Leichte E-MTBs, vor allem leichte E-Enduros, haben eine große Gemeinsamkeit. Sie sind oft richtig teuer. Nur so können Hersteller wie Specialized, Trek oder Simplon trotz dicker Federelemente und Reifen die Rekordgewichte realisieren, die diese Bike-Gattung auszeichnen. Was aber, wenn sich preisattraktivere Hersteller wie Conway am Light-Enduro versuchen? Mit 6499,95 Euro ist das Einstiegsmodell Ryvon LT 4.0 nicht gerade günstig, aber führt auch nicht gleich in die Privatinsolvenz. Andererseits: Ist das mit 20,7 Kilo dann überhaupt noch Light? Und welche Abstriche muss man in der Praxis machen?
In den EMTB-Tests war das Conway Ryvon bereits ein alter Bekannter. Schon im letzten Herbst begeisterte uns das Topmodell Ryvon LT 10.0 mit seinem Mix aus geringem Gewicht und starken Fahreigenschaften. So sehr, dass wir das Rad gleich zum Dauertest verhafteten. Und im letzten Light-Test fuhr das günstige All Mountain Ryvon ST 4.0 um den Testsieg mit. Hier nun das Enduro in der Einstiegsvariante. Das Ryvon LT 4.0 teilt sich dabei mit seinen Geschwistern die durchaus extreme Geometrie. Auch den Ansatz, beim SX-Motor den Ladeport aus Gewichtsgründen einzusparen, darf man kompromisslos nennen. Dafür kann der Akku beim Conway schnell und ohne Werkzeug aus dem Bike genommen werden – für Light-E-MTBs keine Selbstverständlichkeit. Bei der Ausstattung investiert Conway vor allem in den leichten Carbon-Rahmen und das Fox-Fahrwerk sowie in griffige Reifen. Die NX-Schaltung und die Sun-Ringlé-Laufräder fallen eher günstig aus.
Unter den Motoren (hier der große Testüberblick), ist der leichte Bosch Performance Line SX im Conway klar ein Spezialist. Für kurze Zwischensprints liefert der Motor fast die Power eines großen 85-Newtonmeter-Aggregats, saugt dann aber natürlich entsprechend am Akku. Das Drehmoment untenrum und damit auch die Leistung bei niedriger Trittfrequenz fallen aber mager aus. Zudem wird der Motor bei Vollgas schnell heiß und drosselt die Leistung dann spürbar. In unseren Reichweitentests war dieser Effekt bereits nach 10 Minuten unter Volllast zu spüren - auch bei moderaten Außentemperaturen um 20 Grad.
Dafür überzeugt der kleine Bosch mit einem tollen Fahrgefühl. Er hängt supersensibel am Fuß und spricht feinfühlig an, der Extended-Boost im E-MTB-Modus hilft über manche Steilstufe bergauf. Radikal: Einen Ladeport verbaut Conway beim Ryvon nicht. Das macht das Chassis etwas leichter und weniger aufwändig. Der Akku kann dafür leicht aus dem Bike genommen werden. Klappe auf und den Akku per Knopfdruck entsichern, dann kann die Batterie schon aus dem Unterrohr genommen werden. Besonders wichtig, schließlich muss der Akku zum Laden jedes Mal raus. Ein echtes Display hat das Conway übrigens nicht. Der System-Controller auf dem Oberrohr zeigt aber U-Stufe und Akkustand in 10-Prozent-Schritten über farbige LEDs an.
Gerade der superflache Lenkwinkel zeigt die sportliche Auslegung des Conway Ryvon LT 4.0. Hier muss man aktiv Druck auf die Front bringen! Die restlichen Werte sind eher gemäßigt, der Radstand fällt wegen der flachen Front trotzdem lang aus. Das sorgt für Laufruhe, macht das Bike in langsamen und engen Passagen aber etwas sperriger.
Da viel Geld für das Vollcarbon-Chassis draufgeht, muss Conway bei der Ausstattung Abstriche machen. Die Produktmanager beweisen hier aber ein gutes Händchen. So wird in Top-Reifen von Schwalbe und ein gutes Fox-Fahrwerk investiert. Laufräder und Schaltgruppe fallen eher einfach und schwer aus. Griffe von SQ Lab und ein ergonomischer Sattel von Fizik sind schöne Details.
Bergauf sitzt man ausgewogen auf dem Conway. Der steile Sitzwinkel trifft die Mitte zwischen kompakt und gestreckt recht gut. Werden die Anstiege anspruchsvoll, ist das Ryvon LT 4.0 trotzdem nicht ganz leicht zu beherrschen. Der SX-Motor will auch in Schlüsselstellen permanent auf Drehzahl gehalten werden, sonst fehlt ihm die Leistung. Die Front wird beim Conway aber auch mit wenig Drehmoment vom Motor spürbar leicht und der flache Lenkwinkel kippt bei langsamer Fahrt deutlich ab. Auf flowigen Trails bringt der dynamische und drehfreudige Antrieb dafür viel Fahrspaß und lässt das Conway auch mal lässig auf dem Hinterrad aus engen Ecken beschleunigen. Die Reichweite liegt für Light-Bikes im Mittelmaß. Bei Touren mit deutlich über 1000 Höhenmetern muss man aber einen zweiten Akku (schnell wechselbar) oder einen ausführlichen Ladestop einplanen.
Für uns die entscheidende Frage: Kann ein Light-Bike mit über 20 Kilogramm überhaupt noch den Handling-Vorteil ausspielen, für den diese Bike-Gattung geschaffen wurde? Das Conway liefert die Antwort schon auf den ersten Metern. Leicht lässt es sich in den Bunnyhop oder in den Manual ziehen. Auf Flowtrails und flachen Strecken fährt sich das Ryvon spürbar spritzig und leichtfüßig. Auch wenn von handlich bei dem flachen Lenkwinkel und üppigen Radstand sicher keine Rede sein kann. Die extreme Geometrie bekommt man besonders in engen Ecken zu spüren, wo das Conway mit Nachdruck dirigiert werden will und nur wenig passive Fahrsicherheit vermittelt. Auf schnellen Strecken ist das Ryvon dafür in seinem Element. Kritik gibt’s höchstens dafür, dass der gut abgestimmte Hinterbau die einfache Rhythm-Gabel deutlich in den Schatten stellt. Dennoch: Wer es bergab auf der direkten Linie stehen lassen will, ist hier an der richtigen Adresse. Nur das laute Klappern trübt den ansonsten gelungenen Gesamteindruck.
Das Conway Ryvon LT 4.0 ist auch in der günstigsten Variante ein sportliches E-Enduro mit racigem Touch. Der flache Lenkwinkel und die moderne Geometrie verlangen nach einem geübten Piloten. Dann bringt das E-Bike aber viel Highspeed-Potenzial und Fahrspaß. Leider bergab etwas laut.