GasGas ECC 5 im TestDas neue GasGas - was kann das Race-Enduro mit WP-Fahrwerk?

Adrian Kaether

 · 22.07.2024

Das GasGas ECC 5 ist das neue Race-Enduro der spanischen Firma.
Foto: Adrian Kaether
Mit viel Federweg, dem Eagle Powertrain Motor von Sram und einem Spezialfahrwerk von Motorradspezialist WP will das GasGas ECC 5 den E-MTB-Worldcup aufmischen. Kann das teure Enduro-E-Bike auch im Test-Einsatz überzeugen?

Kaum ein Hersteller hat je so eine Kehrtwende hingelegt. Noch vor zwei Jahren baute GasGas ausschließlich günstige Alu-Bikes ohne großen Innovationsgeist. Jetzt ist die Marke, die wie Liteville, Husqvarna und KTM Motorrad zur Pierer Group gehört, mit einem eigenen Rennteam im E-Enduro-World-Cup und einem dazu passenden Bike am Start. Das GasGas ECC hat einen Vollcarbon-Rahmen, Srams Eagle Powertrain Motor, ganz eigene Federelemente und teilt so mit seinen günstigen Alu-Vorgängern fast nur noch das Logo auf dem Steuerrohr.

Die Konsequenz: Der Preis für das in München entwickelte und von Mattighofen aus betreute Race-Enduro fällt hoch aus. Los geht’s erst bei 7000 Euro für das GasGas ECC 4 mit Rockshox-Fahrwerk, die spannenderen ­Modelle ECC 5 und 6 mit dem außergewöhnlichen DVO-WP-Fahrwerk kosten sogar 9000 bis 10.000 Euro. Die entscheidende Frage: Ist das GasGas ECC nur ein Vollblut-Racer für Extremos, oder kann das E-Enduro auch normalere Fahrer im Gelände überzeugen?


GasGas ECC 5: Sram Eagle Powertrain (90 Nm) // 630 Wh // 29 Zoll // 170 / 160 mm // 24,98 kg // 8999 Euro.Foto: Adrian KaetherGasGas ECC 5: Sram Eagle Powertrain (90 Nm) // 630 Wh // 29 Zoll // 170 / 160 mm // 24,98 kg // 8999 Euro.

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Die Fakten zum GasGas ECC 5

  • Motor: Sram Eagle Powertrain, 90 Nm max. Drehmoment
  • Akku: 630 Wh (entnehmbar)
  • Rahmenmaterial: Carbon
  • Federweg: 170 / 160 mm
  • Laufradgröße: 29 Zoll
  • Rahmengrößen: S, M, L
  • Preis: 8999 Euro
  • Gewicht: 24,98 kg (Testbike in Größe L, EMTB-Messung)
  • Zulässiges Gesamtgewicht: 130 kg (Herstellerangabe)

Vor dem Praxistest schauen wir erstmal auf die Fakten: Im ECC verbaut GasGas Srams Powertrain-System mit Brose-Motor (hier im Test) und 630 Wattstunden im Akku. Über richtig wertige Anbauteile darf man sich bei unserem Testbike ECC 5 trotz des Preises von 9000 Euro nur stellenweise freuen. Gebremst wird mit der Trail-Bremse G2 RS von Sram – für unser Empfinden an einem Enduro mit Wettkampf-Anspruch deutlich unterdimensioniert. In Serie verbaut GasGas außerdem eine hauseigene Telestütze statt der Reverb AXS mit Funktechnik, die in unserem Testbike den Sattel absenkte. Das Bike rollt außerdem auf hauseigenen Alu-Laufrädern.

Highlights in Sachen Wertigkeit: die GX-Transmission-Funkschaltung, die auf Wunsch die Gänge auch automatisch und im Rollen wechselt. Und natürlich das eigens für das ECC 5 entwickelte und umfangreich einstellbare Fahrwerk. Der Clou daran ist die besondere Dämpfungstechnik von WP, die es bislang nur in Motorrädern gab. Das sogenannte Cone-Valve soll in der Druckstufe für mehr Komfort sorgen, ohne dass an anderer Stelle Gegenhalt oder Dämpfung fehlt. Der Pilot wird entlastet und kann länger schnell fahren, so die Philosophie bei WP.

  • Gabel / Dämpfer: DVO Onyx D1CV SL / Jade X CV Coil
  • Schaltung: Sram GX Transmission (12-fach)
  • Bremsen: Sram G2 RS 220/200 mm
  • Laufräder: Mach1 ML Trucky Felgen mit GasGas-Naben
  • Reifen: Maxxis Assegai Exo+ MaxxGrip, 29 x 2,5'' / DHR II DoubleDown, 29 x 2,4''
  • Besonderheiten: Auto-Shift mit Eagle Powertrain, DVO-WP-Spezialfahrwerk, wechselbare Rahmenverkleidung
Das Spezial-Fahrwerk mit der Cone-Valve-Dämpfung von WP dominiert das Erscheinungsbild des GasGas ECC 5.Foto: Adrian KaetherDas Spezial-Fahrwerk mit der Cone-Valve-Dämpfung von WP dominiert das Erscheinungsbild des GasGas ECC 5.

Eagle Powertrain: Motor & Akku im GasGas ECC 5

Angetrieben wird das ECC 5 vom Sram Eagle Powertrain, mit eher knappen 630 Wattstunden im Akku. Dabei stimmt die Hardware für den Motor vom bekannten Brose Drive S-Mag, die Software liefert Schaltungsgigant Sram und verbindet den Motor im Powertrain-System auch gleich mit der Schaltung. So ist automatisches Schalten unter Last, wie auch im Rollen möglich.

Die Bedienelemente am GasGas fallen sportlich aus. Ein kompaktes Display mit den nötigsten Infos (U-Stufe, Akkustand, Auto-Shift-Einstellung) auf dem Oberrohr, dazu die minimalistischen Pods zur Bedienung der lediglich zwei U-Stufen. Infotainment-Fans dürfte das zu spartanisch sein.

Der Akku bietet mit 630 Wattstunden nur eine mittlere Reichweite, kann aber praktisch nach vorne aus dem Unterrohr entnommen werden. Dazu muss man per Tool zwei Schrauben lösen. Zur Entnahme ist das nicht die schnellste Variante, dafür sitzt die Batterie gut fixiert und klapperfrei im Rahmen.

Der Sram Motor mit Brose Hardware liefert ein sattes Drehmoment und immer ausreichend Leistung.Foto: Adrian KaetherDer Sram Motor mit Brose Hardware liefert ein sattes Drehmoment und immer ausreichend Leistung.

Groß, aber nicht zu extrem: Die Geometrie des ECC 5

Beim ECC meidet GasGas die Extreme. Auffällig vor allem: Die Rahmen fallen extrem groß aus. Der M-Rahmen unseres Testbikes hat eher klassische L-Maße, das schränkt die Auswahl für kleine Fahrer ein. Ansonsten kombiniert GasGas eher lange Kettenstreben für wenig Vorderradsteigen mit einem langen Radstand und einem steilen Sitzwinkel. Wegen des moderaten Reachs und hohen Stacks fällt die Sitzposition trotzdem nicht zu extrem aus.

EMTB-Messwerte im Überblick (Rahmengröße M)

  • Sitzrohrlänge: 435 mm
  • Radstand: 1290 mm
  • Reach: 476 mm
  • Stack: 665 mm
  • Lenkwinkel: 64,3 Grad
  • Sitzwinkel: 78 Grad
  • Kettenstrebenlänge: 462 mm

Praxistest: So fährt sich das GasGas ECC 5

Bevor es auf den Trail geht, muss erst einmal das Setup passen. Um bei den vielen Verstell-Optionen des Fahrwerks zu einem sinnvollen Grund-Setup zu finden, muss man sich viel Zeit nehmen und den umfangreichen Fahrwerks-Guide studieren. Srams Antriebssystem ist dagegen Plug-and-play. Einfach draufsetzen und losfahren. Sogar die Schaltautomatik kann unkompliziert während der Fahrt eingestellt werden. Der Brose-Motor schiebt gewohnt kräftig, bietet aber nur zwei Fahrmodi, die ab Werk kräftig ausfallen. Wer Reichweite will, muss mit der App ran.

Ungewöhnlich: Die lange Geometrie des Bikes fällt beim Fahren wenig auf. Auf dem GasGas sitzt man komfortabel und angenehm vorderradorientiert, die hohe Front entlastet die Handgelenke. Das dürfte auch für längere Touren exzellent funktionieren. Wird der Uphill anspruchsvoll, hält das lange Heck das ECC gut im Zaum. Der sensible Hinterbau mit Stahlfeder liefert eine starke Traktion, der Brose-Motor generiert Power in allen Lebenslagen. Enge Kehren brauchen mit dem GasGas eine geübte Hand, ansonsten sammelt das ECC im Uphill aber viele Punkte.

Das GasGas ECC 5 klettert dank langer Kettenstreben und viel Motorpower unkompliziert.Foto: Max FuchsDas GasGas ECC 5 klettert dank langer Kettenstreben und viel Motorpower unkompliziert.

Neigt sich der Trail talwärts, fährt sich das GasGas ebenfalls anders, als die Geometrie vermuten lässt. Der Fahrer steht lang übers Bike gestreckt, das passt zum rennsportlichen Anspruch. Tatsächlich überrascht das Fahrwerk mit fluffigem Schluckvermögen und das Bike mit hoher Laufruhe. Gerade üble Löcher und große Bremswellen werden betont komfortabel herausgefiltert. „Extrem kraftsparend“, notierten die Fahrer in die Testbögen.

Allerdings: Das Setup von Gabel und Dämpfer stellte unsere Geduld auf die Probe. 100 Prozent zufrieden waren wir selbst nach diversen Anpassungen nicht. In Summe mussten wir Gabel und Dämpfer deutlich härter abstimmen als im Setup-Guide vorgeschlagen. Dennoch: Auf schnellen Geraden ist das GasGas in seinem Element. In steilem Gelände steht die Gabel gefühlt etwas tief im Hub – das wirkt nicht immer perfekt ausgewogen.

Schön zu sehen: Trotz massiver Länge und hohem Gewicht wird das Bike auf flachen Trails nicht zum behäbigen Tanker, sondern bleibt lebendig. Zumindest wenn man sich bei der Größenwahl für den kleineren Rahmen entscheidet - das M fällt ja eher wie ein L aus. Die Reifen am ECC 5 bieten perfekten Grip, die kurze Serien-Telestütze und die für den Preis und Einsatzbereich unterdimensionierten Bremsen stehen dem Edel-Racer aber nicht gut zu Gesicht. Außerdem klapperte das ECC 5 bergab deutlich, und Teile der moto-inspierierten Kunststoff-Verkleidung lösten sich immer wieder.

Fluffiges Fahrwerk und satte Nehmerqualitäten. Bergab macht das GasGas eine gute Figur.Foto: Max FuchsFluffiges Fahrwerk und satte Nehmerqualitäten. Bergab macht das GasGas eine gute Figur.

EMTB-Bewertung des GasGas ECC 5

Stärken

  • Performance Up- und Downhill, trotzdem unkompliziert zu Fahren
  • Spezial-Fahrwerk mit auffällig hohem Federungskomfort

Schwächen

  • Reichweite nur Mittelmaß
  • Gemessen an der Ausstattung sehr teuer
  • Schwer, Setup etwas umständlich
Das GasGas ECC 5 hat eine starke Up- sowie Downhillperformance und ist dabei recht unkompliziert zu fahren.Foto: EMTBDas GasGas ECC 5 hat eine starke Up- sowie Downhillperformance und ist dabei recht unkompliziert zu fahren.

Das EMTB Fazit

GasGas macht mit seinem Racer ECC 5 vieles anders als die Konkurrenz und einiges davon richtig gut. Ein gelungenes Debüt für den Underdog, der den World-Cup erobern will!
Adrian Kaether, Redakteur Test und Technik für BIKE und EMTB.Foto: Georg GrieshaberAdrian Kaether, Redakteur Test und Technik für BIKE und EMTB.

Interview Martin Forster, WP: “Für jedes Rad eine ganz eigene Fahrwerks-Abstimmung”

EMTB: Es gibt bereits viele gute Federelemente am Markt. Was war die Motivation, mit WP einen eigenen Weg zu gehen?

Martin Forster: Die Strahlkraft, die WP im Motorrad-Bereich hat, spielt eine Rolle. Zum anderen verfolgen wir mit WP den Ansatz, dass wir für jedes Rad eine ganz eigene Fahrwerksabstimmung machen. Bei Motorrädern ist das üblich, bei Fahrrädern wird normalerweise nur auf einen von drei vorgefertigten Shim-Stack-Tunes zurückgegriffen. Unsere eigene Abstimmung bringt ein klares Plus an Performance und wäre mit anderen Anbietern so nicht möglich.

Martin Forster ist Abteilungsleiter für Komponentenentwicklung bei der Pierer New Mobility. Damit ist er auch für das DVO-WP-Fahrwerk am GasGas ECC verantwortlich.Foto: Pierer New MobilityMartin Forster ist Abteilungsleiter für Komponentenentwicklung bei der Pierer New Mobility. Damit ist er auch für das DVO-WP-Fahrwerk am GasGas ECC verantwortlich.

Wo liegen die Stärken eures Fahrwerks?

Das WP-DVO-Fahrwerk kommt mit der Cone-Valve-Technologie von WP. Im Vergleich zu einem klassischen Shim-Stack spricht das Cone-Valve schneller an und ermöglicht eine höhere Öldurchflussmenge. So kann das Fahrwerk gerade auf plötzliche, harte Schlägen besser reagieren. Das bringt mehr Grip und einen spürbar hohen Fahrkomfort, ohne an anderer Stelle Dämpfung oder Kontrolle einzubüßen.

Mit OTT und Bladder gibt es bei DVO-WP noch mal zwei Verstelloptionen mehr als üblich. Was steckt dahinter?

Mit GasGas bringen wir sehr race-orientierte Bikes an den Start und wollen da den erfahrenen Fahrern auch die Möglichkeit geben, selbst Details wie die Negativ-Feder auf ihre Bedürfnisse abzustimmen. Wie gut dann aber auch die einfachere SL-Gabel wie im ECC 5 ohne die separate Negativ-Federeinstellung funktioniert, hat uns selbst überrascht.

Überfordern die vielen Einstellungen den Kunden nicht?

Highspeed- und Lowspeed-Druckstufe findet man auch bei vielen Mitbewerbern. Bei der Zugstufe haben wir uns sogar gegen eine geteilte High- und Lowspeed-Einstellung entschieden. Eigentlich sind also nur Bladder und OTT wirklich spezifisch für das DVO-WP-Fahrwerk. Das ist etwas erklärungsbedürftig, aber wir bieten einen umfangreichen Setup-Guide, mit dem jeder Fahrer ein gutes Grund-Setup findet. Das ECC ist ja explizit ein Race-Bike, und da kann man ein entsprechendes Interesse an der Technik beim Kunden auch voraussetzen.

Neuerdings gibt es das WP-Fahrwerk neben GasGas auch bei Liteville. Könnt ihr euch vorstellen, das noch auszuweiten?

Das können wir uns gut vorstellen.

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