Der klassische Viergelenker ist das Produkt eines One-Man-Corona-Projekts und steht kurz vor der Vollendung. Philipp Brunn heißt der Mann hinter der jungen Marke Grin. Mit über 20 Jahren Erfahrung in der Fahrzeugentwicklung und einem ausgeprägten Faible für technische Trails – Stichwort Bike-Bergsteigen – realisierte der Wahl-Münchner kurzerhand seinen Traum vom eigenen Bike. Wir konnten bereits eines der ersten fahrbaren Muster für diesen Test gewinnen.
Bis zur Serienfertigung, die im Frühjahr nächsten Jahres anvisiert ist, heißt es für mögliche Interessenten aber noch Geduld bewahren. Auch wenn das One bereits zu 90 Prozent final ist, gibt es bei Erstlingswerken üblicherweise noch kleine Stellschrauben, die gedreht werden wollen. Doch erst mal zum Istzustand des neuen Enduros im Mullet-Set-up. Mit nur 14,5 Kilo ohne Pedale fällt das Gewicht überraschend niedrig aus. Abstriche in der Reifenwahl (Maxxis Exo+ vorne, DD hinten) oder bei der übrigen Ausstattung gibt es nicht zu beklagen. Auch wenn in der Front „nur“ eine Rockshox-Lyrik-Federgabel steckt, bietet das One 170 Millimeter Federweg vorne und 160 Millimeter am Heck. Beide Federelemente lässt Brunn vom Fahrwerks-Experten Anyrace feintunen.
Um dem Fahrer maximale Bewegungsfreiheit zu garantieren, fällt das Oberrohr des Alu-Rahmens stark ab und das gerade Sitzrohr entsprechend kurz aus. In Serie wird ein kleines Gusset den langen Sitzrohrüberstand verstärken. Damit ist eine enorme Versenkbarkeit von bis zu 240 Millimeter Hub an der Teleskopstütze gewährleistet. Statt eines empfindlichen Lacks kommt das Grin One im Alu-Raw-Finish, eine Bikeparkfreigabe ist selbstverständlich. Bis auf die interne Zugverlegung verzichtet das Grin auf unnötige Gimmicks und setzt auf pure Funktionalität. Mit 489 Millimetern in Größe L besitzt das One einen langen Reach. In Kombination mit dem 64er-Lenkwinkel ergibt sich dennoch ein neutrales, nicht übertrieben laufruhiges Handling. Aufgrund des sehr steilen Sitzwinkels und des kurzen 35er-Vorbaus fällt die Sitzposition sogar recht kurz und aufrecht aus. In steilen Rampen bleibt das Vorderrad kontrolliert am Boden. Das leichte One erklettert zuverlässig auch steile Rampen.
Dabei hilft das winzige 26er-Kettenblatt, das bergauf wie bergab für viel Bodenfreiheit an Stufen sorgt. Im Wiegetritt pumpt der Hinterbau auf durchschnittlichem Niveau. Bergab profitiert das Enduro vom geringen Gewicht und lässt sich mühelos auf dem Trail platzieren. Man kann aktiv Linien wählen, ist weniger Passagier. Wenn es schnell und rau wie auf den Trails am Gardasee zur Sache geht, bleibt jedoch der gewünschte Komfort auf der Strecke. Vor allem die speziell getunte Lyrik-Ultimate-Gabel enttäuschte und gab selbst bei niedrigem Luftdruck und offener Druckstufendämpfung nur unwillig den Federweg frei. Am Hinterbau hingegen ließ sich der Federweg besser nutzen, auch wenn es hier im Vergleich sensiblere Bikes gibt. Bei den Federelementen ist also noch Luft nach oben, wobei es das Grin One ohnehin erst mal nur als Rahmenkit geben wird. Bis zur Serie soll zudem das Tretlager noch sieben Millimeter tiefer sowie der Lenkwinkel minimal flacher werden. Überdies kommt für die Rahmengrößen L und XL die Option, ein 29er-Hinterrad zu fahren. Ein Flipchip an der unteren Dämpferaufnahme soll das möglich machen.
Benotung: Das BIKE-Urteil setzt sich aus den subjektiven Eindrücken der Testfahrer und unseren Labormesswerten zusammen. Das Urteil ist preisunabhängig. Notenspektrum: sehr gut (0,5–1,5), gut (1,6–2,5), befriedigend (2,6–3,5), ausreichend (3,6–4,5), mangelhaft (4,6–5,5).
LABOR (10 %): 2,9
AUSSTATTUNG (25 %): 3,0
+ gute Allround-Eigenschaften durch geringes Gewicht
+ hohe Bewegungsfreiheit durch kompakten Rahmen
– wenig sensibles Fahrwerk
Der erste Wurf der noch jungen Marke Grin präsentiert sich vielversprechend. Das schnörkellose One zeigt sich breitbandig und knüpft an Enduro-Tugenden von früher an. Wir sind bereits auf die ersten Serienbikes gespannt. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur