Florentin Vesenbeckh
· 24.02.2024
Die italienische Marke Olympia ist gerade 130 Jahre alt geworden. Interessant: Nach der Gründung 1893 stellten die Italiener nicht nur Fahrräder, sondern auch Motorräder her. Der Weg zum E-Mountainbike war Olympia somit gewissermaßen in die Wiege gelegt. Trotz der langen Historie kann das E-Enduro Hammer getrost als Exot bezeichnet werden. Bikes von Olympia begegnen einem per se nicht gerade täglich auf dem Trail. Obendrein ist auch der E-Antrieb, der im schicken Carbon-Chassis des Hammer steckt, eine echte Besonderheit. Der Edge-Motor von Oli stammt ebenfalls aus Italien und ist uns bisher noch nie im EMTB-Testlabor untergekommen. Grund genug für unsere Leser, die Italo-Kombi aus Hammer und Edge in unseren “Most wanted”-Test zu voten.
Ihr habt gewählt, welche Bikes wir testen sollen: Readers most wanted - die beliebtestem E-MTBs des Jahres! Unter diesem Motto haben wir aus den Vorschlägen unserer Leser die spannendsten E-Mountainbikes herausgesucht. Exotische Spezialisten, absolute Kassenschlager oder günstiges Discounter-Bike? Alle mussten sich dem objektiven EMTB Test in Labor und Praxis stellen. Eure Lieblinge von Alutech, Bulls, Cube, Haibike, Husqvarna, Olympia, Rockrider und Scott. Bereits erschienen sind folgende:
Das Hammer ist ein rassiges Enduro für ernste Geländeeinsätze. Das Carbon-Chassis liefert 170 Millimeter Federweg und kommt mit Mullet-Laufrädern: 29 Zoll vorne, 27,5 am Heck. Auch die Geometrie ist durchaus extrem gezeichnet. Schwierige Abfahrten, Enduro-Tracks und Downhillpisten stehen klar auf der Einsatzliste des Olympia Hammer. Aber zurück zum italienischen Exoten-Antrieb: Das Kraftpaket setzt auf dieselben Anschraubpunkte wie ein Shimano EP8, ist mit 3,2 Kilo aber deutlich schwerer. Dafür liefert er mit 90 Newtonmetern auf dem Papier mächtig Power.
Als wäre das nicht genug der extravaganten Eckpunkte, wartet der Antrieb mit einer riesigen Batterie mit 900 Wattstunden auf. Die Reichweite fällt in unserem standardisierten Testverfahren allerdings nicht so überragend aus, wie wir es von anderen Bikes mit 900er-Batterie kennen. In Anbetracht des dicken Akkus und schweren Motors geht das Gesamtgewicht des Bikes von 25,3 Kilo in Ordnung. Schließlich ist das Hammer ein fahrstarkes Enduro mit dicker ZEB-Forke. Im Gelände konnte uns das Bike mit gutem Fahrwerk und ausgewogenem Handling überzeugen.
Der italienische Oli Edge ist mit 90 Newtonmetern nominell ein echtes Kraftpaket. Sein Gewicht liegt mit 3,2 Kilo aber auch deutlich über der Konkurrenz von Bosch, Shimano, Brose und Yamaha. Die Batterie mit satten 900 Wh (4,8 kg) ist mit Schloss gesichert und lässt sich bequem nach vorne aus dem Unterrohr klappen.
Auf unseren ersten Testfahrten mit dem Oli Edge waren wir vom etwas trägen Ansprechverhalten des Motors wenig angetan. Die Power war zwar spübar, doch in technischen Anstiegen selten auf den Punkt abrufbar. Erst, als wir die ausführlichen und etwas versteckten Optionen zur Feineinstellung genutzt haben, konnten wir dem Oli Edge ein direkteres Ansprechverhalten entlocken. Wirklich wohl fühlt sich der Antrieb aber auch dann eher bei sehr hohen Trittfrequenzen. Das ist ungewöhnlich für einen Antrieb mit so viel Drehmoment. Mit der extrem gelungenen Abstimmung eines Bosch Performance CX kann der Italiener aber nicht ganz mithalten. Außerdem reduzierte der Antrieb bei harter Dauerbelastung nach einer Hitzewarnung zeitweise seine Leistung - früher und deutlicher als wir das von der Konkurrenz à la Bosch, Brose und Shimano kennen.
Länge läuft: Ein erwachsener Reach und ein flacher Lenkwinkel ergeben einen sehr langen Radstand, der für massig Laufruhe spricht. Ebenso modern sind der steile Sitzwinkel und die gemäßigte Hinterbaulänge. Wir bekamen ein Testbike in L/XL, das ist die größte von drei Größen. Im Vergleich zum Durchschnitt anderer Marken entspricht das tatsächlich einer Zwischengröße aus L und XL.
Olympia investiert beim Hammer CC04 voll in ein gutes Fahrwerk. Rockshox Ultimate-Komponenten mit ZEB-Gabel machen sich auf ruppigen Abfahrten bezahlt, somit ist das ein sinnvoller Invest. Auch die Formula-Bremsen funktionieren im Gelände sehr gut, die 2-Millimeter-Scheiben sorgen für Standfestigkeit. Ebenfalls aus Italien stammen die Vittoria-Reifen. Der Grip der Pneus ist gut, doch für die Fahrstärke des Bikes wäre mehr Pannenschutz wünschenswert. Wenig wertig sind die günstigen SX/NX-Schaltkomponenten von Sram und die schweren Mavic-Laufräder.
Starten wir mit den Kernkompetenzen des Hammer: anspruchsvolle Abfahrtstrails. Das Bike liegt richtig satt, der Hinterbau folgt großen und kleinen Unebenheiten sehr souverän. Das beschert dem Heck viel Traktion, trotzdem fehlt es kaum an Rückmeldung. So wünschen wir uns das! Gepaart mit der langen Geometrie gibt das dem Bike enorm viel Sicherheit, auch in schwerem Gelände. Starke Gabel, starke Bremsen, griffige Reifen, da kann man garstige Enduro-Trails so richtig runterbrennen. Zumindest solange, bis der zu schmächtigen Reifenkarkasse die Luft ausgeht. Wer das Bike artgerecht nutzt, sollte ein Reifen-Update wenigstens am Heck fest einplanen. Die Traktion der Mazza-Martello-Kombi von Vittoria konnte uns im Test zwar überzeugen, doch der Pannenschutz ist für ein dermaßen abfahrtsstarkes E-Enduro mit über 25 Kilo zu schwach.
Überraschend: Das Hammer bewahrt, bei all seinen Nehmerqualitäten, ein angenehm lebendiges Handling. Präzise lässt es sich um Kurven zirkeln und fluffig in die Luft ziehen, das macht richtig Laune. Nur bei zu flachen Trails fehlt es dem schweren Bike und den etwas übergewichtigen Laufrädern manchmal an Schwung. In der Ebene fällt die moderne Sitzposition auf, der Fahrer sitzt zentral über dem Tretlager. Bergauf behält man so gut die Kontrolle, der Hinterbau generiert auch hier massig Traktion. An steilen Stichen muss man wegen des kurzen Hecks aber aktiv werden, um das Vorderrad am Boden zu halten.
Um dem Motor ein harmonisches Fahrgefühl zu entlocken, braucht es etwas Erfahrung bei den Feineinstellungen. Dann kann er mit guter Kraft und starkem Ansprechverhalten punkten. Wirklich spritzig wirkt er aber erst bei sehr hohen Trittfrequenzen. Im Standard-Setup hatten wir in technischen Anstiegen Probleme, da der Antrieb seine Kraft nicht auf den Punkt anliefern konnte. Dass man selbst grundlegende Parameter wie den Motor-Nachlauf einstellen kann, verdient aber ein dickes Lob und könnte mancher fiesen Stufe bergauf etwas den Schrecken nehmen.
Der Underdog aus Italien konnte uns mit starken Abfahrtseigenschaften und traktionsstarkem Fahrwerk überzeugen. Ein gelungenes E-Enduro, trotz schwerem Riesen-Akku! Der Oli-Motor ist kräftig und bietet viele Einstelloptionen. - Christian Schleker, Testautor EMTB Magazin