Florentin Vesenbeckh
· 05.03.2024
Das Rahmenmaterial des eFanes steckt bei Alutech im Firmennamen. Wer auf handgeschweißte Rahmen aus Deutschland, markante Schweißnähte und individuellen Charme steht, sollte sich die Kult-Brand aus Schleswig-Holstein definitiv genauer ansehen. Seit über zehn Jahren schweißt Jürgen Schlender im hohen Norden Deutschlands Enduro-Mountainbikes mit dem auffälligen STS-Hinterbaudesign. Die Konstruktion mit den massiven Sitzstreben hat auch die E-Version des Fanes geerbt, das einzige E-Bike aus dem Hause Alutech.
Ihr habt gewählt, welche Bikes wir testen sollen: Readers most wanted - die beliebtestem E-MTBs des Jahres! Unter diesem Motto haben wir aus den Vorschlägen unserer Leser die spannendsten E-Mountainbikes herausgesucht. Exotische Spezialisten, absolute Kassenschlager oder günstiges Discounter-Bike? Alle mussten sich dem objektiven EMTB Test in Labor und Praxis stellen. Eure Lieblinge von Alutech, Bulls, Cube, Haibike, Husqvarna, Olympia, Rockrider und Scott. Bereits erschienen sind folgende:
Die Vision hinter dem Alutech eFanes ist klar mit der Firmenphilosophie verknüpft: Trail-Gene und Abfahrtsspaß sollen den Alu-Boliden auszeichnen. Dafür gibt es 170 Millimeter Federweg und eine abfahrtsorientierte Geometrie. Für unseren Test schickte Schlender den Rahmen mit extrem flachem Lenkwinkel von 62,3 Grad – Rekord für ein E-MTB bei uns im Testlabor! Optional bietet Alutech auch eine Version mit gemäßigterem 64er-Lenkwinkel an. Das soll dem Bike mehr Tourengene und Agilität bringen. Auch sonst gibt Alutech viel Raum für Individualität. Rahmenfarbe, Ausstattung und sogar Motor (EP6, EP8, EP801) können im Online-Konfigurator nach persönlichen Vorlieben gewählt werden. Und die Entwicklung läuft munter weiter. So wird in Kürze ein neues Akku-Cover aus Carbon sowie ein neuer Hinterbau mit UDH verfügbar sein. Damit ist das Bike auch für die neueste Funkschaltung mit Direct Mount Sram Eagle Transmission bereit.
Mit dem Update auf den neuen Shimano EP 801 ist das eFanes leistungstechnisch voll auf der Höhe (zum Test des stärkeren Shimano EP 801). Der kompakte Shimano-Akku mit 630 Wattstunden (3,9 kg inkl. Alu-Cover) lässt sich bequem nach vorne aus dem Unterrohr klappen, liefert aber nur eine mäßige Reichweite. In Kürze soll der massive Alu-Deckel, der direkt am Akku verschraubt ist, auf Wunsch durch eine Carbonvariante ersetzt werden. A propos Wunsch: Der Kunde kann alternativ auch den “alten” und etwas schwächeren Shimano EP8 oder den günstigeren EP6 (Leistungsdaten wie EP8, aber etwas schwerer) im Konfigurator wählen. Dann wird das Bike insgesamt etwas günstiger.
Die Geometrie des Alutech eFanes ist außergewöhnlich. Der Reach ist kurz, der Lenkwinkel mit 62,3 Grad dafür extrem(!!) flach. Das ergibt einen langen, für ein E-Enduro aber nicht extremen Radstand. Die Hinterbaulänge lässt sich stufenlos verstellen, selbst die längste Option ist mit 442 mm kurz! Insgesamt fällt das Bike recht klein aus. Das gilt sowohl für den Reach, also die Position im Stehen, als auch für die Sitzposition. Denn der steile Sitzwinkel platziert den Fahrer richtig weit vorne im Bike. Im Zweifel würden wir eher zur größeren Größe raten.
Alternativ gibt´s das eFanes auch mit einem steileren Lenkwinkel von 64 Grad. Alutech setzt hier nicht auf eine Verstellmöglichkeit, sondern baut tatsächlich zwei unterschiedliche Rahmen. Schon die steileren 64 Grad sind flach und ein durchschnittlicher Wert für ein E-Enduro. Für die allermeisten Einsätze würden wir zu dieser gemäßigteren Variante raten. In unserem Test landete aber das progressive Modell mit superflachem Winkel.
Die Ausstattung des Bikes kann der Kunde im Online-Konfigurator komplett selbst wählen. Fahrwerk, Schaltung, Bremsen - und sogar Rahmen- und Decal-Farbe können sich E-Biker aus einem sinnvollen Angebot nach Wunsch herauspicken. Die Comp-Variante gibt´s so ab 5999 Euro. Für unseren Test schickte Alutech ein hochwertiges Modell mit Top-Ausstattung für satte 10 445 Euro. Das Fox-Factory-Fahrwerk ist mit 38er-Gabel und dickem X2-Dämpfer für wilde Abfahrten gewappnet. Geschaltet wird kabellos mit Srams Eagle AXS, allerdings noch in der “alten” Variante ohne Transmission-Technologie. Die neuesten eFanes sollen allerdings auch für die Direktmontage der Transmission-Schaltwerke vorbereitet sein. Auf den superleichten Carbon-Laufrädern von DT Swiss sitzen Maxxis-Reifen. Mit Exo+ bzw. Exo-Karkasse fallen die Pneus allerdings etwas schwachbrüstig für ein rassiges E-Enduro aus. Ansonsten gibt es an der Ausstattung - passend zum Preis - absolut nichts zu meckern.
Direkt beim Aufsitzen fühlt sich das Alutech eFanes kompakt an: Kurzer Reach, sehr steiler Sitzwinkel, so nimmt man in einer gedrungenen Position Platz. Bergauf macht sich die nach vorne geschobene Platzierung positiv bemerkbar – trotz kurzer Kettenstreben klettert das Bike gut, denn es lastet konstant Druck auf dem Vorderrad. An steilen Stichen wird die Front aber schon mal leicht, und dann bringt der extrem flache Lenkwinkel durch ein kippeliges Handling Unruhe in die Fahrt.
Positiv fällt im Uphill die sehr komfortable und vor Traktion strotzende Hinterbaufederung auf, und der neue EP801 schiebt schon bei geringem Fahrerinput kräftig an. So meistert man auch rumpelige Anstiege recht gelassen. Klar: Je länger man die Kettenstrebeneinstellung wählt, desto besser klettert das Bike. Wir sind die meiste Zeit ein mittleres Setup gefahren.
Auch in der Abfahrt fühlt sich das Bike eher klein an. Kurzer Reach, niedriger Stack: im Zweifel lieber zur größeren Größe greifen. Ein allzu wendiges Fahrgefühl will sich jedoch nicht einstellen. Trotz kurzer Kettenstreben lässt sich das Bike nicht ultimativ leicht aufs Hinterrad ziehen. Wer ein direktes und handliches Bike sucht, der wird mit dem Rahmen mit steilerem Lenkwinkel vermutlich glücklicher.
So liegt die Stärke des E-Fanes eher auf schnellen, ruppigen Kursen, wo das fluffige Fahrwerk, der lange Radstand und der flache Lenkwinkel punkten. Doch hier bleibt ein leicht entkoppeltes Fahrgefühl. Man steht eher obenauf als sicher integriert im Bike – dazu trägt auch das hohe Tretlager bei. Nach unserem Test des Bikes mit (extrem) flachem Lenkwinkel hätten wir uns die gemäßigte Variante (64 statt 62,5°) gewünscht. Und schon ab 180 Körpergröße macht es Sinn, über eine größere Größe nachzudenken.
Positiv fällt der schluckfreudige und traktionsstarke Hinterbau auf, der kleine wie große Schläge sehr souverän einebnet. Mit anspruchsvollen Enduro-Strecken nimmt es das Bike dadurch locker auf und kann selbst hier noch mit hohem Federungskomfort punkten. Auch die Fox 38 Factory Gabel mit der starken Grip2-Dämpfung in der Front spielt hier ihre Trümpfe aus. Die restliche Ausstattung mit Srams Top-Bremse Code Ultimate Stealth, ergonomischen Griffen und Sattel von SQ Lab und Srams Elektro-Klassiker GX AXS Zwölffach ist ebenso bewährt. Die High-End Carbonlaufräder HX 1501 von DT Swiss sind Qualitativ ein besonderes Highlight und verleihen dem Alutech gemessen an Federweg und Einsatzbereich ein spritziges Handling. Übrigens: Mit voller Freigabe nach der Downhill-Kategorie ASTM 5 muss man sich um die Haltbarkeit des Rahmens keine Sorgen machen. So wünschen wir uns das bei einem E-Enduro.
Mit seiner gebürsteten Alu-Optik, dem handgeschweißten Rahmen und den Individualisierungsoptionen sollte das E-Enduro bei Custom-Fans weit oben auf der Wunschliste stehen. Sehr stark ist die Hinterbaufederung. Wir würden aber zum Rahmen mit steilerem Lenkwinkel raten! - Adrian Kaether, Redakteur EMTB Magazin