Das Last Coal hat einen Ruf zu verlieren. Das langhubige Bike des Herstellers aus Dortmund gilt als eines der vielseitigsten Enduros am Markt - nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus vergangenen BIKE-Tests. Während die Alu-Enduros anderer deutscher Charakter-Marken, wie etwa Raaw, Alutech oder Nicolai, oft mit Übergewicht zu kämpfen haben, legt man bei Last viel Wert auf gute Ergebnisse an der Laborwaage. 15,4 Kilo wiegt das auf robusten Downhill-Spaß ausgelegte Coal MX - ein guter Wert. Als wir das Testbike mit 170er Gabel, mechanischer Sram-Transmission-Schaltung und fetten Downhill-Reifen orderten, zögerte Last-Frontmann Jochen Forstmann trotzdem: “Wir könnten das Coal auch einen Kilo leichter aufbauen.” Anständige 3,3 Kilo gibt der Hersteller für den Test-Rahmen in Größe 185 an. Schließlich konnten wir den promovierten Ingenieur und Prof doch überzeugen einen homogenen Kontrahenten für das erste Serienbike der neuen Marke Grin zu stellen. Das Last Coal geht in ein spannendes Duell gegen den Underdog. Der Duellgegner heißt Grin One. Hier haben wir den Gegenspieler getestet.
Last nutzt für All Mountain und Enduro ein und denselben Aluminium-Rahmen. Mittels einer alternativen Umlenkwippe und einem anderen Dämpferhub lässt sich das Coal von 165 auf 150 Millimeter Federweg im Heck trimmen und so ins Modell Glen verwandeln. Ebenfalls über einen Tausch der Umlenkung funktioniert der Umbau zwischen kleinem 27,5 Zoll oder großem 29 Zoll Hinterrad. Einen Flip-Chip hat Last nicht eingebaut. In der neusten Ausbaustufe sollen etwas mehr Hub, ein flacherer Lenkwinkel und eine optimierte Kinematik dem Coal die volle Dosis Abfahr-Performance einimpfen. Im Heck verspricht Last für den ersten Federwegsbereich viel Sensibilität und Grip. Der mittlere Bereich soll für ein aktives Fahrgefühl relativ linear ausgelegt sein. Tief im Federweg legt die Progression zu und will einen effektiven Durchschlagschutz bieten. Wie es sich für ein Enduro gehört, sind sowohl Stahlfeder- als auch Luftdämpfer mit dem Chassis aus Leichtmetall kompatibel.
Die Detailfülle der Last-Homepage lässt erkennen, wieviel Know-How die Ingenieure in ihr Produkt gelegt haben. Jede Rahmengröße kommt mit einer individuellen Hinterbaukinematik, welche die Anti-Squat-Kurven zwischen den einzelnen Größen angleicht. Ein leicht erhöhter Wert soll für eine gute Treteffizienz sorgen. Last verspricht auch für sehr große und sehr kleine Fahrer ungeachtet ihres unterschiedlichen Schwerpunktes eine Hinterbaufunktion nahe am Optimum. Die größenabhängige Lage der Schwingendrehpunkte soll außerdem dafür sorgen, dass alle Rahmen einen fast identischen Anti-Rise-Verlauf aufweisen, um ein konstantes Verhalten unter Bremseinflüssen zu garantieren.
Jährlich verlassen nur rund 500 Rahmen die Hallen von Last. Ein Großteil der Produktion findet bei den Aluminium-Rahmen in Taiwan statt. In Fernost werden die Rohre verschweißt, gerichtet und wärmebehandelt. Nach dem Transport nach Deutschland übernimmt das kleine Team in Dortmund nicht nur die abschließende Bearbeitung der Lagersitze auf einer eigenen fünfachsigen CNC-Maschine, sondern auch das Verpressen der Edelstahl-Wälzlager von Enduro-Bearings im Hinterbau. So bleibt die finale Qualitätssicherung im eigenen Haus und Toleranzen können möglichst gering gehalten werden. Um die Ersatzteilverfügbarkeit zu vereinfachen setzt Last auf eine durchgehend einheitliche Lagergröße. Die vollkugelige Lagerung verspricht eine hohe Traglast sowie viel radiale Steifigkeit. Zur Haltbarkeit sollen auch Sicherungsringe mit zusätzlicher Dichtfunktion beitragen.
Damit die für die Befestigung der für Trunnion-Mount-Dämpfer benötigten Unterlegscheiben nicht verloren gehen können, sind diese im Umlenkhebel eingepresst. Schwarz-beschichtete Hardware aus Titan spart Gewicht und sorgt für ein hochwertiges Finish. Das Unterrohr wird von einem aufgeklebten Carbon-Protektor geschützt, welcher in Dortmund vor Ort laminiert wird. Über eine Adapterplatte kann der Rahmen eine Kettenführung nach ISCG-Standard aufnehmen. Die Leitungen laufen durch klassische Rahmeneingänge ins Innere. Für eine verbesserte Wartungsfreundlichkeit verläuft der Schaltzug am Hinterbau extern. Auch ein verschraubtes BSA-Tretlager dürfte Schrauber freuen. Ein UDH-Schaltauge sorgt für Kompatibilität mit Sram Transmission Antrieben.
Bei BIKE betreiben wir einen beispiellosen Aufwand, um Fahrräder zu testen. Als einziges Fachmagazin weltweit betreiben wir ein eigenes Testlabor. Die ermittelten Daten stützen die Eindrücke aus dem Praxistest. Auch bei den Geometriedaten verlassen wir uns nicht ausschließlich auf die Herstellerangaben, sondern setzen selbst das Lasermessgerät an.
Geht es im Downhill zur Sache steht der Fahrer gut integriert im Rahmen des Last Coal. Die lange Gabel und das große Vorderrad schaffen Hindernisse souverän aus dem Weg. Das Federgabel-Top-Modell aus dem Hause Rockshox funktioniert sowohl bei einzelnen großen Schlägen als auch im schnellen Wurzelfeld-Stakkato super. Mit 170 Millimetern Knautschzone stehen mächtig viel Reserven parat, die zum Reinhalten animieren. Der Hinterbau zeigt sich anfangs noch von der soften Seite und brauchte eine gute Portion Luftdruck um unseren Vorstellungen zu entsprechen. Die unkonventionelle Kombi aus Rockshox-Gabel und Fox-Dämpfer ist eben kein No-Brainer und braucht etwas Zuwendung: Am Factory-Federbein lassen sich sogar High- und Lowspeed-Zugstufe voneinander getrennt einstellen. Mit ein paar Testrunden sollte man rechnen, um mit dem richtigen Setup das Optimum aus Fahrwerk herauszuholen.
Trotz erhöhten Luftdruck im Federbein sind im Fahrwerk des Last Coal keine Komfort-Einbußen zu befürchten. Feinfühlig tastet das Heck die Teststrecke im Bikepark Oberammergau ab, flubbert über die Steine und steht beim Sprung vom Holz-Drop zum Auffangen parat. Im direkten Vergleich mit dem Enduro-Kollegen von Grin fehlt dem Last-Hinterbau das letzte Quäntchen Gegenhalt, um schnelle Racer zu befriedigen, die an jeder Geländekante Zeit rausschinden wollen. Dafür hat das Coal in Sachen Sensibilität und Schluckfreude eindeutig die Nase vorne. Nur nochmals deutlich schwerere Enduros liegen noch satter auf dem Kurs. Hier sei nochmals betont, dass wir die Ausstattung unseres Test-Coals als absolut Enduro-Tauglich erlebten. Mit weicher Gummimischung vorne und doppelter Karkasse hinten ist die Reifenwahl ideal getroffen und erschummelt sich keine Gramm.
Last paart am Coal einen langen Hauptrahmen mit einem kompakten Hinterbau. Das beschert dem Bike ein unaufgeregtes, leichtgängiges Handling. Abziehen und Surfen sind auch bei niedrigen Geschwindigkeiten ein Kinderspiel - längst keine Selbstverständlichkeit im aktuellen Enduro-Segment! Leichte Laufräder sorgen dafür, dass die Drehfreude des Last merklich ausgeprägter daherkommt als beim Bike von Grin. Den Spieltrieb unterstützen zudem das tief liegende Oberrohr und der lange Vario-Hub im kurzen Sitzrohr. Im Luftraum über dem Rahmen ist jede Menge Bewegungsfreiheit um in forderndem Gelände radikale Manöver einzuleiten. Das schafft zusammen mit den extrem starken Sram Maven Bremsen Sicherheitsreserven für krasse Steilabfahrten. Für Laufruhe im Talschuss sorgt indes der 63 Grad flache Lenkwinkel.
Obwohl der Sitzwinkel des Last mit 78 Grad extrem steil und identisch zum Grin One ausfällt, gibt sich die Sitzposition auf dem Dortmunder etwas ausgewogener. Dank leicht höherer Front und dem etwas tiefer im Hub sitzenden Fox-Dämpfer ist die Haltung weniger gestaucht als auf dem Duellgegner. Trotzdem fängt das Vorderrad auch an hochprozentigen Steigungen erst spät an zu tänzeln. Nur an extrem steilen Rampen neigt der flache Lenkwinkel zum Wegkippen. Der Hinterbau wippt unter Treteinfluss ein ganzes Stück stärker als beim Grin, lässt sich aber mittels Plattformhebel beruhigen. In technischen Anstiegen ist die Traktion des plüschigen Hinterbaus top. So zieht das Last gemächlich aber gefällig gen Gipfel. Obwohl auf den Felgen mächtige Enduro-Walzen sitzen lässt der Vortrieb im Vergleich zu anderen federwegsstarken Fullys keinen Grund zum Jammern. Insgesamt eignet sich das Coal auch noch gut zum Touren-Fahren aus eigener Kraft - in einem Aufbau mit einem Kilo weniger auf den Alu-Rippen sowieso.
BIKE Gesamtnote: 2,15
Die BIKE-Note setzt sich aus Praxiseindrücken der Testfahrer und Labormesswerten zusammen. Die Note ist preisunabhängig. Notenspektrum: 0,5–5,5, analog zum Schulnotensystem. Die Bewertung fand in der Kategorie Enduro statt.
Mit einem in allen Lebenslagen unkomplizierten Handling und einem verspielten Charakter fährt sich das Last Coal in die Herzen unserer Tester. Die Geometrie trifft voll ins Schwarze, das Fahrwerk zeigt sich sahnig. Ballern kann das Alu-Enduro auch - allerdings nicht auf dem brachial-kompromisslosen Niveau einiger Maschinen aus dem Rennzirkus. Dafür ist die Vielseitigkeit und damit die Touren-Eignung hoch. Testsieg! - Jan Timmermann, BIKE-Testredakteur