Warum haben manche Dinge einen so hohen Haben-wollen-Faktor, obwohl sie für einen selbst wenig praktisch sind – oder gerade dann? Beispiele: Eine Uhr, die bis 100 Meter wasserdicht ist, obwohl man kein Expeditionstaucher ist. Oder ein Landrover Defender, wenn man in der Innenstadt wohnt. Oder ein schwerer E-Freerider, wenn man gerne mit leichten Bikes auf zahmen Trails jibbt. Das Bio-Enduro Altitude hatte mich begeistert, und so reizte mich die E-Variante. Ich bekam ein Rocky Mountain Altitude Powerplay C70 als Dauertest-Bike.
Das Altitude Powerplay ist ein klassischer E-Freerider: viel Federweg, viel Akku, viel Power! Die Ausstattung des C70-Modells ist solide, aber für den Preis nichts Besonderes. Positiv fallen die standhaften XT-Bremsen von Shimano auf. Im Tretlager sorgt der hauseigene Motor von Rocky für kräftigen Vortrieb. Der herausnehmbare 720-Wh-Akku erzeugt eine große Reichweite. Top! Weniger gefallen hat mir die eher unsensible Motoransteuerung und das raue Tretgefühl.
Neben Trail-Touren in den Voralpen und auf Trails im Schwarzwald habe ich den E-Freerider als ganzjähriges Pendlerrad für die Arbeit zweckentfremdet. Das heißt: 30 Kilometer am Tag bei Schnee, Matsch und Regen. So sammelte ich im Einsatzjahr insgesamt über 5500 Kilometer. Ohne Defekt kam ich nicht davon.
Im Mai drang Feuchtigkeit ins Display, dann streikte der Motor: Steuergerät kaputt. Rocky tauschte die Teile im Rahmen der 3-Jahres-Garantie kostenlos aus. Auch die Vario-Stütze Race Face Aeffect zickte ab und an, ließ sich aber mit etwas Öl wieder in Gang bringen.
Trotz des nominell langen Reachs bin ich (1,78 Meter) mit der Rahmengröße (L) gut zurechtgekommen. Das Altitude Powerplay positioniert den Fahrer tief im Bike. Die Geo lässt sich dank der Ride-Four-Geometrieverstellung leicht verändern. So oder so bleibt es flach und abfahrtsorientiert.
Das schwere Altitude Powerplay fühlt sich erst in rauem, steilem Gelände wohl – dann, wenn es schnell und ruppig wird. Hier bietet es maximale Traktion und damit Sicherheit. So animiert es den Fahrer, das Gas stehen zu lassen. So lange das Tempo stimmt, lässt sich das Rocky wendig über den Trail steuern.
Auf zahmeren Trails wirkt es dagegen unbeholfen, steuert sich träge und lässt sich nur mit viel Körpereinsatz im Bunny-Hop über Hindernisse bugsieren. Der Umbau auf Mullet hat dem Rad gutgetan. Trotz der sehr kurzen Kettenstreben (einstellbar 436/439 mm) ist das Rocky keine Manual-Maschine.
So richtig warm wurde ich deshalb mit dem Rocky nicht. Aber das kann ich dem Bike nicht vorwerfen. E-Freerider steht drauf, und E-Freerider ist drin. Für meinen Einsatzzweck passt es nicht. Sorry, Altitude Powerplay. Kein Match!
Das Rocky Mountain Altitude Powerplay ist der ideale Park-Freerider. Grob, steil, schnell – hier fühlt es sich pudelwohl. Wer wie ich gerne mit seinem E-MTB auf zahmeren Trails springt, hopst und auf dem Hinterrad fährt, hat mit anderen Bikes deutlich mehr Spaß. - Laurin Lehner, FREERIDE-Redakteur
Plus
Minus
Hier geht es zum Test vom Rocky Mountain Instinct Powerplay C70 >>