Orbea Wild M-LTD im TestDas Überflieger-E-Bike?

Florentin Vesenbeckh

 · 13.11.2024

Das neue Orbea Wild will als konsequentes E-Enduro überzeugen.
Foto: Max Fuchs
Neuer Bosch-Motor, mehr Federweg und noch mal leichter. Orbea hat seinem motorisierten Erfolgs-Enduro Wild eine Kur verpasst. Ist das ein neues Level? Oder wird der Allrounder zum abgehobenen Extremfall?

„Beliebtestes E-Enduro des Jahres.“ Diesen Titel konnte sich das Orbea Wild bei unserer Leserwahl im Sommer 24 sichern. Und nach nicht einmal zwei Jahren am Markt wollen die Spanier mit einem Update ihr Erfolgsmodell nochmal besser machen. Warum diese Eile? Klar: Der neue Bosch-Antrieb ist da. Auch wenn das Schwaben-Aggregat in der fünften Ausbaustufe keine neue Benchmark in Sachen Leistung oder Gewicht setzt, bringt der neue CX doch einige Updates mit sich, auf die Orbea nicht verzichten will. Dazu später mehr.

Kann das Orbea Wild auf dem Trail seine vollmundigen Versprechen halten? Wir haben es ausführlich getestet!Foto: Max FuchsKann das Orbea Wild auf dem Trail seine vollmundigen Versprechen halten? Wir haben es ausführlich getestet!

Fernab vom E-Antrieb ist das neue Wild eher eine seichte Evolution, denn krasse Revolution. 170 Millimeter Federweg vorne und hinten sind jetzt gesetzt. Der Vorgänger hatte 160 am Heck und wahlweise 160 oder 170 an der Gabel. Geometrie und Kinematik wurden nur dezent angefasst. Wie bei Orbea üblich, kann die Ausstattung über den Online-Konfigurator individuell angepasst werden. Unter den Optionen sind neben den Komponenten auch die beiden Akku-Größen 600 oder 750 Wattstunden, und – 2025 neu – ein kleines 27,5er-Laufrad fürs Heck.

Orbea Wild M-LTD // Bosch Perf. CX // 600 Wh // 170/170 mm // 29 Zoll // 21,66 kg // 11.999 EuroFoto: Max FuchsOrbea Wild M-LTD // Bosch Perf. CX // 600 Wh // 170/170 mm // 29 Zoll // 21,66 kg // 11.999 Euro

Für unseren Test stellte uns Orbea das sündhaft teure Topmodell M-LTD für 11.999 Euro ins Testlabor. An der Waage kann der Highend-Flitzer glänzen: 21,66 Kilo mit dicken Federelementen und robuster Ausstattung. Einen solchen Wert hatten wir bei einem starken Bosch-Bike dieser Federwegsklasse noch nie gemessen. Ein ähnlich ausgestattetes Wild der vorherigen Generation mit Powertube 625 brachte über 800 Gramm mehr auf die Waage. Die neue 600er-Batterie bringt also eine erfolgreiche Diät.

Neu ist die Option auf ein kleines 27,5er-Hinterrad. Dafür gibt’s eine andere Umlenkwippe (im Bild die 29er-Variante unseres Testbikes), damit die Geometrie identisch bleibt.Foto: Max FuchsNeu ist die Option auf ein kleines 27,5er-Hinterrad. Dafür gibt’s eine andere Umlenkwippe (im Bild die 29er-Variante unseres Testbikes), damit die Geometrie identisch bleibt.

Erfreulich: Die Reichweite bleibt dennoch auf gutem Niveau. 1630 Höhenmeter erkletterten wir in unserem standardisierten Reichweitentest. Das ist, typisch Bosch CX, deutlich mehr als ein durchschnittlicher Wert für einen 600er-Akku. Doch was kann der Neuling im Gelände? Genau das haben wir in diesem Test herausgefunden.

Die Fakten zum Orbea Wild M-LTD

  • Motor: Bosch Performance Line CX Gen5, 85 Nm max. Drehmoment
  • Akku: 600 Wh (fest verbaut)
  • Rahmenmaterial: Carbon
  • Federweg: 170 / 170 mm
  • Laufradgröße: 29 Zoll (optional 29/27,5 möglich)
  • Rahmengrößen: S, M, L, XL
  • Preis: 11 999 Euro
  • Gewicht: 21,7 kg (Testbike in Größe L, EMTB-Messung)
  • Garantie: lebenslang

Günstigere Modelle des Orbea Wild

Mit Carbon-Chassis gibt’s das Wild M ab 7499 Euro. Günstiger kommt das Wild H mit Alu-Rahmen (1,5 Kilo Mehrgewicht!) ab 6499 Euro. Wie gewohnt sind die Schweißnähte am Alu-Rahmen schick verschliffen. Ganz neu und günstiger: das Wild ST für gemäßigte Einsätze aus Aluminium und mit reduziertem Federweg von 150 Millimetern. Das Bike für Touren und gemäßigte Trails gibt´s in zwei Ausstattungsvarianten für 5299 und 5999 Euro. Mehr Infos zur gesamten Palette des Orbea Wild gibt es in unserer ausführlichen Vorstellung.

Die Züge laufen neben dem superkurzen Vorbau durch den Steuersatz ins Innere des Rahmens. Das gibt Punktabzug bei der Servicefreundlichkeit.Foto: Max FuchsDie Züge laufen neben dem superkurzen Vorbau durch den Steuersatz ins Innere des Rahmens. Das gibt Punktabzug bei der Servicefreundlichkeit.Nervig: Das Rädchen für die Highspeed-Zugstufe am X2-Dämpfer ist ohne Werkzeug nicht zu erreichen.Foto: Max FuchsNervig: Das Rädchen für die Highspeed-Zugstufe am X2-Dämpfer ist ohne Werkzeug nicht zu erreichen.

Der E-Bike-Antrieb

Grund für die frühe Neuauflage des noch jungen Orbea Wild ist der neue Bosch Performance Line CX. Was kann der Neue besser? Allen voran die Geräuschkulisse. Denn ein eingebautes Klappern, wie es der Vorgänger und auch die großen Konkurrenten von Shimano und Yamaha haben, hat der neue Motor endlich abgelegt. Auch bergauf schiebt er etwas leiser und obendrein noch kultivierter. Außerdem ist der neue CX minimal leichter.

Der Bosch Performance Line CX im neuen Orbea Wild. Leiser, leichter, geschmeidiger.Foto: Max FuchsDer Bosch Performance Line CX im neuen Orbea Wild. Leiser, leichter, geschmeidiger.

Nächster Punkt auf der Diätenliste: Der neue 600er-Akku. Wie beim Vorgänger ist er fest im Unterrohr verbaut. Und im Vergleich zum alten 625er-Akku spart er noch mal gut 500 Gramm ein. Wer maximale Reichweite will, muss allerdings auch beim neuen Wild zum alten und schweren Powertube 750 greifen, der optional auch ins Unterrohr passt. Das bringt satte 1250 Gramm extra und bedeutet einen Aufpreis von 249 Euro.

Nicht im Programm ist der neue und deutlich leichtere Powertube 800 (400g leichter als PT 750). Denn der fällt dick aus, was die Ingenieure nach eigener Aussage zu sehr in der Konstruktion des Rahmens eingeschränkt hätte. On top passt auch der Range Extender Bosch Powermore 250 ans Bike.

Im Oberrohr steckt der Systemcontroller von Bosch. Wie bei den meisten neuen Bikes sitzt die LED-Anzeige auf einer Adapterplatte. Hier ist wohl ein neues, größeres Bosch-Display im Anmarsch.Foto: Max FuchsIm Oberrohr steckt der Systemcontroller von Bosch. Wie bei den meisten neuen Bikes sitzt die LED-Anzeige auf einer Adapterplatte. Hier ist wohl ein neues, größeres Bosch-Display im Anmarsch.

Bei den Bedienelementen setzt Orbea auf die Kombi aus kabelloser Mini-Remote und der LED-Anzeige Systemcontroller im Oberrohr. Im Konfigurator kann für 149 Euro ein Kiox 300 hinzugefügt werden, nicht aber das neue, sportlichere Purion 400, das schlank hinter dem Lenker sitzt.

Die Mini-Remote von Bosch funktioniert kabellos, das ist top. Allerdings könnte das Feedback auf Tastendruck knackiger ausfallen. Durch die sensible Reaktion der Taster kommt es schon mal zu “Ghostshifting”, also zum ungewollten Wechsel der U-Stufe.Foto: Max FuchsDie Mini-Remote von Bosch funktioniert kabellos, das ist top. Allerdings könnte das Feedback auf Tastendruck knackiger ausfallen. Durch die sensible Reaktion der Taster kommt es schon mal zu “Ghostshifting”, also zum ungewollten Wechsel der U-Stufe.

Die Geometrie des Orbea Wild

Die Geometrie des neuen Orbea Wild wurde nur minimal angepasst, bleibt in ihren Grundzügen aber extrem nahe an der des Vorgängers. Die Werte sind passend für ein hubstarkes E-Enduro, aber keinesfalls extrem. Insbesondere der Reach fällt mit 469 mm in Größe L (gemessen im BIKE Testlabor) gemäßigt aus. Die größte Größe XL soll 25 Millimeter länger sein. Große Fahrer, die einen langen Reach bevorzugen, schauen hier in die Röhre. Das Wild gibt´s von S bis XL.

EMTB-Messwerte im Überblick (Rahmengröße L)

  • Sitzrohrlänge: 428 mm
  • Radstand: 1280 mm
  • Reach: 469 mm
  • Stack: 649 mm
  • Lenkwinkel: 63,5 Grad
  • Sitzwinkel: 77 Grad
  • Kettenstrebenlänge: 448 mm
  • Tretlagerhöhe: 342 mm
Die Sram Eagle Transmission Schaltung zieht ihren Strom aus dem Haupt-Akku. Das Führungsröhrchen für das E-Kabel ist lieblos übergestülpt und wackelt wild hin und her. Das könnte man schöner lösen.Foto: Max FuchsDie Sram Eagle Transmission Schaltung zieht ihren Strom aus dem Haupt-Akku. Das Führungsröhrchen für das E-Kabel ist lieblos übergestülpt und wackelt wild hin und her. Das könnte man schöner lösen.

Die Ausstattung des Orbea Wild M-LTD

In Sachen Ausstattung gehen die Spanier von Orbea einen besonderen Weg. Denn viele Parts können bei der Bestellung über den Konfigurator MyO individuell angepasst werden. Die Grundkonfiguration des Topmodells M-LTD für happige 11.999 Euro geht bei den Parts schon ab Werk in die Vollen.

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  • Gabel / Dämpfer: Fox 38 Factory Grip X2 / Float X2 Factory
  • Schaltung: Sram XX Eagle Transmission
  • Bremsen: Shimano XTR, 203/203 mm
  • Laufräder: Oquo MC32 LTD Carbon
  • Reifen: Maxxis Assegai Exo+ Maxxgrip / Minion DHR II DD, 29 x 2,4 Zoll
  • Besonderheiten: Farbe und Teile der Ausstattung frei wählbar
240 Millimeter Hub bietet die Fox-Teleskopstütze, bei voller Versenkbarkeit im L-Rahmen. Das bedeutet maximale Bewegungsfreiheit. Bei Rahmengröße S passen schon 200 mm, das ist stark. Im Konfigurator kann die ideale Länge gewählt werden.Foto: Max Fuchs240 Millimeter Hub bietet die Fox-Teleskopstütze, bei voller Versenkbarkeit im L-Rahmen. Das bedeutet maximale Bewegungsfreiheit. Bei Rahmengröße S passen schon 200 mm, das ist stark. Im Konfigurator kann die ideale Länge gewählt werden.Starke Kombi! Die XTR-Stopper kombiniert Orbea mit dickeren Galfer-Scheiben.Foto: Max FuchsStarke Kombi! Die XTR-Stopper kombiniert Orbea mit dickeren Galfer-Scheiben.Die hauseigenen Oquo-Carbonfelgen drücken das Gewicht und bringen eine spritzige Beschleunigung.Foto: Max FuchsDie hauseigenen Oquo-Carbonfelgen drücken das Gewicht und bringen eine spritzige Beschleunigung.

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Praxistest: So fährt sich das Orbea Wild M-LTD

Eine gute Fahrposition, traktionsstarkes Fahrwerk und spritziger Bosch-Motor machen das Orbea Wild zum starken Kletterer.Foto: Max FuchsEine gute Fahrposition, traktionsstarkes Fahrwerk und spritziger Bosch-Motor machen das Orbea Wild zum starken Kletterer.

Bergauf ist das Orbea Wild ein absolut kompetenter Partner. Die moderne Sitzposition, zentral im Bike dank steilem Sitzwinkel, bringt auch in steilen und technischen Passagen eine gute Kontrolle. Das Fahrwerk arbeitet extrem sensibel und generiert dadurch eine enorme Traktion. So kann man in schwierigen Anstiegen die Grenzen ausloten. Auch die starke Modulation des CX-Motors kann punkten. Nur wer sich passiv steilste Stiche hochschieben lassen will, bekommt Probleme. Dann wird die Front leicht, und die Präzision leidet.

Bergab blüht das Orbea Wild auf. Trotz massig Nehmerqualitäten fährt es sich nicht behäbig.Foto: Max FuchsBergab blüht das Orbea Wild auf. Trotz massig Nehmerqualitäten fährt es sich nicht behäbig.

Im Downhill drückt das fluffige Fahrwerk dem Wild seinen Stempel auf. Das Bike klebt förmlich am Boden und versprüht dadurch massig Komfort und Traktion. Das Heck gibt seinen Federweg recht großzügig frei. Gerade im schwierigen Gelände oder im Nassen gibt das richtig viel Sicherheit. Wer nicht unbedingt in Profi-Manier in harte Trails einbiegt, wird diesen Charakter lieben. Hinzu kommt die integrierte Fahrposition, die zusätzlich das Selbstvertrauen fördert. Das Handling ist sehr intuitiv, so kann man auf garstigen Abfahrten ohne große Eingewöhnung Vollgas geben. Dabei ist das Wild aber kein Extremfall. Wer das letzte Quäntchen Highspeed im Downhill herauskitzeln will, könnte sich sogar etwas mehr Reach (auch Rahmengröße XL ist nicht sehr lang!) und Gegenhalt im Heck wünschen.

Fiese Steinfelder schluckt das Wild mit seinem potenten Fahrwerk gelassen.Foto: Max FuchsFiese Steinfelder schluckt das Wild mit seinem potenten Fahrwerk gelassen.

Die Fahrposition fällt durch den mäßigen Reach und kurzen Vorbau eher kompakt aus. Dafür bleibt das Wild für ein E-Enduro mit viel Hub und starkem Motor auf der handlichen Seite. Hier punkten neben der nicht allzu extremen Geometrie auch das geringe Gesamtgewicht und die leichten Laufräder. So zischt das Wild spaßig und souverän von einer Kurve in die nächste. Auch enge Kehren meistert es verhältnismäßig willig. Ultimativ spritzig kommt der Neuling dabei aber nicht daher. Denn wer auf ein explizit poppiges Fahrwerk mit betont viel Gegenhalt Wert legt, dem könnte die Heckfederung etwas zu fluffig ausfallen. Auch auf flowigen Strecken mit zahmem Untergrund würde ein strafferes Heck noch mehr Spritzigkeit liefern.

EMTB-Bewertung des Orbea Wild M-LTD

Stärken

  • Traktionsstarkes Fahrwerk
  • Super Trail-Handling
  • Leicht und leise
  • Ausstattung und Farbe konfigurierbar

Schwächen

  • Akku fest verbaut
  • Optionaler 750er-Akku ist schwer
  • Teuer
Ausgewogen und ohne große Schwächen: Das Orbea Wild überzeugt als starker Allrounder.Foto: BIKE MagazinAusgewogen und ohne große Schwächen: Das Orbea Wild überzeugt als starker Allrounder.

Das BIKE-Fazit

Die Neuauflage des Orbea Wild ist keine Revolution. Doch das Bike ist in vielen Details noch mal eine Nummer besser geworden. Abfahrtsstark, leicht, wendig und endlich auch schön leise. Für uns gehört der Spanier zu Recht zu den beliebtesten E-Enduros. Zumindest die sauteure Topversion kann voll überzeugen. Wir hoffen, dass sich Orbea mit dem Wild auch in gemäßigteren Preisbereichen in einen BIKE-Vergleichstest wagt. Das war in der Vergangenheit leider kaum der Fall. - Florentin Vesenbeckh, stellv. Chefredakteur BIKE Magazin
Florentin Vesenbeckh, stellv. Chefredakteur BIKE Magazin, mit dem Orbea Wild M-LTDFoto: Max FuchsFlorentin Vesenbeckh, stellv. Chefredakteur BIKE Magazin, mit dem Orbea Wild M-LTD

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