Rotwild R.G 375 Pro DauertestVollgas & Verschleiß – Rotwild-E-Bike im folgenschweren Dauereinsatz

Christian Schleker (54) radelt mittlerweile seit 40 Jahren aktiv. Ursprünglich BMXer, ist er heute ein überzeugter Freerider. Bergab Vollgas, große Sprünge, volles Risiko. Und mit wenig Unterstützung bergauf, so oft es geht. Sein Fahrstil fordert viel Tribut von Mensch und Material. Auch das Rotwild R.G 375 Pro musste bei ihm viel einstecken.
Foto: Adrian Kaether
Technisch werden E-Bikes immer besser. Trotzdem sind sie nur so gut wie die Summe ihrer Teile. So schrumpfte der Umfang des geplanten 90.000-Höhenmeter-Dauertests nach Problemen mit dem Rotwild R.G 375 Pro deutlich. EMTB-Autor Christian Schleker zieht Bilanz.

Das Rotwild R.G 375 Pro ist eine Besonderheit am Markt. Ein vollwertiger 180-Millimeter-Freerider mit kleiner, schnell wechselbarer Batterie und starkem Gewicht. Dazu ein Shimano EP8 für volle Power auf Wunsch. Mit einem Wechsel-Akku kommt man auf solide Reichweiten, hat bergab aber ein natürliches Fahrgefühl durch das relativ geringe Gewicht. Die Fahrleistungen sind top! Geringe Laufradstabilität und zu dünne Bereifung sind die Hauptkritikpunkte.

Rotwild R.G 375 Pro // Shimano EP8 // 375 Wh // 180 mm // 29 Zoll // 20,6 kg // 9499 EuroFoto: Adrian KaetherRotwild R.G 375 Pro // Shimano EP8 // 375 Wh // 180 mm // 29 Zoll // 20,6 kg // 9499 Euro

Die Fakten zum Rotwild R.G 375 Pro

  • Motor: Shimano EP8, 85 Nm max. Drehmoment
  • Akku: 375 Wh (entnehmbar, 1,96 Kilo)
  • Rahmenmaterial: Carbon
  • Federweg: 180 Millimeter
  • Laufradgröße: 29 Zoll
  • Rahmengrößen: M, L, XL
  • Preis: 9499 Euro >> hier erhältlich
  • Gewicht: 20,66 kg (Testbike in Größe M, EMTB-Messung)
  • Zulässiges Gesamtgewicht: 130 Kilogramm (Herstellerangabe)
Die Wechselakkufunktion ist ein geniales Feature am Rotwild, das es so an keinem anderen Light-E-Bike gibt. Blitzschnell gewechselt, leicht und optisch total aufgeräumt. Besser geht es nicht. So war das Bike perfekt für lange Tage im Bikepark, ohne Liftnutzung.Foto: Adrian KaetherDie Wechselakkufunktion ist ein geniales Feature am Rotwild, das es so an keinem anderen Light-E-Bike gibt. Blitzschnell gewechselt, leicht und optisch total aufgeräumt. Besser geht es nicht. So war das Bike perfekt für lange Tage im Bikepark, ohne Liftnutzung.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Der E-Bike-Antrieb

Rotwild geht mit seiner 375er-Serie einen besonderen Weg im Bereich der Light-E-Bikes. Durch den kleinen 375er-Akku mit Carbon-Hülle wird das Bike leicht, trotzdem stehen mit Shimanos EP8 volle 85 Newtonmeter zur Verfügung. Die Idee dahinter: Für die kurze Feierabendrunde gibt´s auf Wunsch Turbo-Schub, mit gedrosselter Power aber genug Ausdauer für längere Touren. Dafür belegt Rotwild eines der beiden Steps-Profile ab Werk mit einem angepassten Motor-Setup mit weniger Power. Dank dem super schnellen Akku-Wechsel und der leichten Batterie (unter zwei Kilo) kann die Kapazität leicht aufgedoppelt werden. Egal, ob der zweite Akku im Rucksack oder am Parkplatz im Trailcenter wartet. Achtung: Die 375er-Serie kommt mit EP8, nicht dem neuen und stärkeren EP801. Hier im Test gibt´s die Unterschiede der beiden Generationen Shimano EP8 und EP801.

Geringes Gewicht und volle Power dank Shimano EP8-Motor.
Foto: Adrian Kaether

Die Ausstattung des Rotwild R.G375 Pro

Mit dicken Federelementen von Fox ist das R.G375 voll auf rassige Abfahrten getrimmt. Dazu passt auch die griffige Bremsanlage von Magura mit großer 220er-Scheibe an der Front. Unterdimensioniert sind allerdings die Leichtbau-Reifen. Das Profil von Schwalbes Magic Mary und Big Betty ist zwar top, doch speziell die dünne Superground-Karkasse am Vorderrad hat an einem Bike mit derartigem Abfahrtsfokus nichts zu suchen. Im ernsten Gelände sind Platten vorprogrammiert.

  • Gabel / Dämpfer: Fox 38 / Float X2 Performance Elite
  • Schaltung: Shimano XT, 12-fach
  • Bremsen: Magura MT5 HC, 220/203 mm
  • Laufräder: Crankbrothers Synthesis Enduro
  • Reifen: Schwalbe Magic Mary Super Ground Soft, 29 x 2,4” / Big Betty Super Trail Soft, 29 x 2,4”
  • Besonderheiten: Leichter 375er-Akku mit Schnellentnahme
Das Rotwild liegt satt und sicher. Mit dem Wechselakku ist es (m)ein perfektes Parkbike. Reifen und Laufradsatz sind für den Einsatz unterdimensioniert. - Christian Schleker
Christian Schleker (54) radelt mittlerweile seit 40 Jahren aktiv. Ursprünglich BMXer, ist er heute ein überzeugter Freerider. Bergab Vollgas, große Sprünge, volles Risiko. Und mit wenig Unterstützung bergauf, so oft es geht. Sein Fahrstil fordert viel Tribut von Mensch und Material. Auch das Rotwild R.G 375 Pro musste bei ihm viel einstecken.Foto: Adrian KaetherChristian Schleker (54) radelt mittlerweile seit 40 Jahren aktiv. Ursprünglich BMXer, ist er heute ein überzeugter Freerider. Bergab Vollgas, große Sprünge, volles Risiko. Und mit wenig Unterstützung bergauf, so oft es geht. Sein Fahrstil fordert viel Tribut von Mensch und Material. Auch das Rotwild R.G 375 Pro musste bei ihm viel einstecken.

Der Dauertest: 90.000 Höhenmeter im Zeitraffer?

Es ist echt nicht zu glauben, worum man sich bei E-Bikes so alles Gedanken machen muss. Dass es wichtig ist, wie das Kabel des Motorsensors verlegt ist, war nie in meinem Aufmerksamkeitsfokus. Leider. Sonst wäre mir vielleicht gleich zu Beginn aufgefallen, dass beim Rotwild die dünne Leitung am Horstlink (Drehpunkt beim Ausfallende) ordentlich Biegebelastung erfährt, wenn es zu straff verlegt wird. Ein kleines Detail, das enorme Auswirkungen haben kann. Und bei mir hatte. W101 ist der Fehlercode der erscheint, wenn Kabelbruch entsteht und der Sensor keine Daten mehr funkt. Weiß ich jetzt auch. Hat mir aber auf halber Strecke im Anstieg wenig geholfen, das zu ergoogeln.

Achtung auf zu straff sitzende Kabel zum Speedsensor. Bei Biegebelastung am Horstlink droht Kabelbruch. Ein Effekt, den wir auch schon bei anderen Bikes mit Shimano-Antrieb folgenschwer erlebt haben, denn das Kabel ist sehr dünn.Foto: Georg GrieshaberAchtung auf zu straff sitzende Kabel zum Speedsensor. Bei Biegebelastung am Horstlink droht Kabelbruch. Ein Effekt, den wir auch schon bei anderen Bikes mit Shimano-Antrieb folgenschwer erlebt haben, denn das Kabel ist sehr dünn.

Und was ich jetzt auch weiß: Ersatzsensoren haben selbst gut sortierte Shimano-Händler in Italien nicht unbedingt passend zur Hand. Ergebnis: Bike-Ferientrip beendet an Tag 1. Um es frei nach Asterix zu sagen: Grmblfix! Immerhin kostet ein Ersatzsensor nur knapp 20 Euro. So ein Teil gehört für mich in Zukunft genauso in den Bikerucksack wie Kabelbinder und das Ersatz-Kabel für die Schaltung.

Ein Ersatzlaufrad passt da dummerweise nicht rein, wäre bei meinem Dauertest aber leider nötig gewesen. Denn eines Tages überraschte mich mein Bike mit einem lauten Knackgeräusch vom Heck und anschließendem Freilauf in beide Richtungen. Die Hinterradnabe des Crankbrothers Laufradsatzes zeigte einen Riss einmal quer über den Nabenkörper. Nabe geplatzt.

Nabenkörper geplatzt! Ein Deffekt, der so definitiv nicht zum Alltag von Vielfahrern gehört.Foto: Georg GrieshaberNabenkörper geplatzt! Ein Deffekt, der so definitiv nicht zum Alltag von Vielfahrern gehört.

Jetzt könnte ich mich schuldig fühlen, weil ich im Turbomodus beim Brötchenholen Kavalierstarts an der Ampel trainiert und dabei die Nabe über die Maßen gequält habe. Habe ich aber nicht! Ich fahre bewusst sparsam und entspannt bergauf. Ecomodus, runder Tritt. Mein Ziel ist es, möglichst oft den Gipfel meines Hausberges zu erreichen, um möglichst viele heftige Abfahrten zu erleben.

Dafür erschien mir das Rotwild mit seinem kleinen Wechsel-Akku ideal: Die 375 Wattstunden reichen mir für zwei Auffahrten à 600 Höhenmeter, runter ist das solide Super-Enduro enorm stabil und laufruhig, ohne wie ein 25-Kilo-E-Bike beim Anbremsen übers Vorderrad zu schieben. Das Handling ist natürlicher, der Fahrspaß für mich viel höher. Ist der Akku alle, geht’s kurz zum Auto, neuen Akku rein und noch mal zwei Runden.

Fahrspaß dank Top-Handling und gutem Gewicht bergab - mit eingebautem Shuttle. Diesen Zweck erfüllt das Rotwild R.G 375 für Tester Christian Schleker ziemlich ideal.Foto: Adrian KaetherFahrspaß dank Top-Handling und gutem Gewicht bergab - mit eingebautem Shuttle. Diesen Zweck erfüllt das Rotwild R.G 375 für Tester Christian Schleker ziemlich ideal.

Eigentlich ideal. Es sei denn, der goldene Knopf zur Akku-Entnahme fällt einfach unbemerkt aus dem Rahmen. Ist mir passiert (Vorserienproblem, sagt der Hersteller). Fehlt der Knopf, kann man noch genau einmal draufdrücken, dann ist der Mechanismus blockiert, und ein Wiedereinsetzen scheitert. Toll.

Der Schnellverschluss zur einfachen Akku-Entnahme ist genial - solange er funktioniert. Im Dauertest verabschiedete sich der goldene Knopf ohne Vorwarnung. Laut Hersteller Rotwild ein Vorserienproblem.Foto: Christian SchlekerDer Schnellverschluss zur einfachen Akku-Entnahme ist genial - solange er funktioniert. Im Dauertest verabschiedete sich der goldene Knopf ohne Vorwarnung. Laut Hersteller Rotwild ein Vorserienproblem.

Als dann noch kurz vor Ende des Dauertests der Kunststoffkörper des Magurabremshebels in einer Abfahrt (ohne Sturz) an der Verschraubung brach, war mein Nervenkostüm ziemlich überstrapaziert. Dieser Text hier war bereits getippt, als beim Action-Shooting in Südtirol zu guter Letzt noch das Innenleben des Fox-Dämpfers den Dienst quittierte. Echt jetzt? Also noch mal ran an den Schreibtisch. Fünf kapitale Schäden, die das Dauertestziel von 90.000 Höhenmetern schließlich gedrittelt haben.

Die Schadensbilanz in der Bildergalerie

Kracks: Kurz vor  Testende verlor plötzlich der  rechte Bremshebel  seine Haltung.  Ohne Fremdeinwirkung war der Kunststoffkorpus  der Magura MT5 gebrochen. Wieder hieß es: Warten  aufs Ersatzteil.
Foto: Georg Grieshaber

Fazit von Christian Schleker, EMTB-Redakteur

Eine Saison problemlos E-Biken ist gar nicht so leicht. Mit seinen diversen Defekten wurde das Rotwild R.G 375 für mich zu einer echten Hassliebe. Das Konzept ist genial, und so viel Abfahrtsstärke gepaart mit Leichtgewicht und Wechsel-Akku sind noch immer einzigartig am Markt. Genau mein Ding! Wenn nur der Fehlerteufel nicht wäre.

Stärken

  • Geniales Konzept: Volle Power, geringes Gewicht
  • Extrem fahrstarkes Bike
  • Unerreicht schneller Akku-Wechsel

Schwächen

  • Zu viele Defekte im Testzeitraum
  • Shimano-Motor klappert bergab
Christian Schleker, Redakteur EMTB MagazinFoto: Georg GrieshaberChristian Schleker, Redakteur EMTB Magazin

Meistgelesen in der Rubrik Fahrräder