-Abdeckung versiegelt. Kompatibel ist das Bike sowohl mit Dämpfern von Rockshox, als auch von Fox. Stahlfederdämpfer sind nicht vorgesehen. Bremsleitungen und Züge laufen durch den Steuersatz-Bereich ins Rahmeninnere. An den Topmodellen werden einteilige Carbon-Cockpits von Syncros verbaut.
Scott bietet das Patron der 900er Reihe und die Modelle aus dem ST-Lineup jeweils in drei Ausstattungsvarianten an. Sowohl kabelgebundene Schaltungen von Shimano als auch Funk-Antriebe von Sram sind im Angebot. Während die Topmodelle mit Magura-Bremsen verzögern, kommen alle anderen Varianten mit Stoppern von Shimano. Auch bei den Reifen besteht Auswahl zwischen Schwalbe und Maxxis. Standesgemäß haben alle Ausstattungsvarianten Dropper-Posts mit an Bord. Selbst in den teuersten Ausstattungsvarianten verzichten die Produktmanager auf Teile, die sie am E-Enduro nicht sehen, wie Carbon-Laufräder oder Schaltungen oberhalb der Sram GX Eagle AXS Transmission Baureihe. Scott bietet das neue Patron in vier Rahmengrößen von S bis XL an.
Dass das neue Scott Patron auf den neuen Bosch Performance Line CX setzt, ist eine gute Sache. Kraftvoll und ausdauernd schiebt der Motor über jeden Berg. Dank großem 800er Akku sind Reichweiten-Sorgen schnell vergessen. Die Sitzposition fällt mit langem aber nicht extremen Reach sportlich aus ohne zu überfordern. Bergauf, wie bergab liefern die Schwalbe Reifen im neuartigen Radial-Aufbau mächtig ab. Grip und Traktion sind auf höchstem Niveau und setzen keine Limits bei der Linienwahl. Klotzen statt Kleckern: Dank Super-Gravity-Modell sind am Patron ST Enduro keine Platten zu befürchten. Anders bei den Bikes der 900er-Serie. Hier sorgten dünnwandige Maxxis Forekaster Reifen bei unseren Testfahrten im felsigen Südfrankreich für den ein oder anderen Luftverlust. Zurück zum Patron 900 ST Tuned: Der Hinterbau arbeitet in allen Fahrsituationen kontrolliert und die Fahrwerkskomponenten aus der Fox Factory Reihe sind über jeden Zweifel erhaben. In dem Gelände, für welches das Enduro konzipiert ist, könnten wir getrost auf das Tracloc-System verzichten.
“Kopf abschalten und drüber ballern” - so kann die Devise mit den hohen Sicherheitsreserven des Scott Patron ST und dem bärenstarken Bosch CX lauten. Satt und sicher liegt das Bike mit seinem tiefen Schwerpunkt auf dem Kurs. Highspeed-Abfahrten können es nicht schrecken. Im Vollgas-Modus wird auch bergauf fast jede Strecke zum Flowtrail. Hindernisse schluckt das Bike gierig weg und lässt schnell Uphill-Flow aufkommen. Wer auf flacheren Trails aktive Fahrmanöver, wie Manuals und Bunnyhops ausführen will, muss aufgrund des stattlichen Gewichtes und der 454 Millimeter langen Kettenstreben ordentlich am Lenker reißen.
Verspieltes “Newschool Jibbing” ist nicht der bevorzugte Fahrstil des Scott Patron ST. Dafür kann man auf dem E-Bike auch schon ohne ausgewiesenes Fahrtechnik-Zertifikat Freude haben. Eine niedrige Überstandshöhe zahlt auf die Bewegungsfreiheit in Steilabfahrten ein. Mit einem kürzeren Sitzrohr ließe sich aus dem Geometrie-Konzept sogar noch mehr herausholen. Boschs ABS Pro ist an so einem großkalibrigen Bike eine Ergänzung mit Mehrwert. Wer von einem klassischen Mountainbike ohne Elektronik kommt, wird zwar fasziniert sein aber auch etwas Eingewöhnungszeit mitbringen müssen. Schön: Das neue Scott Patron ist angenehm leise.
Das neue Scott Patron E-Ride ist eine krasse Maschine. In Sachen Systemintegration gehen die Schweizer einen Schritt weiter als die Konkurrenz und schnüren ein sehr durchdachtes Full-Power-Paket. Im ersten Test kann das Patron ST mit spaßigen Fahreigenschaften punkten, die gut mit dem neuen Bosch-System harmonieren.
Bei so viel High-End-Technologie ist die Distanz zum klassischen Mountainbike schon ziemlich groß. Liebhaber konservativ-reduzierter Produkte kann das zusammen mit dem properen Gewicht abschrecken. Wer weiß, was er will, kann beim edlen Scott Patron ST Tuned 2025 aber einen Volltreffer landen. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur