Florentin Vesenbeckh
· 03.10.2024
Bei unserer Leserwahl im Sommer diesen Jahres konnte sich das Orbea Wild im Rennen um das beliebteste E-MTB in der Kategorie Enduro durchsetzen. Die Gründe? Vermutlich die gelungen Kombination aus Bosch-Motor, starken Abfahrtseigenschaften und geringem Gewicht. Wie wollen die Spanier ihr beliebtes Bike also noch besser machen? Keine Sorge. Die Orbea-Ingenieure haben sich Einiges einfallen lassen. Wenn auch die Neuauflage eher eine seichte Evolution denn krasse Revolution des Erfolgsmodells ist.
Noch mehr als der Vorgänger, soll das neue Orbea Wild auf heftiges Gelände ausgelegt sein und sportlich versierten Bikern ein präzises Tool für schwere Trails bieten. Dafür gab´s Updates bei Federweg, Kinematik, Geometrie und dem Akkukonzept. Das neue Modell wird es ausschließlich mit 170er-Federgabel geben und auch am Heck stehen jedem Piloten des neuen Orbea Wild 170 Millimeter zur Verfügung. Der Vorgänger (hier im Test) hatte 160 Millimeter am Heck und konnte wahlweise mit 160er- oder 170er-Forke geordert werden. Um auch der gemäßigteren Zielgruppe noch gerecht zu werden, gibt es im Zuge der Neuauflage eine neue Short-Travel-Variante, das Wild ST Hydro mit Alu-Rahmen. Dazu weiter unten mehr. Wir bleiben aber erstmal beim hubstarken Enduro-Modell.
Bei Orbea ist man sich sicher: Ein großes 29er-Hinterrad ist schneller, traktionsstärker und sicherer. Drum gab es das Wild bisher nur als Full-29er. Von ihrer Meinung weichen die Spanier auch bei der Neuauflage nicht ab. Doch mit dem neuen Orbea Wild bekommen Kunden Wahlfreiheit. Optional kommt das Wild jetzt mit einer anderen Umlenkwippe, die das Chassis fit für ein Mullet-Setup, also ein kleines 27,5er-Hinterrad machen soll. Geometrie und Federungskinematik sollen davon komplett unberührt bleiben. Die Mullet-Option kann schon beim Kauf im MyO-Konfigurator gezogen werden. Die “Mullet-Wippe” ist allerdings nicht mit den älteren Wild-Rahmen kompatibel.
Der eigentliche Grund für den Relaunch des Orbea Wild ist die Neuauflage des Bosch Performance Line CX Motors. Minimal leichter, leiser und vor allem klapperfrei ist das neue Schwaben-Aggregat. Außerdem gibt es neue, leichtere Akku-Optionen. Diese Benefits wollte sich Orbea natürlich nicht entgehen lassen.
Bereits beim 23er-Wild gab es die Wahl zwischen zwei Akku-Größen: 625 oder 750 Wattstunden. Beim neuen Modell kann man aus den Optionen 600 Wh und 750 Wh wählen. Also: Entweder den neuen, sehr leichten Powertube 600 (3,08 kg, gut 500 g leichter als PT 625). Oder den alten Powertube 750 (4,35 kg, satte 1250 g schwerer als PT 600!).
Der neue Powertube 800 bietet theoretisch ein noch besseres Verhältnis aus Gewicht und Energie (800 Wh bei 3,95 kg) und fällt damit sogar leichter aus, als der alte PT 750 - passt aber nicht ins Unterrohr des neuen Wild. Denn er fällt deutlich dicker aus. Das hätte den Entwicklern zu viele Kompromisse bei der Rahmenkonstruktion abverlangt, heißt es aus Spanien.
Bestehen bleibt das Konzept der festen Integration. Es gibt keine Möglichkeiten, die Batterie zum Laden, Tauschen oder Lagern unkompliziert aus dem Bike zu holen. Für mehr Reichweite kann der optionale Power More 250 aufs Unterrohr gesetzt werden. Wie beim Vorgänger ist dafür eine Adapterplatte nötig, denn die Schrauben für den Trinkflaschenhalter sind maximal tief angebracht, um den Schwerpunkt niedrig zu halten.
Mehr Federweg für das Wild! An Front und Heck werkeln standardmäßig 170 Millimeter Federweg. Zudem wurde der Hinterbau etwas progressiver ausgelegt, das soll am Anfang des Hubs mehr Sensibilität bringen. Doch auch hier sind die Veränderungen zum Vorgänger eher minimalistisch. Antisquat und Antirise sollen kaum verändert worden sein. Im Heck werkelt an allen Modellen ein Fox X2- oder ein Fox Float X-Dämpfer - das soll über alle Modelle hinweg eine möglichst ideale und gleichbleibende Federungsperformance bringen. An der Front kommen dazu 38er-Gabeln.
Bei der Geometrie gab es kaum Anpassungen zum Vorgänger. Doch beim 23er-Modell musste Orbea noch leichte Kompromisse eingehen, da der Rahmen mit 170er- und 160er-Gabeln verkauft wurde. Das neue Chassis ist jetzt konsequent auf die 170er-Forke ausgelegt. So konnte das Tretlager nochmal abgesenkt werden und auch der Sitzwinkel fällt im Vergleich zum Vorgänger mit 170er-Gabel etwas steiler aus. Reach, Radstand, Kettenstrebenlänge und Lenkwinkel sind hingegen identisch mit den Maßen des Vorgängers.
Das neue Wild wird es weiter in den vier Größen S bis XL geben. Die Maße sind sportlich modern, driften aber nicht ins Extreme ab. Insbesondere der Reach bleibt vergleichsweise moderat. Bei 505 Millimetern ist in Größe XL Schluss. Große Fahrer, die lange Reachwerte bevorzugen könnten eine XXL-Größe vermissen. Die Kettenstreben bleiben über alle Rahmengrößen hinweg konstant bei 448 Millimetern.
Ein Update gab es für das Sitzrohr. Orbea konnte die Einstecktiefe für Teleskopstützen erhöhen, ohne das Sitzrohr zu verlängern. So passt jetzt in Bikes mit Größe L eine 240er-Fox-Stütze, die komplett versenkbar bleibt. Die Spanier nennen das “Steep’n Deep”. Auch beim neuen Light-E-MTB Orbea Rise gibt´s diesen massigen Verstellweg. In Größe S soll der Rahmen bereits 200er-Stützen voll aufnehmen. Den passenden Hub kann man bei jeder Größe im Konfigurator auf der Homepage auswählen.
Wie gewohnt bietet Orbea auch hochwertige Alu-Rahmen an. Besonders die elegant verschliffenen Schweißnähte sind ein Hingucker. Das ist auch beim neuen Wild der Fall. An der Wage schlagen die Alu-Rahmen aber deutlich zu buche. Satte 1,5 Kilo soll der Alu-Rahmen schwerer sein als das Carbon-Chassis. Für den Carbon-Rahmen ruft Orbea ca. 1000 Euro mehr auf. Das Gewicht des Carbon-Rahmens liegt laut Orbea bei 2,6 Kilo. Das ist richtig wenig für ein Chassis eines Full-Power-Enduros. Der Rahmen des unmotorisierten Enduros Rallon soll 2,7 Kilo wiegen.
Um mit dem Wild nicht nur aggressive Enduro-Fahrer und Gravity-Cracks anzusprechen, hat Orbea dem Wild eine gediegene ST-Variante zur Seite gestellt. Mit 150 Millimetern Federweg und einer gemäßigteren Geometrie soll das Bike bei gemütlicher Fahrweise leicht zu kontrollieren bleiben. Den Einsatzbereich sieht Orbea von Tour bis Trail, nicht im Enduro- oder Bikepark-Gelände. Das Akku- und Motorkonzept ist identisch und auch viele andere Features erbt das Wild ST vom extremeren Bruder. Den ST-Rahmen gibt es nur aus Aluminium. (Ja, auch das “dicke” Wild gibt es in Alu!) Wie von Orbea gewohnt sind die Schweißnähte schick verschliffen. Vom Wild ST gibt es zwei Ausstattungsvarianten für 5299 und 5999 Euro.
Die Geometrie verändert sich beim ST-Modell nicht allzu drastisch. Der Lenkwinkel wird ein Grad steiler, bleibt mit 64,5 Grad aber auf der modernen Seite. Der Reach fällt sogar länger aus als bei der Variante mit mehr Hub und die Kettenstrebenlänge liegt ebenfalls über alle Rahmengrößen bei 448 Millimetern.
Ein Testbike vom neuen Orbea Wild M-LTD haben wir bereits in der Redaktion. An der Waage landet das teure Topmodell in Größe L mit 600er-Akku bei 21,7 Kilo. Im 29er-Setup, mit dicker Fox 38 GripX2, X2-Dämpfer, robusten Doubledown/Exo+ Reifen - aber auch etlichen Carbon-Parts. In diese (leichten) Sphären kommen Bikes mit Bosch CX nur extrem selten. Ähnliche Werte bei ähnlichem Gewicht und Konzept erreicht zum Beispiel das brandneue Santa Cruz Vala. Ein ausführlicher Test vom Orbea Wild 2025 folgt in Kürze -sobald wir das Bike ausgiebig über die Trails scheuchen konnten.
Das neue Wild gibt es in zwei Ausstattungsvarianten mit Alu-Rahmen (Wild H) und in vier Varianten mit Carbon-Rahmen (Wild M). Preislich geht´s bei 6499 in Alu und 7499 Euro in Carbon los. Dazu kommen die beiden Varianten des Wild ST H ab 5299 Euro. Alle Modelle lassen sich über den Konfigurator (MyO) auf der Homepage in bestimmten Details individualisieren. Auch die Rahmenfarbe und die Decals können selbst gewählt werden. Bei allen Carbon-Modellen sogar ohne Aufpreis!