Test-Duell um die Welt - EnglandAtherton AM.150.1 versus Hope HB916

Jan Timmermann

 · 11.06.2023

Duell Atherton AM.150.1 (vorne) gegen Hope HB916
Foto: Max Fuchs
Zwischen English Breakfast und Teatime erfanden britische Ingenieure nicht nur die Dampfmaschine, sondern auch so manch spannendes Bike. Mit dem Atherton AM.150.1 und dem Hope HB916 haben wir zwei der populärsten Enduro Bikes zum Duell gebeten.
BIKE-Duell um die Welt: In unserer neuen 
Serie kämpfen je zwei Bikes aus einem Land um 
den Testsieg. Zum Auftakt stehen sich die Enduros 
Atherton AM.150 und Hope HB916 gegenüber.Foto: BIKE MagazinBIKE-Duell um die Welt: In unserer neuen Serie kämpfen je zwei Bikes aus einem Land um den Testsieg. Zum Auftakt stehen sich die Enduros Atherton AM.150 und Hope HB916 gegenüber.

Alle Themen in diesem Test-Duell:


Rachel, Dan und Gee Atherton

Vom exotischen Sportwagen bis zum Hovercraft wurde in Großbritannien bereits allerlei Nützliches und Skurriles ertüftelt. Stets begleitet von einer gesunden Prise britischen Humors und großer Leidenschaft für die eigenen Ideen. Besonders für große Erfindungen aus kleinen Schuppen ist der Inselstaat berühmt. So war es auch bei der vielleicht schnellsten Familie der Bike-Welt. Dank der Worldcup-Erfolge der drei Geschwister Rachel, Dan und Gee kennt die ganze Szene den Namen Atherton.

Mit dem Wunsch nach Veränderung verließen sie 2019 die Worldcup-Bühne und kehrten kurze Zeit später nicht nur mit einem eigenen Rennteam, sondern gleich mit einer eigenen Bike-Firma zurück. Dans ehemaliger Mechaniker Ed Haythornthwaite hatte sich unter dem Label Robot Bikes auf Carbon-Rahmen mit Titan-Muffen spezialisiert und seine Firma mit dem Geschwister-Trio fusioniert. Seit 2022 können auch Nicht-Racer die Serienmodelle von Atherton Bikes direkt aus dem walisischen Machynlleth bestellen.

Die Firma Hope

150 Meilen weiter nördlich liegt in der englischen Grafschaft Yorkshire eine kleine Gemeinde, welche den Liebhabern farbig eloxierter und CNC-gefräster Bikeparts schon länger ein Begriff ist. In Barnoldswick laufen die Fräsmaschinen bereits, seit zwei ehemalige Rolls-Royce-Ingenieure 1991 die Firma Hope gegründet haben. Anfangs beschränkte sich die Produktion auf Scheibenbremsen. Bald kam erst ein buntes Portfolio an Alu-Anbauteilen, dann ein erster Carbon-Lenker hinzu.

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Als Hope jedoch ankündigte, ein komplettes Bike auf den Markt zu bringen, versetzte das die Fans der englischen Fräskunst in freudige Erregung. Wer heute vor dem neuesten Modell HB916 steht, kann diese Aufregung nachempfinden. Das Race-Enduro mit High-Pivot-Hinterbau ist ein exquisites Puzzle aus Kohlenstoff und Aluminium. Hauptrahmen, Sitz- und Kettenstreben bestehen aus Carbon. Bei Wippe, Lagersitzen, Umlenkrolle und integrierter Kettenführung leben die Meister der Alu-Fräse ihre Paradedisziplin voll aus. Natürlich ist das HB916 über und über mit Hope-Parts behängt, bei denen Kunden aus den acht typischen Eloxalfarben wählen können – das gibt es so bei keinem anderen Komplettbike-Hersteller. Ein Flipchip ermöglicht den Mullet-Aufbau mit 27,5-Zoll-Hinterrad, und via Steuersatzeinsätzen lässt sich der Lenkwinkel variieren.

Hope HB916 - gefolgt vom Atherton AM.150.1Foto: Max FuchsHope HB916 - gefolgt vom Atherton AM.150.1

Test: Atherton AM.150.1 versus Hope HB916

Nicht weniger fesselnd ist der erste Eindruck des Atherton AM.150.1. Schlichte Rohre aus Mitsubishi-Carbon stecken in Muffen aus Titan. Volle 16 Stunden braucht ein 3D-Drucker, um die 3500 Schichten aus bis zu zehn Mikrometer kleinen Titan-Partikeln zu einem Satz Muffen zu verschweißen. Diese werden anschließend mit den Carbon-Rohren verklebt. Die Athertons haben in diese Verbindungsweise offensichtlich volles Vertrauen, denn sie testeten während der Entwicklung alle Modelle nicht nur im Labor, sondern auch selbst und nach Downhill-Standards – egal, ob Kunden-Trailbike oder Gees persönliche Rennmaschine. Die lebenslange Garantie erntet ordentlich Punkte, ebenso die hohe Wartungsfreundlichkeit des Rahmens, welcher bis auf das Tretlager und den Flaschenhalter vollständig auf Gewinde verzichtet.

Für das Atherton ist der Trail ein Spielplatz. Dagegen fährt sich das Hope wie ein ausgewachsenes Enduro.Foto: Max FuchsFür das Atherton ist der Trail ein Spielplatz. Dagegen fährt sich das Hope wie ein ausgewachsenes Enduro.

Füttert man auf der Atherton-Homepage den Rechner mit seinen Körpermaßen, schlägt ein Algorithmus zwei der insgesamt 22 möglichen Rahmengrößen vor. Eine intensive Beschäftigung mit der Größenwahl ist ratsam, denn ein Knick im Sitzrohr verhindert den vollen Sattelstützeneinschub und kann so bergab den Wohlfühlfaktor drosseln. Weil das Familienunternehmen unabhängig von Carbon- und Schmiedeformen ist, kann es aber auch individuelle Custom-Rahmen realisieren und in der Wunschkonfiguration zum Beispiel das Sitzrohr kürzen. Auf eine Möglichkeit zur Geometrieverstellung müssen Atherton-Fahrer jedoch verzichten.

Die unterschiedlichen Sitzpositionen

Im Sattel bietet das Atherton AM.150.1 eine ausgewogene Sitzposition. Das lange Steuerrohr und der hohe Riser-Lenker sorgen für eine entspannte Lastverteilung. Anders beim Hope HB916, das nominell eine Rahmengröße unter dem Atherton liegt: Hier schieben ein steilerer Sitzwinkel und die niedrige Front den Fahrer weit nach vorne. In der Folge klettert das Enduro-Bike mit angenehm viel Druck auf dem Vorderrad auch steile Rampen stoisch empor. Auf ebenen Pisten wirkt die kompakte Sitzposition aber etwas gedrungen. Vortriebseffizienz ist nicht die Paradedisziplin des High-Pivot-Bikes. Unter den Enduros unseres Vergleichstests aus BIKE 6/23 gehört das Hope trotzdem noch zu den guten Kletterern. Noch lebendiger zeigt sich das Heck beim Atherton. Ohne Plattformdämpfung steht es bergan wenig stabil im Federweg und wippt konstant. Kritik für beide Parteien: Trotz Hightech-Materialien landen beide Kandidaten deutlich oberhalb der 15-Kilo-Marke.

Die Bergab-Performance der Atherton und Hope Enduros

Sobald es bergab geht, spürt man, dass die Athertons etwas von Fahrwerken verstehen. Sensationell sensibel filtert das AM.150.1 Steine und Wurzeln aus dem Trail. Dabei fühlt sich der Federweg nach deutlich mehr an, als die von uns ermittelten 142 Millimeter. Etwas unterdimensioniert wirkt die Fox 36 im Vergleich zur Öhlins-Gabel mit massiven 38er-Standrohren am Hope. Weil die Athertons bei der Geometrie auf Extreme verzichten, zeigt das Bike im Enduro-Vergleich einen auffälligen Charakter. Sportlich und leichtfüßig animiert es den Piloten zu einem aktiven Fahrstil. In fähigen Händen mutiert das Atherton AM.150.1 schnell zum Spaß-Bike und zirkelt verspielt durch enge Kurse, ohne auf der Race-Linie Spurtreue vermissen zu lassen.

3D-gedruckte Muffen halten beim Atherton die Carbonrohre zusammen. | Max Fuchs3D-gedruckte Muffen halten beim Atherton die Carbonrohre zusammen. | Max Fuchs

Klassische High-Pivot-Fahreigenschaften derweil bei Hope HB916: Beim Einfedern längt sich der Hinterbau spürbar. So sorgt das System mit einer rückwärts gerichteten Raderhebungskurve für ein extrem laufruhiges Fahrgefühl bei hohen Geschwindigkeiten. Auch bergab erlaubt die niedrige Steuerzentrale eine sehr direkte Kontrolle über das Vorderrad. Gleichzeitig pflanzt das tiefere Tretlager den Fahrer besser ins Bike und verleiht in grobem Geläuf das höhere Sicherheitsempfinden. Zwar erfordert das Öhlins-Fahrwerk etwas mehr Zeit bei der Findung des richtigen Setups, dann aber überzeugen die schwedischen Weichmacher mit viel Traktion. Auch bei harten Schlägen verspringt das HB916 nicht, sondern flubbert satt und potent über große Brocken.

Laute Bremsen bei Hope und softe Reifen beim Atherton

Leider surren die starken Hope-Bremsen auf Grund des Scheibendesigns laut und durchschneiden die ansonsten britisch-kultivierte Geräuschkulisse. Zudem kann die Maxxis-Reifen-Kombi das Potenzial von Geometrie und Fahrwerk nicht ganz ausschöpfen. Besser wären eine weichere Mischung an der Front und mehr Pannenschutz am Heck. Hier punktet die griffig-softe Conti-Downhill-Bereifung am Atherton AM.150.1. Im direkten Vergleich zum Enduro-Ballermann von Hope fühlt sich das Atherton trotz dicker Schlappen aber nach einem leichteren Kaliber an und verlangt nach mehr Arbeit vom Fahrer.

Nicht Ton-in-Ton: Die Lager-Schrauben von Hope sind goldiger als das Material von Öhlins.Foto: Max FuchsNicht Ton-in-Ton: Die Lager-Schrauben von Hope sind goldiger als das Material von Öhlins.

Unterschiedliche Charaktere bei Testern und Testbikes

Am Ende spalten die unterschiedlichen Charaktere der Duellpartner die Meinungen der Tester wie der Brexit die Briten. Nach Punkten übertrumpft das souverän-erwachsene Hope HB916 aber deutlich das spaßig-direkte Atherton AM.150.1. Im groben Enduro-Einsatz schlägt ein sattes Hovercraft eben den quirligen Sportwagen.

Testfazit von Max Fuchs, BIKE-Testredakteur:

Atherton und Hope machen klar, dass britische Marken ihr Handwerk verstehen. Beide Enduro-Bikes sind technisch maximal faszinierend. Das AM.150.1 brilliert mit hochsensiblem Hinterbau und präzisem Handling. An die Abfahrkompetenzen des souverän-potenten HB916 kommt es jedoch nicht ganz heran.
Max Fuchs, BIKE-TestredakteurFoto: Thomas WeschtaMax Fuchs, BIKE-Testredakteur

Technische Daten und Noten zum Atherton AM.150.1

Herstellerangaben

  • Preis: 7505 Euro¹
  • Erhältlich beim Versender
  • Rahmenmaterial: Carbon/Titan
  • Rahmengröße: 1–22; 12 (getestete Größe 42 cm)

Messwerte

  • Gewicht o. Pedale: 15,42 kg
  • Rahmengewicht: 3359 g
  • Gewicht Laufräder: 5432 g
  • Beschleunigung Laufräder: 4477 kg x cm²
  • Lenkerbreite: 800 mm
  • Rahmensteifigkeit (absolut): 51 N/mm

Ausstattung

  • Laufräder: Stans Flow MK4
  • Reifen: Continental Kryptotal Fr/Re; Downhill Super Soft 29 x 2,40
  • Gabel: Fox 36 Float Factory FitGrip2
  • Dämpfer: Fox Float X2 Factory
  • Federweg vorne/hinten: 160/142 mm
  • Bremsen: Sram Code RSC / 200/180 mm
  • Schaltung: Sram X01 Eagle 1 x 12
  • Übersetzung / Bandbreite: 32; 10–50 / 500 %
  • Teleskopstütze / Hub / Ø: Fox Transfer Factory / 170 mm / 31,6 mm

Bewertung

  • Fahrverhalten bergauf: 16 von 20
  • Effizienz Fahrwerk: 14 von 20
  • Rollwiderstand: 6,5 von 10
  • Gewicht: 1,5 von 15
  • Trägheit Laufräder: 3 von 10
  • Flaschenhalter: 2,5 von 5
  • Fahrverhalten bergab: 36 von 40
  • Federung vorne: 22,5 von 25
  • Federung hinten: 23,75 von 25
  • Versenkbarkeit Sattel: 10 von 10
  • Bremsen: 13,5 von 15
  • Reifen-Grip: 14,25 von 15
  • Fahrstabilität: 4 von 10

GESAMT BERGAUF: 43,5 VON 80

GESAMT BERGAB: 124 VON 140

  • Sonstiges: 23,75 von 30
  • Wartungsfreundlichkeit: gut

BIKE-Testurteil²: sehr gut - 191,3 von 250 Punkten

Atherton AM.150.1Foto: Max FuchsAtherton AM.150.1

Technische Daten und Noten zum Hope HB916

Herstellerangaben

  • Preis: 8500 Euro
  • Erhältlich im Fachhandel
  • Rahmenmaterial: Carbon/Alu
  • Rahmengröße: H1, H2, H3, H4 (getestete Größe H2, 40 cm)

Messwerte

  • Gewicht o. Pedale: 15,47 kg
  • Rahmengewicht: 3158 g
  • Gewicht Laufräder: 5532 g
  • Beschleunigung Laufräder: 4499 kg x cm²
  • Lenkerbreite: 800 mm
  • Rahmensteifigkeit (absolut): 33 N/mm

Ausstattung

  • Laufräder: Hope Fortus 30 SC/Hope Pro 4
  • Reifen: Maxxis Assegai/Minion DHR II; 3C MaxxTerra Exo+ Protection TR 29x2,50
  • Gabel: Öhlins RXF38 m.2 HSC-LSC
  • Dämpfer: Öhlins TTX Air
  • Federweg vorne / hinten: 164 / 158 mm
  • Bremsen: Hope Tech4 E4 / 200/180 mm
  • Schaltung: Hope Evo / Sram GX Eagle 1 x 12
  • Übersetzung / Bandbreite: 32; 10–52 / 520 %
  • Teleskopstütze / Hub / Ø: One UP Dropper / 210 mm / 30,9 mm

Bewertung

  • Fahrverhalten bergauf: 18 von 20
  • Effizienz Fahrwerk: 16 von 20
  • Rollwiderstand: 8,5 von 10
  • Gewicht: 1,5 von 15
  • Trägheit Laufräder: 3 von 10
  • Flaschenhalter: 3,5 von 5
  • Fahrverhalten bergab: 38 von 40
  • Federung vorne: 23,75 von 25
  • Federung hinten: 23,75 von 25
  • Versenkbarkeit Sattel: 10 von 10
  • Bremsen: 15 von 15
  • Reifen-Grip: 12,75 von 15
  • Fahrstabilität: 2 von 10

GESAMT BERGAUF: 50,5 VON 80

GESAMT BERGAB: 125,3 VON 140

  • Sonstiges: 25,25 von 30
  • Wartungsfreundlichkeit: schlecht

BIKE-Testurteil²: sehr gut - 201 von 250 Punkten

Hope HB916Foto: Max FuchsHope HB916

¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.

²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend.

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