Adrian Kaether
· 12.10.2023
Mit dem Ekano AL nahm Propain kürzlich Freerider und Parkratten ins Visier. Nun kommt mit dem CF-Modell Propains erstes E-Bike aus Carbon. Wegen des exklusiven Rahmenmaterials und Srams Eagle Powertrain eine klare High-End-Option, die mit unkompliziertem Handling aber eine breite Zielgruppe ansprechen soll. Im Gegensatz zum Freerider Ekano AL soll das Propain Ekano CF mit leicht veränderter Geometrie und Kinematik etwas breiter aufgestellt sein. Außerdem schiebt hier statt Shimanos EP801 der neue Komplett-Antrieb Eagle Powertrain von Sram.
Als einer von nur vier Herstellern war Propain als Launchpartner direkt in die Vorstellung von Srams E-Bike Komplettantrieb Eagle Powertrain involviert. Das Propain Ekano CF gab es deswegen auch schon in unserer ausführlichen Vorstellung des neuen Antriebssystems vorab zu sehen. Das neue am Sram-Antrieb: Mit dem System aus Motor, Akku, Display und Schaltung wird Sram zum Systemanbieter und kann durch die Vernetzung der einzelnen Komponenten neue Features anbieten. Unter anderem die Auto-Shift genannte Schalt-Automatik und das Schalten ohne Kurbelumdrehung im Rollen, genannt Coast-Shift. Aus unserer Sicht ist vor allem letzteres für Mountainbiker ein wirklich spannendes Feature.
Der E-Antrieb selbst basiert auf Broses bekanntem Drive S Mag (90 Nm) und hauseigenen Sram-Akkus und Displays. Im Propain kommt der mit 3,1 Kilogramm recht leichte 630-Wattstunden-Akku zum Einsatz, der sich zur Entnahme schlicht und benutzerfreundlich aus dem Unterrohr klappen lässt. Wer mehr Reichweite will, kann den optionalen Range Extender (250 Wh / 599 Euro) oder einen zweiten Akku einsetzen.
Der Eagle Powertrain wird über Srams Pod-Controller bedient. Eine sehr cleane und ergonomisch gelungene Lösung, die aber wegen weniger Knöpfe einige Kompromisse voraussetzt: Es gibt nur zwei U-Stufen, die natürlich per App feingetuned werden können, das Display zeigt nur wenig Infos, die sich nicht auf die Benutzerwünsche anpassen lassen. Für den vollen Funktionsumfang ist Eagle Powertrain außerdem auf die Rockshox Reverb AXS-Stütze angewiesen. Mehr dazu unten bei den Modellen.
Um den Motor hat Propain ein Chassis aus Carbon designed. Das Ekano CF ist damit Propains erstes E-MTB aus Carbon. Das treibt im Vergleich zum Alu-Modell natürlich den Preis, spart aber laut Propain rund ein Kilogramm ein. Im Rahmen stecken Marken-Lager von Acros, die durch Propains Dirtshield genannte Zusatzdichtungen besonders lange halten sollen. Damit nichts klappert, schiebt Propain Schaumstoff über die innen geführten Züge und setzt auf einen umfangreich gedämpften Kettenstrebenschutz. Die Zugführung durch den Steuersatz sorgt für eine cleane Optik.
Anders als das Alu-Modell (ausschließlich Mullet) gibt’s das Ekano CF auch mit 29-Zoll-Hinterrad. Per Flipchip kann das Bike auf die unterschiedlichen Laufradgrößen angepasst werden. Der von 200 auf 220 Millimeter Bremsscheiben verstellbare Postmount-Adapter, der Unterfahrschutz oder die volle Bikepark-Freigabe nach ASTM Kategorie 5 setzen schöne Akzente.
Im Rahmen werkelt ein stehender Dämpfer mit Luft- oder Stahlfeder. Wie das AL kommt das Ekano CF mit Propains Pro 10 Hinterbau, der für das CF nochmal leicht angepasst wurde. Etwas mehr Progression gegen Ende des Federwegs und ein leicht erhöhter Anti-Squat sollen die Federung beim Carbon-Bike etwas antriebsneutraler machen und Fahren mit mehr Negativ-Federweg ermöglichen. Der Hinterbau des Alu-Bikes ist hingegen etwas plüschiger und linearer ausgelegt.
Das Ekano CF ist ein E-Enduro mit dickem Federweg, die Geometrie fällt dennoch nicht zu extrem aus. Vielleicht auch eins der Geheimnisse von Propains neuem E-Bike, doch dazu mehr im Fahrbericht. Der Reach ist mit 475 Millimetern in Größe L modern, doch nicht extrem. Der Lenkwinkel ist mit 64 Grad state-of-the-art, der Sitzwinkel fällt mit 78 Grad sehr steil aus. Das tiefe Tretlager (-24,5 Millimeter) soll dem Bike eine gute Kurvenlage sichern. Beim AL-Modell waren die Kettenstreben mit 445 Millimetern recht kurz für ein Full-Power-E-MTB, das CF fällt hier mit 453 Millimetern etwas länger aus. Gerade in Kombination mit dem größeren Hinterrad bringt das dem Ekano CF bessere Klettereigenschaften und mehr Laufruhe, macht das Bike aber auch etwas weniger verspielt.
Wie bei Propain üblich, kann man sich das Bike recht frei mit Komponenten nach eigener Wahl zusammenstellen. Bei den Fahrwerken bietet Propain Fox und Rockshox an, Antriebe kommen von Sram, Laufräder von Crankbrothers oder Newmen, Bremsen von Sram, Magura oder Formula. Hier muss man sich auch für 29 Zoll oder Mullet und eine der drei Farben entscheiden. Zur Auswahl steht ein einfacher Klarlack überm Carbon, ein Dunkelblau mit leichtem Grünstich (deep forest) und ein Gelborange mit mattem Finish (mighty mango).
Propain bietet außerdem drei vorkonfigurierte Modellausstattungen an. Das Base-Modell kommt für 7794 Euro mit Rockshox’ Zeb Gabel, Deluxe Coil Select-Dämpfer, Newmen Performance Laufrädern, DB8-Bremsen und Srams GX Transmission. Für 9999 Euro gibt’s das Modell Ultimate mit Rockshox’ Zeb Ultimate, dem neuen Vivid-Ultimate Luftdämpfer, Code RSC-Bremsen und Newmen Evo Laufrädern. Das Topmodell Factory setzt auf die 38 Factory Grip2 von Fox sowie den Float DHX2 Coil SLS Dämpfer, Carbon-Laufräder von Crankbrothers, MT7-Bremsen von Magura und Srams Topschaltung XX Transmission. Damit haben alle drei Modelle die automatischen Schaltfunktionen des Eagle Powertrain an Bord.
Achtung: Nur das Modell Ultimate kommt serienmäßig mit der Reverb AXS Sattelstütze von Rockshox. Im Base-Modell steckt eine Bikeyoke Divine, im Factory eine Fox Transfer Factory. Beide Stützen werden sinnvollerweise per mechanischem Daumenhebel bedient. Damit fehlt Srams Eagle Powertrain der linke Pod, mit dem man vom Lenker aus die Unterstützungsstufe umschaltet und die Schiebehilfe aktiviert. Das Umschalten der U-Stufe funktioniert dann nur noch mit einem Griff zum Oberrohr-Display, die Schiebehilfe entfällt ohne den linken Pod gleich ganz.
Mit einem Testbike für Srams neuen Eagle Powertrain und bei einem Launch des Ekano CF im Allgäu konnten wir schon einige Erfahrungen mit Propains neuem Enduro-Bike sammeln. Wegen des steilen Sitzwinkels sitzt man im Flachen sehr vorderradorientiert. Sobald mehr Steigung im Spiel ist, ist das Propain aber sehr komfortabel und angenehm. Die hohe Front führt zu wenig Last auf den Handgelenken, das satte Fahrwerk bügelt Unebenheiten locker glatt. Der Brose-Motor des Sram-Antriebs gefällt mit guter Modulation und angenehmem Betriebsgeräusch, die wenigen Infos von Srams Oberrohr-Display und lediglich zwei Unterstützungsstufen werden aber nicht jedem gefallen. Zumal im Werkssetup auch der untere Unterstützungsmodus “Range” schon kräftig schiebt. Gut für sportliche Uphills, Akkusparen sieht aber anders aus.
Im Uphill macht das Propain mit dem kräftigen Brose-Motor und dem steilen Sitzwinkel eine gute Figur. Der Hinterbau steht hoch im Hub und reagiert trotzdem sensibel, die Front steigt trotz hohem Stack und moderaten Kettenstreben erst recht spät, gerade beim 29-Zoll-Bike. Dadurch sind mit dem federwegsstarken E-Enduro auch sportliche Uphills möglich, ein echter Kletterspezialist á la Giant, Pole oder Simplon ist es aber nicht.
180 Millimeter vorne, 170 Millimeter hinten, da ist klar: Das Propain Ekano CF wurde für Vollgas bergab gebaut. Umso erstaunlicher ist es, wie gut sich Propains Downhill-E-MTB auch in gemäßigterem Terrain schlägt. Selbst auf flachen und zahmen Trails wirkt das Ekano CF wendig und leichtfüßig und fühlt sich nicht nach einem schwerfälligen Enduro-Schlachtschiff an. Das ist ungewöhnlich gelungen für ein E-Bike dieser Federwegsklasse.
Das ändert natürlich nichts daran, dass das Ekano CF noch mehr Spaß macht, wenn das Gelände wilder wird. Hier punktet das Bike dank viel Federweg, tiefem Tretlager und hoher Front mit enormem Sicherheitsgefühl. Der tolle Hinterbau schluckt auch grobe Passagen, verpatzte Landungen und hohe Drops ganz locker weg. Eben so, wie man sich das von einem gelungenen Park-Bike mit fettem Hub wünschen würde. Das Fahrwerk arbeitet dabei ausgewogen zwischen definiert und staubsaugerig, die Balance des Bikes überzeugt. So kann man es sowohl auf steilen Highspeed-Passagen mächtig stehen lassen, als auch noch gut um enge Kurven steuern. Und Luft unter den Reifen mag das Ekano besonders gerne. Die eher kompakte Geometrie in Kombination mit dem hohen Sicherheitsgefühl macht das Bike außerdem anfängertauglich, auch die Geräuschkulisse gefällt. Weder Motor noch Akku klappern bergab, selbst die Züge und die Kette hat Propain beim Ekano gut im Griff. Bleibt nur noch die Frage: CF oder doch lieber AL?
Mit dem neuen Ekano ist Propain ein richtig großer Wurf gelungen. Kaum ein Bike am Markt verbindet so viel Federweg und dermaßen brachiale Nehmerqualitäten so gut mit einem verspielten und auch noch anfängertauglichen Handling. Fast schon frech! Die edle CF-Variante überzeugt dabei mit konkurrenzfähigem Gewicht, dem neuen Sram-Antrieb, einem definierten Fahrwerk und viel Laufruhe. Für alle die mit 630 Wattstunden und zwei U-Stufen auskommen ein echtes Top-Bike.
Übrigens: Das Ekano AL konnten wir ebenfalls bereits testen. Mit noch plüschigerem Fahrwerk und verspielterem Handling zeigt es noch mehr Freeride-Gene. Stay tuned!