Das Rotwild R.G 375 Pro ist eine Besonderheit am Markt. Ein vollwertiger 180-Millimeter-Freerider mit kleiner, schnell wechselbarer Batterie und starkem Gewicht. Dazu ein Shimano EP8 für volle Power auf Wunsch. Mit einem Wechsel-Akku kommt man auf solide Reichweiten, hat bergab aber ein natürliches Fahrgefühl durch das relativ geringe Gewicht. Die Fahrleistungen sind top! Geringe Laufradstabilität und zu dünne Bereifung sind die Hauptkritikpunkte.
Rotwild geht mit seiner 375er-Serie einen besonderen Weg im Bereich der Light-E-Bikes. Durch den kleinen 375er-Akku mit Carbon-Hülle wird das Bike leicht, trotzdem stehen mit Shimanos EP8 volle 85 Newtonmeter zur Verfügung. Die Idee dahinter: Für die kurze Feierabendrunde gibt´s auf Wunsch Turbo-Schub, mit gedrosselter Power aber genug Ausdauer für längere Touren. Dafür belegt Rotwild eines der beiden Steps-Profile ab Werk mit einem angepassten Motor-Setup mit weniger Power. Dank dem super schnellen Akku-Wechsel und der leichten Batterie (unter zwei Kilo) kann die Kapazität leicht aufgedoppelt werden. Egal, ob der zweite Akku im Rucksack oder am Parkplatz im Trailcenter wartet. Achtung: Die 375er-Serie kommt mit EP8, nicht dem neuen und stärkeren EP801. Hier im Test gibt´s die Unterschiede der beiden Generationen Shimano EP8 und EP801.
Mit dicken Federelementen von Fox ist das R.G375 voll auf rassige Abfahrten getrimmt. Dazu passt auch die griffige Bremsanlage von Magura mit großer 220er-Scheibe an der Front. Unterdimensioniert sind allerdings die Leichtbau-Reifen. Das Profil von Schwalbes Magic Mary und Big Betty ist zwar top, doch speziell die dünne Superground-Karkasse am Vorderrad hat an einem Bike mit derartigem Abfahrtsfokus nichts zu suchen. Im ernsten Gelände sind Platten vorprogrammiert.
Das Rotwild liegt satt und sicher. Mit dem Wechselakku ist es (m)ein perfektes Parkbike. Reifen und Laufradsatz sind für den Einsatz unterdimensioniert. - Christian Schleker
Es ist echt nicht zu glauben, worum man sich bei E-Bikes so alles Gedanken machen muss. Dass es wichtig ist, wie das Kabel des Motorsensors verlegt ist, war nie in meinem Aufmerksamkeitsfokus. Leider. Sonst wäre mir vielleicht gleich zu Beginn aufgefallen, dass beim Rotwild die dünne Leitung am Horstlink (Drehpunkt beim Ausfallende) ordentlich Biegebelastung erfährt, wenn es zu straff verlegt wird. Ein kleines Detail, das enorme Auswirkungen haben kann. Und bei mir hatte. W101 ist der Fehlercode der erscheint, wenn Kabelbruch entsteht und der Sensor keine Daten mehr funkt. Weiß ich jetzt auch. Hat mir aber auf halber Strecke im Anstieg wenig geholfen, das zu ergoogeln.
Und was ich jetzt auch weiß: Ersatzsensoren haben selbst gut sortierte Shimano-Händler in Italien nicht unbedingt passend zur Hand. Ergebnis: Bike-Ferientrip beendet an Tag 1. Um es frei nach Asterix zu sagen: Grmblfix! Immerhin kostet ein Ersatzsensor nur knapp 20 Euro. So ein Teil gehört für mich in Zukunft genauso in den Bikerucksack wie Kabelbinder und das Ersatz-Kabel für die Schaltung.
Ein Ersatzlaufrad passt da dummerweise nicht rein, wäre bei meinem Dauertest aber leider nötig gewesen. Denn eines Tages überraschte mich mein Bike mit einem lauten Knackgeräusch vom Heck und anschließendem Freilauf in beide Richtungen. Die Hinterradnabe des Crankbrothers Laufradsatzes zeigte einen Riss einmal quer über den Nabenkörper. Nabe geplatzt.
Jetzt könnte ich mich schuldig fühlen, weil ich im Turbomodus beim Brötchenholen Kavalierstarts an der Ampel trainiert und dabei die Nabe über die Maßen gequält habe. Habe ich aber nicht! Ich fahre bewusst sparsam und entspannt bergauf. Ecomodus, runder Tritt. Mein Ziel ist es, möglichst oft den Gipfel meines Hausberges zu erreichen, um möglichst viele heftige Abfahrten zu erleben.
Dafür erschien mir das Rotwild mit seinem kleinen Wechsel-Akku ideal: Die 375 Wattstunden reichen mir für zwei Auffahrten à 600 Höhenmeter, runter ist das solide Super-Enduro enorm stabil und laufruhig, ohne wie ein 25-Kilo-E-Bike beim Anbremsen übers Vorderrad zu schieben. Das Handling ist natürlicher, der Fahrspaß für mich viel höher. Ist der Akku alle, geht’s kurz zum Auto, neuen Akku rein und noch mal zwei Runden.
Eigentlich ideal. Es sei denn, der goldene Knopf zur Akku-Entnahme fällt einfach unbemerkt aus dem Rahmen. Ist mir passiert (Vorserienproblem, sagt der Hersteller). Fehlt der Knopf, kann man noch genau einmal draufdrücken, dann ist der Mechanismus blockiert, und ein Wiedereinsetzen scheitert. Toll.
Als dann noch kurz vor Ende des Dauertests der Kunststoffkörper des Magurabremshebels in einer Abfahrt (ohne Sturz) an der Verschraubung brach, war mein Nervenkostüm ziemlich überstrapaziert. Dieser Text hier war bereits getippt, als beim Action-Shooting in Südtirol zu guter Letzt noch das Innenleben des Fox-Dämpfers den Dienst quittierte. Echt jetzt? Also noch mal ran an den Schreibtisch. Fünf kapitale Schäden, die das Dauertestziel von 90.000 Höhenmetern schließlich gedrittelt haben.
Eine Saison problemlos E-Biken ist gar nicht so leicht. Mit seinen diversen Defekten wurde das Rotwild R.G 375 für mich zu einer echten Hassliebe. Das Konzept ist genial, und so viel Abfahrtsstärke gepaart mit Leichtgewicht und Wechsel-Akku sind noch immer einzigartig am Markt. Genau mein Ding! Wenn nur der Fehlerteufel nicht wäre.