Adrian Kaether
· 15.06.2024
Als BIKE-Tester und Redakteure für EMTB sind wir verdammt verwöhnt. Die besten Bikes und edelsten Parts gehören zum Alltag. Und die Auswahl an schmackigen Gefährten im Testkeller ist so groß, dass man kaum genug aufs Bike kommt, um alle Leckerbissen gebührend auszuprobieren. Ein Bike ist uns in den letzten Monaten dabei besonders im Kopf geblieben: Das Conway Ryvon LT 10.0. Das Light-E-MTB der Niedersachsen ist besonders vielseitig, denn es vereint tolle Nehmerqualitäten für Enduro-Ausflüge mit einem spaßigen Handling für den Hometrail. Der SX-Motor von Bosch erlaubt schnelle Boost-Ausflüge und steile Uphills - trotzdem bleibt das Bike mit unter 19 Kilo ein echtes Leichtgewicht.
Und das Konzept mit Schnellwechsel-Akku bringt kurze Trail-Runden mit minimalem Gewicht genauso aufs Menü wie ausgedehnte Tagestouren mit Zweit-Akku. On top kommt eine tadellose Ausstattung, an der wir wirklich nichts zu meckern haben. Da kam es gelegen, dass wir für unseren Dauertest noch auf der Suche nach einem Bike mit dem neuen SX-Antrieb von Bosch waren - und Conway uns das brandneue Light-Enduro frisch aus der ersten Serienlieferung reservieren konnte. Die spannende Frage: Hält sich die Begeisterung auch, wenn aus dem Test-Flirt eine echte Beziehung wird? Im EMTB-Dauertest finden wir genau das über die nächsten Monate heraus.
Das Conway wird von Boschs neuem Performance SX angetrieben, der bis zu 55 Newtonmeter und satte 600 Watt Spitzenleistung liefert. Für ein Light E-MTB ist das richtig viel Leistung. Allerdings: Der Bosch gibt die Spitzenwerte mit seiner speziellen Charakteristik erst bei sehr hohen Trittfrequenzen frei. Drückt man mit niedriger Trittfrequenz in technischen Anstiegen Steilstufen oder Wurzeln hinauf, kommt eher wenig Saft.
Die Energie für den Mini-Bosch kommt aus dem üblichen 400-Wattstunden-Akku, der beim Conway ganz einfach und ohne Werkzeug nach vorne aus dem Unterrohr geklappt werden kann. Bei Light E-MTBs eine echte Seltenheit. Um das Bike trotzdem so leicht wie möglich zu machen, geht Conway allerdings einen Kompromiss ein: Eine Ladebuchse gibt es nicht am Bike, der Akku muss zum Laden immer raus. Auch den Range-Extender PowerMore kann man so am Conway nicht verwenden. Für lange Touren hat uns Conway deswegen einen zweiten Akku zur Verfügung gestellt. Der habe im Vergleich mit dem Range Extender sowieso das bessere Verhältnis aus Leistung und Gewicht, so die Philosophie der Entwickler. Wie sich diese Lösung in der Praxis schlägt, werden wir im Dauertest herausfinden.
Bei der Ausstattung greift Conway für das Topmodell LT 10.0 nur auf beste Komponenten zurück, geht dabei aber zum Teil etwas ungewöhnliche Wege. Superleichte Carbon-Laufräder von Acros drücken trotz perfekter und pannensicherer Reifen (Assegai MaxxGrip, DHR II DD) das Gewicht der rotierenden Masse. Der Bremsanker TRP DH-R Evo sorgt mit 2,3 Millimeter dicken Scheiben nicht nur für ordentlich Power, sondern auch für eine tolle Standfestigkeit. Die Fox 36 statt der 38 in der Front soll etwas Gewicht sparen und sich komfortabler fahren, als das steifere Pendant. Auch die lange Dropper-Post Vecnum Nivo drückt das Gesamtgewicht, ohne Kompromisse beim Verstellweg einzugehen. 182 Millimeter lässt sich der Sattel auf Knopfdruck absenken. Srams X0 Transmission und der umfangreich einstellbare Float X2-Dämpfer von Fox, sowie ein Fizik-Sattel mit Carbon-Rails, ein Raceface-Carbon-Lenker und SQ-Lab Griffe machen das Bike komplett. Der Preis ist mit 9999 Euro empfindlich hoch, passt aber gut zur Luxus-Ausstattung.
Als Underdog rollte das Ryvon LT im Herbst 2023 in die Redaktion - und begeisterte uns auf Anhieb. Besonders der vielseitige Charakter und die spaßigen Fahreigenschaften haben sich bei der EMTB Testcrew manifestiert. Daran hat sich auch nach den ersten Runden auf unserem Dauertest-Bike aus der Serienproduktion nichts geändert. Die moderne Sitzposition, zentral im Bike, ist im Gelände angenehm. Trotz langem Reach fällt sie nicht zu sportlich aus. Und auf dem Trail macht das gelungene Handling einfach Spaß.
Von den 170 Millimetern Hub und der durchaus extremen Geometrie darf man sich dabei nicht täuschen lassen. Das Ryvon LT braucht keine fiesen Steilabfahrten und Rumpel-Downhills, um in Schwung zu kommen. Eher im Gegenteil: Richtig brillieren kann es auf anspruchsvollen, aber eher kurvigen und verspielten Kursen. Hier gehen die ausgewogene Geometrie und das gelungene Fahrwerk in einem Wohlfühl-Handling auf. Dank der leichten Laufräder beschleunigt das Bike spritzig und lässt sich leichtfüßig von einem Turn in den nächsten werfen. Fahrspaß wird hier groß geschrieben! Und die exzellente Ausstattung lässt einen nicht so schnell im Stich.
Doch wir mussten an unserem Liebling auch schon Hand anlegen. Beim ersten ernsthaften Geländeeinsatz während dem Bike Festival in Riva del Garda erforderte ein gelockertes Transmission-Schaltwerk einen kurzen Schraubereinsatz. Vermutlich, weil das Schaltwerk nicht mit den vorgeschriebenen 30 Newtonmetern angezogen war, lockerte sich die Verbindung mit dem Rahmen. Das Schaltwerk rotierte unbemerkt etwas nach vorne und kollidierte bei Schaltvorgängen mit der Kassette. Ein Problem, das wir bereits öfter bei Testbikes mit den neuen Direct-Mount-Schaltwerken von Sram erlebt haben. Schwierig: Mit dem Mini-Tool am Trail-Rand bekommt man das erforderliche Drehmoment von 30 Newtonmetern nur schwer auf die Schraube.
Nächste Kleinigkeit: Nach den ersten 250 Kilometern hatte sich eine Schraube am Lager des Umlenkhebels gelockert. Das hinterließ klackernde Geräusche. Zum Glück, denn so blieb das Spiel nicht unbemerkt. Einmal sauber angezogen, und das Problem war beseitigt. Schnell erkannt und richtig behandelt waren diese zwei Macken kein ernsthaftes Problem. Bleiben solche Montage- und Einstellungswehwehchen jedoch unerkannt oder werden nicht richtig beseitigt, können sie Folgeschäden nach sich ziehen. Das zeigt, wie wichtig eine Erstinspektion oder ein regelmäßiger Check im privaten Schrauberkeller bei einem neuen Mountainbike ist.
Wir versorgen Euch regelmäßig mit Updates aus dem harten Leben des Conway Ryvon LT 10.0, das sich in allen Lebenslagen beweisen muss. Vom Pendelbetrieb, über schnelle Home-Trail-Runden bis hin zu zehrenden Alpenausflügen.