Florentin Vesenbeckh
· 25.04.2025
Das eOne-Sixty von Merida war über Jahre eines der wenigen E-Mountainbikes, das starke Trail-Eigenschaften, ein spaßiges Handling und gutes Gewicht in einem sportlichen Paket vereinte. Und genau hier soll das SL-Modell anknüpfen. Noch leichter, noch sportlicher. Während die letzte Neuauflage des klassischen eOne-Sixty mit Shimano-Motor mit 170 Millimetern inzwischen noch abfahrtslastiger ausfällt, soll das SL-Modell mit geringerem Gewicht und etwas reduziertem Hub mit leichtfüßigerem Handling und noch mehr Fahrspaß überzeugen. Besonders sportliche Piloten sollen davon profitieren. Es ist das erste Light-E-MTB von Merida – und es steckt eine zweite Premiere in diesem Bike. Neben dem ebenfalls brandneuen eOne-Eighty ist es das erste Merida mit Bosch-Motor!
Das Vollcarbon-Chassis des Merida eOne-Sixty SL bietet 160 mm Federweg im Heck und wird mit 160er-Federgabeln bestückt. Dazu gibt´s überrollfreudige 29er-Laufräder. Auch die Geometrie soll für ordentliche Nehmerqualitäten sorgen. So würden wir das Bike irgendwo im Grenzbereich zwischen All Mountain und Enduro eingliedern. Dafür spricht auch die großzügige Freigabe für die ASTM-Kategorie 4 bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 140 Kilo. Das ist für ein Light-E-MTB nicht selbstverständlich.
Dafür liegt das Gewicht des Rahmens mit 2,9 Kilo auch nicht gerade auf Rekordniveau. Gerade in Anbetracht der gewichtsreduzierenden Maßnahmen Flexpivot und fest verbautem Akku ist das für ein hochwertiges Vollcarbon-Chassis eher viel. Am Komplettbike zeigt sich das wie folgt: Das Topmodell landet laut Hersteller bei 19,5 Kilo. Das ist bei Weitem kein Rekord, dafür fällt die Ausstattung recht robust aus. “Enduro-tough”, sagt Merida dazu und verspricht eine besondere Langlebigkeit. Das zeigt sich auch in der lebenslangen Garantie auf den Rahmen.
Nachdem Merida jahrelang E-Bikes in enger Partnerschaft mit Shimano produziert hat, eröffnet das Merida eOne-Sixty eine neue Ära. Denn ab sofort gibt es die E-Bikes aus der schwäbischen Entwicklung auch mit, wie passend (!), Schwaben-Power. Das Light-E-MTB wird von Boschs Performance SX angetrieben. Dieser ist zwar nicht gerade schlank, aber dafür sehr spritzig und kraftvoll. Insbesondere bei hoher Trittfrequenz.
Die Energie stammt aus dem Compact Tube 400. Die Batterie ist fest im Unterrohr verbaut. Das spart Gewicht. Für mehr Reichweite ist das Merida eOne-Sixty SL für die Montage des Range Extenders Power More 250 von Bosch vorbereitet.
Bei den Bedienelementen setzt Merida auf die schlanke und kabellose Mini-Remote. Zusätzlich zur LED-Anzeige Systemcontroller im Oberrohr zeigt das neue Purion 400 die wichtigsten Daten auf einem kompakten, aber sehr gut ablesbaren Screen an. Das neue Display sitzt unauffällig und gut geschützt hinter dem Lenker.
Mit fünf Größen von XS bis XL bietet Merida auch vom SL-Modell eine breite Auswahl an Rahmengrößen an. Die Sitzrohre sind mit 400 bis 465 mm durch die Bank sehr kurz. So soll sich jeder Fahrer das Bike nach der Länge, entsprechend seinen Präferenzen und dem Einsatzbereich, die passende Größe wählen können. So steht S in der Merida-Sprache auch nicht für small, sondern für short. Und L, logisch, für long statt large. Das Konzept ist nicht neu, geht bei der Merida-Geometrie aber sehr gut auf.
Die Reach-Werte landen zwischen 420 und 512 Millimetern. Der Lenkwinkel fällt mit 64 Grad recht flach aus, der Sitzwinkel, typisch Merida, mit 78,5 Grad richtig steil. Drastische Unterschiede zu den früheren eOne-Sixtys: Die Front landet mit einem Stack von 620 mm in Größe L sehr tief und die Kettenstreben sind mit 450 Millimetern eher lang. Wie auch schon beim eOne-Sixty CF verabschiedet sich Merida damit von der früheren Linie mit sehr kurzem Heck und hoher Front. Der Radstand ist mit 1279 mm in Größe L eher üppig und das Bike damit auf Fahrstabilität getrimmt.
Auf den Trails im spanischen Santa Coloma de Farners konnten wir uns schon einen ersten Fahreindruck vom neuen Merida eOne-Sixty SL machen. Dazu stiegen wir auf das Topmodell 10k, das mit 10.999 Euro zu Buche schlägt. Nicht genug für einen ausführlichen Test, doch das abwechslungsreiche Gelände bot schnell viele Eindrücke.
Dank super steilem Sitzwinkel nimmt man komfortabel und eher kompakt auf dem Bike Platz. Steile Anstiege nimmt das Bike sehr gelassen, denn durch die zentrale Position und die recht langen Kettenstreben (450 mm) ist immer massig Druck auf der Front. Das E-Bike folgt Lenkbewegungen dadurch sehr unkompliziert und lässt im Uphill die meisten anderen Light-E-MTBs alt aus sehen, dabei hilft auch der kräftig-spritzige Bosch SX-Motor.
Ultimativ leichtfüßig und agil fährt sich das Bike dafür nicht. Die Geometrie ist auf ein ausgewogenes Handling und Fahrstärke ausgelegt. So kann man auch schwerere Enduro-Tracks mit ordentlich Zug angehen. Das Fahrwerk arbeitet sportlich souverän und hält den Fahrer immer auf dem Laufenden, was unter ihm gerade passiert. Mit einer angenehmen Progression hat es genug Reserven für ruppige Passagen und härtere Einschläge parat. Doch in Summe geizt es nicht mit seinem Hub. An das satte Fahrverhalten eines ausgewachsenen Highend-Enduros kommt das Bike nicht ganz ran.
Für Fahrspaß sorgt der gute Gegenhalt im Fahrwerk und die ausgewogene Geometrie. Insgesamt haben wir das Bike als sehr leise empfunden. Der Bosch SX blieb auf unserer Testfahrt recht ruhig. Auch das Klappern bergab fiel dezent aus. In Summe hinterließ das eOne-Sixty SL einen guten ersten Eindruck. Starke Allround-Eigenschaften und ein ausgewogenes Handling zeichnen den Flitzer eher aus als herausragende Fähigkeiten in einer speziellen Disziplin.
Leichtbau ist selten günstig. Das gilt auch bei Merida. Das Einstiegsmodell des neuen Flitzers kostet 6399 Euro und kommt mit Marzocchi-Fahrwerk. Das Topmodell mit Fox Factory Komponenten landet bei 10.999 Euro. In der goldenen Mitte gibt´s mit dem eOne-Sixty SL 8000 ein Modell für 8499 Euro mit Rockshox-Fahrwerk aus der Reihe Select+.
Der erste Eindruck vom neuen Light-Flitzer ist gelungen. Die Stärke des Merida eOne-Sixty SL liegt dabei eher in seinem ausgewogenen Fahrverhalten und den guten Allround-Qualitäten, denn in herausstechenden Spitzenleistungen oder Rekordwerten. Auf dem Trail zeigt sich das Bike gutmütig und leicht zu steuern. Echte Schwächen sucht man vergeblich. Mit wirklichen Schnäppchenpreisen kann Merida aber nicht aufwarten. - Florentin Vesenbeckh, stellv. Chefredakteur BIKE Magazin