Rotwild R.EXC Pro im TestDas (fast) perfekte E-Enduro?

Adrian Kaether

 · 31.08.2024

Mit geringem Gewicht und klassischer Akku-Entnahme punktet das Rotwild schon im Stand, Geo und Hinterbau-Konzept lassen eine starke Performance erahnen. Ob das Rotwild auf dem Trail halten kann, was es verspricht?
Foto: Skyshot GmbH / Markus Greber
Mit dem Worldcup-Racer R.EXC will Rotwild den perfekten Kompromiss geschaffen haben. Für ein Full-Power E-Bike superleicht, dazu ein spannendes Hinterbaukonzept - fahrstark und handlich zugleich. Wir checken, ob der Edel-Racer im Gelände hält, was er verspricht.

Dass Rotwild an einem neuen E-Bike arbeitet, war lange eine offenes Geheimnis. Auf Social Media zeigten die Dieburger immer wieder den Prototyp mit der auffälligen Schwinge. Jetzt ist das R.EXC auch offiziell vorgestellt. Die Idee hinter dem explizit für den Worldcup und das Rotwild Schwalbe Gravity Team entwickelten Bike: Leicht und vielseitig soll es sein und maximal schnell auf den Rennstrecken des E-Enduro-Worldcups.

Dafür setzen die Ingenieure auf einen Hinterbau mit erhöhtem Drehpunkt (Mid-High-Pivot). Wie bei einem High-Pivot soll das Hinterrad dadurch bei groben Schlägen leicht nach hinten ausweichen können. Allerdings kommt das Rotwild noch ohne die zusätzliche Umlenkrolle aus klassischer High-Pivot-Bikes wie Norco, Kavenz oder Deviate. Der Federweg liegt bei 160 Millimetern und kann auf 150 oder 145 Millimeter reduziert werden. Auch die Länge der eher kurzen Kettenstrebe ist per Flipchip anpassbar. Typisch Rotwild: Der Akku lässt sich einfach auf Knopfdruck entnehmen, die 820er-Batterie mit Carbon-Außenhülle fällt außergewöhnlich leicht aus. Auch das Gesamtgewicht von 22,9 Kilo ist beachtlich. Rotwild lässt sich die Technik allerdings auch entsprechend bezahlen, das Pro-Modell im Test ist für 9999 Euro ist bereits die günstigste Ausstattungs-Variante.

Rotwild R.EXC Pro: Shimano EP801 // 820 Wh // 170/160 mm // 29/27,5 Zoll (Mullet) // 22,9 kg // 9999 Euro.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberRotwild R.EXC Pro: Shimano EP801 // 820 Wh // 170/160 mm // 29/27,5 Zoll (Mullet) // 22,9 kg // 9999 Euro.

Die Fakten zum Rotwild R.EXC Pro

  • Motor: Shimano EP801, 85 Nm max. Drehmoment
  • Akku: 820 Wh (entnehmbar)
  • Rahmenmaterial: Carbon
  • Federweg: 170 / 160 mm
  • Laufradgröße: 29 / 27,5 Zoll (Mullet)
  • Rahmengrößen: S, M, L, XL
  • Preis: 9999 Euro
  • Gewicht: 22,9 kg (Testbike in Größe L, EMTB-Messung)
  • Zulässiges Gesamtgewicht: 130 kg (Herstellerangabe)

Shimano EP801 mit Race-Software

Shimanos neuer EP801 E-Bike-Motor sorgt im Rotwild für Vortrieb. Der japanische Motor glänzt vor allem mit seiner Kombination aus viel Motorleistung auf Augenhöhe mit Boschs CX und seinen kompakten Abmessungen. Lange kritisierten wir in Tests allerdings die nur mittelmäßige Dynamik des Antriebs. Der Shimano schiebt immer sehr gleichförmig und lässt vor Schlüsselstellen bergauf kaum echte Beschleunigung zu.

Der Shimano EP801 Motor hat ein starkes Leistungs-Gewicht, dank Race-Update fuhr er sich in unserem Testbike auch etwas spritziger, als wir das sonst gewohnt sind.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDer Shimano EP801 Motor hat ein starkes Leistungs-Gewicht, dank Race-Update fuhr er sich in unserem Testbike auch etwas spritziger, als wir das sonst gewohnt sind.

Das Rotwild ist nun das erste E-Bike, das schon mit Shimanos neuer Race-Software bei uns in die Redaktion rollte. Und tatsächlich bringt das Update eine spritzigere Charakteristik mit, die uns in Uphill-Trails deutlich besser gefallen hat als das Standard-Setup. Ein kleiner Nachlauf hilft außerdem über Stufen bergauf. Bald soll all das auch in Shimanos App einstellbar sein.

Der große Akku im Rotwild ist dank Carbon-Außenhülle mit 3,65 Kilo extrem leicht und lässt sich praktisch entnehmen. Er wird einfach per Knopfdruck entsichert und seitlich aus dem Unterrohr geklappt. Das ist die beste Lösung am Markt. Shimanos EM800-Farbdisplay und die dazu passende, unauffällige Remote machen das E-Bike komplett.

Knopf drücken, Akku zur Seite rausklappen. Besser geht's nicht.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberKnopf drücken, Akku zur Seite rausklappen. Besser geht's nicht.

Die Geometrie des Rotwild R.EXC Pro: Kurze Kettenstreben, flacher Lenkwinkel

Das Rotwild zeigt moderne Enduro-Maße. Der Lenkwinkel fällt sehr flach, das Tretlager tief aus. Das begünstigt die Fahreigenschaften in schnellen Downhills. Die Kettenstreben sind kurz, können aber per Flip-Chip für mehr Laufruhe und weniger Vorderrad-Steigen um fünf Millimeter verlängert werden. Allerdings: Das prädestinierte Kletter-Ass ist das Rotwild auch dann nicht. Das Race-Enduro scheint eher auf Bestwerte beim Handling bergab abzuzielen.

EMTB-Messwerte im Überblick (Rahmengröße L)

  • Sitzrohrlänge: 468 mm
  • Radstand: 1275 mm
  • Reach: 478 mm
  • Stack: 640 mm
  • Lenkwinkel: 78 Grad
  • Sitzwinkel: 63,5 Grad
  • Kettenstrebenlänge: 442 - 447 mm
Über die zusätzlichen Bohrungen kann der Federweg von 160 auf 150 und 145 Millimeter verkürzt werden. Das soll mehr Performance im Uphill bringen.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberÜber die zusätzlichen Bohrungen kann der Federweg von 160 auf 150 und 145 Millimeter verkürzt werden. Das soll mehr Performance im Uphill bringen.

Die Ausstattung des Rotwild E-Enduros

Der Einstiegspreis für das E-Enduro von Rotwild ist hoch. Auch weil die Dieburger selbst in der günstigsten Ausstattungsvariante zu Top-Komponenten greifen. Highlight ist die Fox 38 Grip X2 Gabel, denn sie kommt zwar ohne das funktional unerhebliche Kashima-Coating, aber - wesentlich entscheidender - mit der Top-Dämpfungskartusche der Factory Modelle. Geschaltet und gebremst wird mit Shimano XT, das Bike rollt auf Alu-Laufrädern von Crankbrothers mit Schwalbes Race-Reifen Tacky Chan. Vorne gibt’s sogar die Ultrasoft-Version für maximalen Kurvengrip, die Supertrail-Karkasse könnte echten Enduro-Piloten am Heck aber zu dünnwandig sein.

  • Gabel / Dämpfer: Fox 38 Grip X2 / Fox Float X2 Perf.
  • Schaltung: Shimano XT (12-fach)
  • Bremsen: Shimano XT 203/203 mm
  • Laufräder: Crankbrothers Synthesis Enduro 35
  • Reifen: Schwalbe Tacky Chan Ultrasoft Supertrail, 29 x 2,4'' / Tacky Chan Soft Supertrail, 27,5 x 2,4''
  • Besonderheiten: Akku leicht entnehmbar, Federweg anpassbar auf 150 und 145 Millimeter
Mit der Grip X2 Dämpfung ist die Fox 38 Gabel bereits auf Factory-Niveau.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberMit der Grip X2 Dämpfung ist die Fox 38 Gabel bereits auf Factory-Niveau.

Auf dem Trail: So fährt sich das Rotwild R.EXC Pro

Klar ist: Als entspannter Tourer ist Rotwilds erklärter Enduro-Racer R.EXC nicht konzipiert. Der Sitzwinkel ist steil, der niedrige Stack führt zu einer tiefen Front und ordentlich Druck auf den Handgelenken. Aber auch wer einen laufruhigen und Uphill-starken Langholzlaster erwartet, wird vom Rotwild R.EXC überrascht. Kurze Kettenstreben lassen bergauf recht früh das Vorderrad steigen, für fiese Worldcup-Uphills ist das nicht ideal.

Anspruchsvolle Uphills sind nicht die zentrale Stärke des Rotwild. Traktion und Handling sind zwar top, das Vorderrad steigt jedoch früh. Ungewöhnlich für ein Race-Enduro.Foto: Max FuchsAnspruchsvolle Uphills sind nicht die zentrale Stärke des Rotwild. Traktion und Handling sind zwar top, das Vorderrad steigt jedoch früh. Ungewöhnlich für ein Race-Enduro.

Allerdings bringt der gut abgestimmte Hinterbau auch im Standard-Setting schon eine starke Traktion in anspruchsvollen Anstiegen, mit der tiefen Front lässt sich das Rotwild bei aktiver Fahrweise bergauf sehr gut kontrollieren. Über die zusätzlichen Bohrungen in der Wippe kann man den Federweg zugunsten der Uphill-Performance von 160 auf 150 und 145 Millimeter reduzieren. Das geht auch auf dem Trail, per Multitool. Von der kürzeren Kettenstrebeneinstellung würden wir aber abraten, wenn öfter steile Kletterpassagen anstehen. Der Umbau ist etwas aufwändiger, mit kurzem Heck dürfte das Vorderrad-Steigen noch deutlicher ausfallen. Gut gefallen hat uns die etwas dynamischere Motor-Abstimmung im Rotwild R.EXC Pro, die mit Nachlauf und progressiverer Unterstützung deutlich mehr in die Richtung von Boschs E-MTB-Modus tendiert. Klassische Shimano-Settings stehen bei Rotwild aber natürlich ebenfalls zur Wahl.

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Die Kettenstreben lassen sich auch noch kürzer einstellen. Da die Uphill-Performance leidet und das Bike so schon sehr handlich ist, raten wir eher davon ab.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDie Kettenstreben lassen sich auch noch kürzer einstellen. Da die Uphill-Performance leidet und das Bike so schon sehr handlich ist, raten wir eher davon ab.

Nach der Pflicht bergauf wechselt das Rotwild bergab eindeutig zur Kür. Schon auf flowigen Trails begeistert das R.EXC mit hohem Spaßfaktor und fährt sich spritziger als manches Trailbike. Daran haben neben dem geringen Gewicht auch die kurzen Kettenstreben und die tiefe Front einen entscheidenden Anteil. Gerade in der Kurve gibt sich das Rotwild sehr traktionsstark und feuert auch aus engen Ecken mit Schwung auf die nächste Gerade. Wird das Gelände steiler und ruppiger, kann Rotwilds Enduro seine Qualitäten noch mehr ausspielen. Der flache Lenkwinkel giert nach Highspeed, der Hinterbau mit erhöhtem Drehpunkt glättet auch anspruchsvolle Wurzelpassagen und Steinfelder effektiv und kann der starken Fox 38 GripX2 in der Front mindestens Paroli bieten. Das Rotwild will dabei aktiv gefahren werden, belohnt aber mit tollen Nehmerqualitäten und viel Geschwindigkeit in allen Lebenslagen. Für Abfahrtsfans in Summe eines der besten E-Bikes am Markt, nur das Klappern der Kette und natürlich des Shimano-Motors wollen nicht so richtig ins Bild passen.

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Lizenz zum Knattern: Mit Highspeed bergab mag das Rotwild am liebsten. Toll, wie handlich das Vollgas Enduro dabei noch bleibt.Foto: Max FuchsLizenz zum Knattern: Mit Highspeed bergab mag das Rotwild am liebsten. Toll, wie handlich das Vollgas Enduro dabei noch bleibt.

EMTB-Bewertung des Rotwild R.EXC Pro

Stärken

  • Herausragende Fahreigenschaften in Trail und Downhill
  • geringes Gesamtgewicht, leichter Akku
  • Praktische Akku-Entnahme, gute Reichweite

Schwächen

  • hoher Einstiegspreis
  • Klappern bergab
Mit herausragenden Abfahrts-Eigenschaften und gelungenem Trail-Handling sammelt das Rotwild in der Enduro-Wertung massig Punkte. Auch die Reichweite des Rotwild R.EXC fällt üppig aus.Foto: EMTB TestabteilungMit herausragenden Abfahrts-Eigenschaften und gelungenem Trail-Handling sammelt das Rotwild in der Enduro-Wertung massig Punkte. Auch die Reichweite des Rotwild R.EXC fällt üppig aus.

Das EMTB-Fazit

Das Rotwild R.EXC animiert im Downhill zur harten Gangart und kann richtig einstecken, bleibt aber auch auf flacheren Trails verspielter und spritziger als manches Trailbike. Und das bei top Gewicht und massig Reichweite. Ein großer Wurf. Chapeau!
Für Testredakteur Adrian Kaether ist das Rotwild R.EXC eines der besten E-Enduros am Markt.Foto: Georg GrieshaberFür Testredakteur Adrian Kaether ist das Rotwild R.EXC eines der besten E-Enduros am Markt.

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