Josh Welz
· 17.05.2024
Bei Enduro-Bikes kommt der Vorteil des E-Mountainbikes vielleicht am besten zum tragen. Diese Zielgruppe ist auf Trail- und Abfahrtsspaß fokussiert. Anstellen am überfüllten Lift im Bikepark möchte man sich dafür aber lieber nicht. Im Trail-Revier mit der Gondel auf den Berg? Das gerne, aber dann bitte noch ein paar Höhenmeter selber drauf packen und sich von der großen Masse absetzen. Mit einem Bio-Enduro, also ohne Motor, ist das aber insbesondere mit viel Federweg und dicken Schlappen harte Arbeit. Zu viel Zeit und Energie geht für zähe Anstiege drauf - das würde man als Enduro-Biker lieber in Trail- und Abfahrtsspaß investieren. Den hat man mit E-Antrieb bergab wie bergauf en masse. Und da Enduro-Biker in der Regel bereit sind, auch Lift-Infrastruktur zu nutzen, braucht man nicht unbedingt einen Riesen-Akku im Unterrohr für maximale Reichweite.
Deswegen werden auch unter den E-Enduros seit geraumer Zeit immer mehr Light-E-Mountainbikes gesichtet - mit schwächeren Motoren und kleineren Batterien sind sie auf Leichtbau und damit noch mehr auf maximalen Trailspaß bergab getrimmt. Beispiele: Santa Cruz Heckler SL, Specialized Levo SL und Conway Ryvon LT. Das Gegenstück: Performance-Enduros mit starken Motoren und großen Akkus, mit denen man in höchster Unterstützungsstufe anspruchsvolle Uphills mit Max-Speed hochnageln kann. Diese Bikes sind prädestiniert für den Einsatz in Enduro-Rennen und meist in Zusammenarbeit mit den Piloten entwickelt. Beispiele: Lapierre Overvolt GLP III, Propain Ekano 2 AL, Pivot Shuttle AM und das Canyon Strive:On CFR. Dann gibt es neuerdings immer mehr Chimären, die genau zwischen diesen Einsatzprofilen liegen: Volle Motorpower, aber begrenzte Akku-Kapazität und konsequenter Leichtbau. In unserer Redaktions-Auswahl steht für diese Kategorie das Cannondale Moterra SL.
Das Santa Cruz Heckler SL liegt mit 160/150 Millimetern Knautschzone genau an der Grenze zwischen All Mountain und Enduro - genau das richtige für den Allround-Einsatz auf Trails. Eine genauso gesunde Mitte trifft der E-Antrieb. Der Fazua Ride 60 schiebt für einen Light-Antrieb sehr kräftig mit, und der 430er-Akku (fest verbaut!) hält recht lange. So bietet das Bike auch in Uphills Reserven und Fahrspaß. Am besten hat uns das Bike aber auf Abfahrten aller Couleur gefallen. Es verbindet ein spaßiges Fahrverhalten mit ordentlich Nehmerqualitäten. Der ideale Trail-Buddy! Der Hinterbau ist richtig traktionsstark, die Geometrie gelungen, zudem schaut das Heckler SL kaum aus wie ein E-Bike. Nur beim hohen Einstiegspreis besteht Gefahr, sich zu verschlucken. Und die Option auf einen Zweit-Akku gibt es auch nicht. Auf langen Rides ist also eine sparsame Fahrweise nötig.
Nicht zu schwach, ordentlich ausdauernd und dennoch nicht zu schwer. Das Heckler SL ist ein toller Kompromiss!
Das Specialized Levo SL ist so etwas wie der Urtyp eines leichten Trail-E-Bikes. Dieses E-Bike hat wie sein Vorgänger vor allem ein Ziel: Trail-Spaß. Dafür setzt Specialized auf eine gemäßigte Geometrie mit sehr kurzen Kettenstreben und auf ein minimalistisches Antriebskonzept. Im Vergleich zum Vorgänger haben die Amerikaner jedoch beides ein bisschen aufgebohrt. Die Geometrie ist moderner, also länger und flacher und damit abfahrtslastiger. Auch der Federweg ist gegenüber dem ersten Levo SL etwas angewachsen. Mit 160/150 Millimetern platziert sich das Specialized in der Lücke zwischen Trail und Enduro und soll damit als Allrounder für alle Trail- und Abfahrtslagen funktionieren. In seiner neuesten Ausbaustufe ist es damit abfahrtsstärker geworden und nimmt es auch mit garstigem Enduro-Terrain auf. Das Geniale dabei: Von seinem locker-flockigen Handling hat es kaum etwas verloren, noch immer fährt es sich sehr natürlich und leichtfüßig. Auch der Motorschub gehört noch immer zu den Minimalisten - weit entfernt vom Turbo-Bumms, da muss noch selbst getreten werden. Leider ist der Motor zwar leiser als der Vorgänger SL 1.1 aber trotzdem lauter, als manch anderer Light-Antrieb.
Das Gewicht des Levo SL Expert bleibt mit 18,2 Kilo bei voll abfahrtstauglicher Ausstattung angenehm niedrig. Leichtere E-Bikes gibt es in dieser Federwegsklasse kaum, erst recht nicht unter 10.000 Euro. Ausstattungsseitig kann das Expert-Modell des Levo SL getrost als goldene Mitte bezeichnet werden. Hier ist alles dran, was man für maximalen Fahrspaß braucht, doch ohne den exorbitanten Preis des S-Works-Modells. Fox-Fahrwerk mit top Dämpfungstechnologie, Code-RSC-Bremsen von Sram und dazu die robuste und geschmeidige GX-Eagle-Transmission-Funkschaltung.
Wer ein E-Bike sucht, das sich gar nicht nach E-Bike anfühlt, ist hier richtig. Das Levo SL bietet das lässigste Trail-Handling aller E-MTBs!
Ihr sucht ein Bike, mit dem man es so richtig krachen lassen kann? Dann gehört das Ekano von Propain definitiv auf die Liste! Den deutschen Versender kennt man aus Freeride-Videos oder dem Downhill-Worldcup. Der Schwerpunkt der jungen Brand liegt klar auf Gravity. Und das Ekano passt perfekt in dieses Bild. Das Bike bietet 170 mm Hub am Heck und an der Front kommen 180 mm (wie an unserem Testbike) oder auf Wunsch sogar 190 Millimeter dazu. Bei der Laufradgröße setzt Propain auf den Laufradmix aus 29 Zoll vorne und 27,5 hinten. Mit der souveränen Geometrie, massig Hub und Sahnefahrwerk ist dieses E-Enduro für roughe Trails geboren.
Vinschgau, Finale oder der DH-Track im Bikepark? Let’s go! Trotz Abmessungen eines dicken Freeriders bleibt das E-Bike spaßig und gutmütig im Handling. Und ob Mullet oder Full-29 könnt ihr Euch selbst aussuchen. Das gilt auch für den Rest der Ausstattung – dank Online-Konfigurator. Für dickere Geldbeutel gibt es das Ekano auch mit Carbonrahmen und Srams Eagle Powertrain. Bei beiden Varianten ist der 630er-Akku schnell und einfach wechselbar. Für maximale Trail-Stärke geht Propain beim Reichweiten-Poker ganz bewusst nicht “All in”. Der vergleichsweise kleine Akku mit 626 Wh soll Gewicht sparen und dem Ekano damit ein ausgewogenes Handling verpassen.
Mit viel Motorpower und viel Federweg ist das fluffige Propain ein richtig gelungenes und auch anfängerfreundliches Rad. Aber nicht nur: Kaum ein E-Bike macht im Park und auf Sprüngen so eine gute Figur. Klarer Tipp für Freerider!
Egal ob die Lefty-Gabel mit nur einem Standbein, ein Downhillbike mit zwei Dämpfern oder asymmetrische Spezial-Laufräder - Cannondale umgibt sich zurecht mit dem Ruf des Unkonventionellen. Gemessen daran waren die E-Bikes der Amerikaner bislang erstaunlich gewöhnlich. Doch mit dem Cannondale Moterra SL sorgt Cannondale wieder mal für eine kleine Überraschung. Statt dem erwarteten Bosch SX, gibt es den neuen Shimano EP801 Motor. Und statt Mini-Akku immerhin 600 Wattstunden. Mit unter 20 Kilo fährt sich das Bike dennoch wie ein echtes Light-E-MTB, nur eben mit mehr Motor-Wumms, damit auch bergauf der Spaß nicht zu kurz kommt. Das ideale Light-Bike also für alle, die nicht auf echten Turbo-Schub verzichten wollen. In der Hand versierter Fahrer ist das steife und direkte Moterra SL damit eine echte Rakete, der Einsatzbereich ist mit 160/150-Millimetern Federweg breit gesteckt. Eher lange Kettenstreben und ein superflacher Lenkwinkel wollen aber bewusst gebändigt werden. Schon das günstigste Modell kommt mit Top-Fahrwerk, die Preise beginnen daher erst bei 7999 Euro.
Ein besonderes Konzept, das aufgeht! Cannondale baut ein leichtes E-MTB, aber kein Light-E-MTB. Genial!
Das Strive:On CFR wurde für die Rennstrecke gebaut. Kein geringerer als Downhill- und Enduro-Champ Fabien Barel hatte hier seine Finger im Spiel. Das Ergebnis: Lang, flach, schnell. Das elektrifizierte Strive fühlt sich auf anspruchsvollen Enduro-Trails besonders wohl, wo es mit massig Traktion und definiertem Handling punktet. Auch in kniffeligen Uphills ist man mit dem Racer bestens beraten. Top Kontrolle, noch mehr Traktion und in der Top-Version gibt es sogar Boschs CX Race-Motor mit super langem Nachlauf. Für 8999 Euro ist dann wirklich alles drin und alles dran, was ambitionierte (Race-) Enduro-Biker brauchen. Aber auch in den den günstigeren Ausführungen finden erfahrene Enduristen ein definiertes Tool, mit dem man es bergab so richtig krachen lassen kann. Und das Ganze zum fairen Preis. Trotz Vollcarbonrahmen ist das Strive:On CFR aber kein Leichtgewicht. Die Akku-Größe kann der Käufer wählen: 625 oder 750 Wattstunden.
Mit dem Strive:On CFR hat Canyon ein kompromissloses Race-Enduro auf die Beine gestellt. Massig Fahrsicherheit für Highspeed im anspruchsvollen Gelände ist bei diesem Paket inklusive!
Sein Geld verdient der deutsche Fahrradhersteller Conway eher mit Massenware aus dem City- und Trekking-Sektor statt mit Highend-Mountainbikes. Speziell im E-MTB-Bereich haben die Niedersachsen aber schon hier und da mal ein Statement gesetzt. Der neueste Spross, das schlanke Conway Ryvon, sticht aus dem Fahrrad-Portfolio endgültig heraus. Selbst für ein Light-E-MTB fällt das Modell besonders sportlich aus. Ambitionierte Trail-Piloten könnten an dem Konzept, das die Entwickler um den Performance Line SX-Motor von Bosch spannen, also Gefallen finden. Das Conway Ryvon LT ist mit unter 19 Kilo für ein Enduro sehr leicht, durchdacht ausgestattet und hat ein konsequentes Chassis mit sportlicher Geometrie. Auf dem Trail schafft es den Spagat aus Fahrsicherheit auf wilden Abfahrten und spaßigem Handling auch auf flacherern Trails mit Bravour. Das hat uns im Test voll überzeugt. Dank spritzigem Bosch SX macht das Ryvon sogar im Uphill eine gute Figur. Die Reichweite ist im Vergleich zu klassischen E-MTBs mit dickem Akku systembedingt natürlich eingeschränkt. In Summe trotzdem ein Volltreffer in der Kategorie der Light-E-MTBs!
Uphill, Trail, Downhill: Auch mit viel Federweg und dicken Reifen macht das Conway in nahezu jedem Gelände eine gute Figur und ist dabei eindrucksvoll leicht, auch mit entnehmbarem Akku. Kurz: Bravo Conway! Das Ryvon LT ist ein echter Volltreffer.
Das Pivot Shuttle hat eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Die erste Generation kam vor 6 Jahren auf den Markt. Damals polarisierte das edle Gefährt mit einem quasi fest im Unterrohr verbauten 500-Wh-Akku von Shimano, der eigentlich für eine externe Montage gedacht war. Dank dieser Konstruktion und Vollcarbonrahmen wog es schon damals nur knapp 20 Kilo - und war schon damals mit 9999 Euro exorbitant teuer. Daran hat sich nichts geändert, aber alles andere schon. Fast zumindest. Denn geblieben ist dem E-MTB der mittlerweile schon klassische DW-Hinterbau. Im Shuttle AM bietet er 148 Millimeter Hub, die über den Fox Float X-Luftdämpfer abgerufen werden. Der Hinterbau funktioniert überragend, das muss man sagen, er saugt kleine Unebenheiten gekonnt auf und offeriert zugleich massig Popp, damit man sich in die Luft befördern kann. Damit trifft das heutige Pivot Shuttle AM den Sweetspot perfekt: Es ist handlich genug, um auf dem Hometrail richtig Spaß zu machen. Und zeigt dennoch genug Nehmerqualitäten für Highspeed im Enduro-Gerumpel. Teil des Geheimnisses ist auch: Dank fest verbautem Akku ist der Carbon-Flitzer eines der leichtesten Bosch-CX-Bikes am Markt. Unter 22 Kilo wiegt das Topmodell mit 750er-Akku! Doch leider super teuer!
Für ein Bosch-Bike richtig leicht und obendrein die perfekte Mischung aus Fahrspaß und Nehmerqualitäten. Das Shuttle AM ist ein extrem gelungener Allrounder – aber leider super teuer!
Optisch polarisiert das E-Bike von Lapierre wie vielleicht kein zweites Enduro am Markt. Der im Tretlager-Bereich aufgesetzte externe Akku erinnert an die E-MTB-Generationen, bevor die Industrie den Schwenk zur Systemintegration machte. Doch wer die Form hinter die Funktion stellt, wird kaum ein besseres E-Enduro finden. Lange Geo, hochwertigste Federelemente und eine ausbalancierte Geometrie, die Downhillpapst Nico Vouilloz höchst persönlich optimiert hat. Und die Rechnung geht auf. Das Fahrwerk ist enorm schluckfreudig und sensibel, das Handling genial: die Front ist dank der Gewichtsverteilung überraschend leicht, das Fahrverhalten erinnert trotz über 23 Kilo fast an ein Light-E-Bike. Dynamisch, präzise, ausgewogen: So wünschen wir uns das! Bergauf ist der Race-Motor in den beiden Topmodellen ein echter Spaßbringer, die Front steigt spät obwohl die Kettenstreben eher kurz sind. Ein echter Geheimtipp für Racer, die sich an der Optik nicht stören und das nötige Kleingeld haben.
Form follows function – das zieht keiner so konsequent durch wie Lapierre. Gelungenes Vollgas-Enduro!