Schon die Fakten machen das neue Merida eOne-Eighty einzigartig. Kein Bike am Markt bietet so eine hohe Gewichtszulassung in Kombination mit einer uneingeschränkten Freigabe für Downhill und Bikepark. Ideal für schwere Stunt-Freaks!
Doch die Konstrukteure des Merida eOne-Eighty haben sich noch mehr einfallen lassen. Superkurze Kettenstreben sollen Handling-Fans den Mund wässrig machen, Lenkwinkel und Radstand meiden die Extreme. Merida fährt damit eine konsequente Linie: Das eOne-Eighty ist schwer, aber stabil und soll handlich, aber abfahrtsstark sein. Ein waschechter Freerider im modernen Gewand.
Im Unterrohr des Merida eOne-Sixty steckt auch schon beim günstigsten Modell 400 in unserem Testbike der neue Top-Motor Bosch Performance Line CX. Gegenüber dem ohnehin schon sehr guten Vorgänger bringt der neue ein nochmal verbessertes Ansprechverhalten und klappert bergab nicht mehr. Der 600er Akku ist nominell eher klein, bringt aber schon eine gute Reichweite. Die Batterie kann benutzerfreundlich nach vorne herausgeklappt werden.
Der Bosch-Motor ist top, die Ausstattung mit SR Suntour-Fahrwerk, Tektro-Bremsen und günstiger 9-fach Cues hinterlässt da schon eher Fragezeichen. Ein aufgedruckter Setup-Guide für die Federelemente fehlt. Vor dem Test heißt es also erstmal: Bedienungsanleitung wälzen. Von der Cues-Schaltung hätten wir uns in der Praxis etwas mehr Präzision und Schnelligkeit erwartet. Lob gibt’s dafür für den wertigen Scheinwerfer von Lezyne die Maxxis-Reifen: Weicher MaxxGrip-Gummi vorne und pannensichere Double-Down-Karkasse hinten, so wünschen wir uns das an einem E-Enduro.
Moderne Enduro-Bikes werden immer länger und flacher. Das eOne-Eighty ist hier die Ausnahme. Bewusst setzt Merida auf kompakte Maße und einen nicht zu extremen Lenkwinkel. Das soll dem Bike ein aktives Handling bringen.
Der Sitzwinkel des Merida ist zwar steil, trotzdem sitzt man nicht zu extrem auf dem E-Freerider. In richtig steilen Kletterstücken nimmt man sogar eine leicht hecklastige Position ein, da der Dämpfer ohne Druckstufenverstellung recht weit einsackt. Für die Kontrolle und Lenkung bergauf ist das nicht ideal. Dafür steht beim eOne-Eight jederzeit massig Traktion zur Verfügung. Die Leistung des Bosch-Motors wird schlupffrei auf den Boden gebracht.
Auf ausgedehnten Touren bietet das E-Enduro dank der ausgewogenen Sitzposition viel Komfort. Auch die Reichweite gefällt. Boschs 600er Batterie liefert einen großen Aktionsradius, eher auf dem Niveau vieler Konkurrenten mit über 700 Wattstunden.
Bergab ist das Merida für ein Bike mit extremen 180 Millimetern Hub recht handlich und belohnt aktive Piloten. Etwas überraschend: Manuals oder Bunny-Hops brauchen trotz kurzer Kettenstreben viel Einsatz. Dafür liegt das schwere Bike sicher auf dem Trail.
Bei der Funktion des SR Suntour-Fahrwerks gibt es Defizite. Während das Heck angenehmen Komfort bietet, beim maximalen Ausfedern aber nervig klackt, arbeitet die Gabel überdämpft. Die 180er Aion steht zwar souverän im Hub, spricht aber wenig sensibel an und gibt den Federweg nur unwillig frei. Dieses Phänomen kennen wir schon von anderen Suntour-Gabeln in dieser Preisklasse, etwa aus unserem Test des Bulls Sonic. Eine echte Balance zwischen Front und Heck konnten wir in unserem Test des Merida so auch nach diversen Setup-Versuchen nicht herstellen.
Gerade bei kleinen, schnellen Schlägen kommt die straffe Gabel nicht mit und reicht viele Schläge an die Hände des Piloten weiter. Nur bei hohem Tempo und einzelnen großen Hindernissen vermittelt die Aion Reserven. Das besser ausgestattete Modell eOne-Eighty 700 mit Rockshox-Fahrwerk wäre vermutlich die Lösung für das Fahrwerks-Problem, kostet aber ganze 1500 Euro mehr. Viel Sicherheit im flotten Bergab-Modus vermitteln dagegen die griffigen Maxxis-Reifen mit DD-Karkasse am Hinterrad und die grundsätzlich gelungene Geometrie.
Das Merida eOne-Eighty hat das Zeug zum perfekten Bikepark-E-Bike und macht dank des starken Bosch-Aggregats und den ordentlichen Klettereigenschaften auch ohne Lift eine gute Figur. Die schlichte Ausstattung geht allerdings zulasten der Trail-Performance. Insbesondere die SR-Suntour-Gabel bremst das Merida bergab ein. - Adrian Kaether, Redakteur Test & Technik