Jan Timmermann
· 05.02.2025
Noch nie vom Raymon Tarok gehört? Auch, wenn sich das Unternehmen erst 2024 in Rekordzeit neu formierte, stecken hinter Raymon doch einige sehr erfahrene Köpfe der E-MTB-Szene. So muss es nicht überraschen, dass das allererste Serien-Bike mit dem neuen ZF-Motor von den Schweinfurtern kommt. 600 Watt Spitzenleistung und maximal 90 Newtonmeter Drehmoment verspricht das ZF-Aggregat. Angesichts der kleinen, kreisrunden Baugröße und des leichten Motorengewichts von nur 2,53 Kilo sind das beeindruckende Werte und wir waren sehr gespannt auf den ausführlichen Test des neuen Raymon. Die Modelle des Enduro-Flaggschiffs Tarok starten ab 5899 Euro mit Carbon-Rahmen. Der abschließbare Akku im Unterrohr lässt sich klassisch herausklappen oder zur Gewichtsersparnis durch eine kleinere 504-Wh-Version ersetzen. Apropos: Obwohl der Energiespeicher recht bullig baut, ist Raymon eine optisch cleane Integration gelungen. Doch steckt im Raymon Tarok mit ZF CentriX mehr als eine anziehende Optik? Wir haben es im Labor- und Praxistest herausgefunden. Den ausführlichen Test des neuen ZF CentriX Motors findet Ihr hier.
Gleich im ersten Uphill des Tests kann das Raymon Tarok ordentlich Punkte sammeln. Durch den steilen Sitzwinkel und den kurzen Vorbau platziert das Raymon seinen Piloten modernaufrecht im Sattel. Ein flacher Lenker sorgt für zusätzliche Last auf dem Vorderrad. So zieht das Bike mit schön viel Druck auf der Front über steile Rampen. Wer sich einmal an den monotonen aber kräftigen Schub des lauten Motors gewöhnt hat, findet im Tarok einen sehr fähigen Kletterer. Trotz Full-Power-Konzept passt in Engstellen auch die Agilität. Die leichten Carbon-Laufräder lassen sich gut auf Schwung bringen und präzise platzieren. So fühlt sich das Bike noch leichter an, als es tatsächlich ist.
Die 23,2 Kilo Lebendgewicht des Raymon Tarok Ultra sind in Anbetracht der schweren Batterie und dicken, robusten Ausstattung schon absolut top. Passend dazu bietet der Hinterbau einen definiert-stabilen Gegenhalt und eine solide-unauffällige Traktion. Der sichere Stand im Bike macht Lust auf technische Herausforderungen. Bei erfahrenen Piloten kommt direkt Rennfieber mit Bekenntnis zur Ideallinie auf.
Auch im Downhill fackelt das Raymon Tarok nicht lange und stellt seinen sportlichen, unkomplizierten Charakter offen zur Schau. Die Geometrie trifft ein gelungenes Mittelmaß aus Wendigkeit und Laufruhe. Ohne Extreme erzeugt sie eine ausgewogene Fahrposition und animiert zu allerlei Trail-Spielereien. Problemlos geht das Raymon an Kickern in die Luft und lässt sich für ein ausgewachsenes E-Enduro geschickt durch Wellen surfen.
Auch der souveräne Gegenhalt im Fahrwerk unterstützt den Spieltrieb des Raymon Tarok. Dank starker Federgabel, kraftvollen Bremsen und griffigen Reifen macht das Bike auf dem Trail eine sehr gute Figur. Mit gemäßigtem Reach und Lenkwinkel liegt die passive Fahrsicherheit trotzdem etwas unter der vieler Endurobike-Kollegen. Auch der Hinterbaukomfort ist in dieser Federwegsklasse eher unter Durchschnitt.
Wird es sehr steil, hätten wir uns vom Raymon Tarok Ultra eine etwas höhere Front gewünscht. Dadurch fährt sich das Bike in rauem Geläuf tendenziell etwas anstrengend. So richtig blüht das Bike in fähigen Händen auf, denn das straffe Fahrwerk und die reaktive Geo belohnen eine aktive Fahrweise mit Speed und Fahrspaß. Versierte Trail-Biker werden das Tarok mögen.
BIKE-Messwerte: Akkugewicht, gegebenenfalls inkl. Cover. Laufradgewicht pro Satz mit Reifen, Kassette, Bremsscheiben.
Geschickt bringt das Raymon Up- und Downhill-Qualitäten in Einklang. Verhältnismäßig leichtfüßig und ausgewogen besitzt es weniger die Allüren eines extremen Enduros und mehr die sportliche Mentalität eines edlen All Mountains. Handling und Fahrwerk bergen Spaßpotential, wollen mit entsprechender Fahrtechnik aber auch ausgereizt werden. Komfort ist nicht die Stärke des Tarok. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur