Dass teure Enduros mit High-End-Fahrwerken zuverlässig für satte Downhill-Action sorgen, ist klar. Aber was, wenn man nicht bereit ist, gleich fünf Riesen auf den Tisch zu blättern? Bedeutet das automatisch weniger Trail-Vergnügen? Muss man sein frisch gekauftes Bike früher oder später aufmotzen, um das Spaßbarometer nach ganz oben zu treiben? Oder ist man besser damit beraten, direkt etwas tiefer in die Tasche zu greifen?
Dieser Frage wollten wir auf den Grund gehen und haben vier Enduros mit 160 bis 170 Millimetern Federweg ausgesucht – Preislimit: 3200 Euro. Bei Propain mussten wir allerdings ein Auge zudrücken: Das Tyee AL kostet – sofern man im Online-Konfigurator zur Teleskopstütze greift – 3234 Euro. Um außerdem zu klären, ob sich ein etwas großzügiger Preisrahmen lohnt, tritt das 4299 Euro teure Haro Greer Alloy LTD 2 als Referenz-Bike an.
Ja, die Diskussion ist uralt. Aber mal ehrlich: Etwas Vernunft vorausgesetzt, dürfte man diesen Vergleich eigentlich gar nicht als Einsteiger-Test bezeichnen. Punkt. Wer sich heutzutage für ein Enduro interessiert, steht vor Preisschildern, die vor ein paar Jahren noch an renntauglichem Material prangten. In einem Einsteiger-Enduro-Test unseres ehemaligen Schwester-Magazins FREERIDE aus dem Jahr 2017 beispielsweise lag die Preisgrenze bei 2500 Euro – und das Ausstattungsniveau durch die Bank eine Stufe höher. Heute zwingt der finanzielle Druck, der durch Lieferengpässe, Inflation und steigende Energiekosten entstanden ist, auch die Mountainbike-Industrie dazu, das Preisniveau nach oben zu schrauben.
Aufgrund der kleinen 27,5-Zoll-Hinterräder fällt die Laufradträgheit bei den Mullet-Bikes von Merida, Dartmoor und Haro geringer aus als bei den 29-Zoll-Kandidaten. Die Newmen-Laufräder am Cube liefern den Bestwert in Sachen Gewicht ab. Die schwersten Laufräder spezifiziert Propain. Hier treiben vor allem die schweren Schwalbe-Reifen mit stabiler Gravity-Karkasse sowie die massive S1000-Kassette der Transmission-Schaltgruppe das Gewicht nach oben.
Propain, Cube, Merida und Dartmoor bewegen sich sowohl beim Hauptrahmen als auch beim Hinterbau auf ähnlichem Niveau und verhalten sich unauffällig. Das Propain besitzt insgesamt das weichste Chassis , filtert Vibrationen dafür am besten heraus und sorgt so auf langen Abfahrten für weniger Ermüdung. Einziger Ausreißer: der Hinterbau des Haro. Aufgrund einer massiven Verstrebung zwischen den Kettenstreben fällt der Steifigkeitswert am Heck extrem hoch aus. Auf dem Trail merkt man davon allerdings kaum etwas. Das überaus sensible Fahrwerk kann mit viel Traktion und Komfort gut über den fehlenden Flex hinwegtäuschen.
Um noch eine alte Wunde aufzureißen: Das durchschnittliche Gewicht der damaligen Testgruppe lag bei 14,1 Kilo – damit waren die Bikes leicht genug, um sie auch auf Touren einzusetzen, so wie es der ursprüngliche Enduro-Gedanke vorgesehen hat.
Unsere aktuelle Testgruppe bringt im Schnitt satte 16,2 Kilo auf die Waage. Klar, größere Laufräder, dickere Federgabeln und immer robustere Komponenten zahlen ordentlich aufs Baller-Potenzial ein. Für alle, die auch abseits von Lift und Shuttle unterwegs sind, haben die Bikes in Sachen Gewicht aber längst die Schmerzgrenze überschritten. Unsere Tester sind sich einig: Wer damals noch den perfekten Allrounder unter den Enduros gefunden hat, flüchtet heute – zumindest in dieser Preisklasse – vor den Wuchtbrummen besser in die Trailbike-Sparte.
Um zurück zur Einstiegsfrage zu kommen: Taugen die 3000-Euro-Enduros etwas, oder greift man lieber gleich zum 1100 Euro teureren Haro, um dann aber richtig auf seine Kosten zu kommen? Die Antwort ist so simpel wie bitter: 3200 Euro können sich lohnen – aber nur, wenn man zu Kompromissen bereit ist. Cube ist dafür das Paradebeispiel: Das Fahrwerk arbeitet top – schluckfreudig, traktionsstark und mit genau der richtigen Portion Pop. Also, Haro oder Cube? In Sachen Performance sind die Bikes auf gleichem Niveau. Auch das Handling gibt keinen Anlass zur Kritik. Kompromissloser Fahrspaß? Check!
Ganz ohne Abstriche geht es aber trotzdem nicht. Wer das Stereo One77 auf einen der robusten und extrem präzisen Sram-Transmission-Antriebe upgraden möchte, schaut in die Röhre – denn Cube hat sich das hierfür nötige UDH-Schaltauge gespart. Technisch gesehen können die übrigen Bikes dem Haro Paroli bieten, doch spätestens auf dem ersten Wurzelteppich zeigt sich, wofür die 1100 Euro Aufpreis gut sind – und: wie stark ein zweitklassiges Fahrwerk den Spaßfaktor beschneidet.
| Kategorie | Unterkategorie | Haro | Cube | Propain | Dartmoor | Merida | Gewichtung / Anmerkung |
| Preis | Preis (€) | 4299 | 2799 | 3234 | 2699 | 2899 | — |
| Fahrverhalten | Uphill – Fahrverhalten | 3 | 3 | 2 | 2,5 | 4 | 8 % |
| Fahrverhalten | Uphill – Effizienz Fahrwerk | 3 | 2 | 3 | 2 | 4,5 | 10 % |
| Fahrverhalten | Spieltrieb | 2,5 | 2 | 3,5 | 3 | 1,5 | 7 % |
| Fahrverhalten | Downhill – Fahrverhalten | 2 | 3 | 1,5 | 3 | 3,5 | 20 % |
| Fahrverhalten | Downhill – Fahrwerk | 1,5 | 2 | 3,5 | 4 | 4,5 | 20 % |
| Fahrverhalten | Note | 2,18 | 2,43 | 2,68 | 3,28 | 3,68 | 65 % Gesamt |
| Labor | Gesamtgewicht | 5,75 | 4,25 | 5,5 | 4,5 | 5,25 | 6 % |
| Labor | Laufradträgheit | 4 | 4 | 5 | 4 | 3,5 | 4 % |
| Labor | Note | 5,05 | 4,15 | 5,30 | 4,30 | 4,55 | 10 % Gesamt |
| Ausstattung | Ausstattungsqualität | 2,15 | 2,79 | 2,98 | 3,56 | 3,74 | 5 % |
| Ausstattung | Usability / Mehrwert | 4 | 4 | 3,25 | 4,25 | 2,75 | 5 % |
| Ausstattung | Transportvolumen Flasche | 2 | 3 | 2 | 1,5 | 3 | 5 % |
| Ausstattung | Versenkbarkeit Sattel | 1 | 2 | 1,5 | 2 | 2 | 5 % |
| Ausstattung | Qualität / Verarbeitung | 2,75 | 2,75 | 0,5 | 4,75 | 0,5 | 5 % |
| Ausstattung | Note | 2,38 | 2,91 | 2,05 | 3,21 | 2,40 | 25 % Gesamt |
| Sonstiges | Garantie | 6 Jahre | 5 Jahre | 2 Jahre | 2 Jahre | lebenslang | — |
| Sonstiges | Servicefreundlichkeit | mittel | schwach | mittel | mittel | mittel | — |
| Sonstiges | Rahmensteifigkeit (v/h) N/mm | 8,4 / 42,5 | 8,7 / 23,9 | 6,4 / 18,1 | 6,8 / 28,1 | 7,3 / 24,2 | — |
| Gesamtnote | BIKE-Note | 2,52 | 2,72 | 2,79 | 3,36 | 3,45 | 100 % |
Haro investiert das zusätzliche Budget in ein erstklassiges Fahr- werk und sichert sich so einen soliden Vorsprung. In der Kern-Testgruppe sichert sich das Cube mit spaßigen Fahreigenschaften, guter Ausstattung und gelungenem Fahrwerk den Sieg. Das Propain liefert mit konsequenter Enduro-Geometrie ab, muss sich aber mangels Hinterbaukomfort knapp dem Cube geschlagen geben. Dartmoor und Merida belegen die hinteren Ränge – mit deutlichem Rückstand.