Ausprobiert – altes Enduro gegen neues TrailbikeZurück in die Zukunft

Dimitri Lehner

 · 20.07.2025

Rüber über den Drop nach langer Keller-Pause: Trek Remedy von 2008. Laurin knipst den historischen Moment.
Foto: Max Fuchs
Das Enduro Trek Remedy war 2008 ein Testsieger, ein Bike, das man unbedingt haben wollte. Und heute? Reif für den Flohmarkt, meint Laurin. Immer noch gut, befindet Dimitri. Wer hat Recht? Wir haben es ausprobiert – und ließen das alte Trek Remedy 26 Zoll gegen ein nagelneues Trailbike von Commencal Tempo in 29 Zoll antreten – ein unfaires Duell!

Barak Obama wird US-Präsident, Britney Spears erlebt einen Nervenzusammenbruch, Finanzkrise lautet das Wort des Jahres, Film des Jahres ist Slumdog Millionaire und das Enduro Trek Remedy sahnt Bestnoten in unserem Vergleichstest ab – all das passierte 2008. 17 Jahre ist das nun her. Und jetzt stehen mein Bruder Laurin und ich vor genau diesem Trek Remedy von damals.

Ich: „Das Bike war der Inbegriff eines Enduros, leicht und potent, ein Gamechanger.“

Er: „Ne veraltete Kiste ist das, so oldschool wie die Skier von Ingemar Stenmark.“

Ich: „Wetten, dass du damit immer noch Spaß haben kannst?“

Er: „Vergiss es, das Ding willst du nicht mehr fahren, wetten?!“

Wir wetten um einen Eisbecher und verabreden uns im Bikepark Leogang.

Wenig später pumpe ich die alten Conti-Reifen des Trek auf – sie heißen “Mountainking” und sind über die Jahre hart und spröde geworden. Ich mustere das Superbike von damals und gehe unweigerlich auf Zeitreise. Das Trek Remedy eroberte im Sommer 2008 mein Biker-Herz. Es gefiel mir so gut, dass ich mir das Alu-Enduro mit seinen kantig hydrogeformten Rohren (Hydroforming war damals hip!) als sogenanntes Dauertest-Bike krallte und damit so einiges unternahm.

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Sprung in den Karpaten 2009: verliebt ins Trek Remedy, hier mit 180er-Gabel und Bling-Bling-Laufrädern von Crankbrothers.Foto: Faltermaier Franz[Image]Sprung in den Karpaten 2009: verliebt ins Trek Remedy, hier mit 180er-Gabel und Bling-Bling-Laufrädern von Crankbrothers.

Ich durchquerte mit dem Remedy z. B. die rumänischen Karpaten, fuhr Vulkan-Trails auf Island und ging auf Trailjagd in den Abruzzen. Natürlich tunte ich das Rad auch: Ich verpasste dem orangefarbenen Flitzer farblich passende 1000-€-Laufräder von Crankbrothers, rüstete auf 2fach-Kettenblatt um und mit einer Vario-Stütze nach (Vario-Stützen sind 2008 der neueste Schrei!) und steckte zeitweise die Edelgabel Idylle von BOS mit 180 Millimetern rein, um das 160er-Enduro noch mehr auf Freerider zu trimmen. Aber irgendwann stand es nur noch rum, dann gab ich es einem Freund als Dauerleihgabe.

Mein Aufschrei war laut, als der Freund nach Jahren sagte, er habe es für 100 Euro im Bikeshop in Zahlung gegeben. Es wäre alt und nicht mehr zu retten gewesen. „Bist du wahnsinnig? Hol es wieder zurück – das Bike war ein Testsieger und fährt sich immer noch super!“, sagte ich. Doch stimmt das wirklich?

Vergleichstest 2008: so wendig, so agil!
Foto: Wolfgang Watzke

Die Daten des Trek Remedy

  • Federweg: 160/160 mm
  • Lenkwinkel: 66,5°
  • Radstand: 1134 mm
  • Tretlagerhöhe: 360 mm
  • Gewicht: 12,9 kg
  • Reach: Fehlanzeige, so was misst man 2008 noch gar nicht. Wir messen jetzt – er beträgt: 392 mm (!).

Ja, das ist zwar ein 26-Zoll-Bike, doch Reach ist Reach und 392 Millimeter kommen mir so gedrängt vor als würde der Lenker meinen Bauchnabel berühren. Wie konnten wir früher damit fahren? Mehr noch: Spaß haben? Denn im Testbrief von 2008 attestieren wir dem Bike: „es vermittelt enorm viel Sicherheit bergab... ein echter Leichtfreerider“.

Laurin sucht als Duell-Gegner ein Trailbike von Commencal Tempo aus.

Die Daten des Commencal Tempo

  • Federweg: 140/125 mm
  • Lenkwinkel: 65.5°
  • Radstand: 1212 mm
  • Tretlagerhöhe: 350 mm
  • Gewicht: 14,5 kg
  • Reach: 450 mm

Jetzt geht’s los!

Laurin: Was für ne alte Kiste. Ich hoffe, der Typ bricht sich nicht den Hals mit seinem Remedy. Ich hätte wenigstens neue, fette, butterweiche Enduro-Reifen aufgezogen und nicht die schon grau verfärbten Conti „Trailking“. Nach all den Jahren ist der Gummi sicher hart wie Holz. Grip? Null!

Dimitri: In der Gondel kriege ich Zweifel. Jetzt sieht mein gutes, altes Trek Remedy nur noch alt aus. Was 2008 besonders schick anmutete – die Rahmenform, die Lackierung, die eloxierten Laufräder – wirkt nun nicht mal „retro“, sondern nur noch „out“. Selbst das Cockpit. Ich hatte irgendwann einen breiteren Lenker von Renthal mit einem Thomson-Stummelvorbau kombiniert. Doch der Thomson quetschte die Fahrposition noch stärker zusammen, also tauschte ich für dieses Duell zurück zum Orginal von Bontrager. Er schiebt den Lenker nun weit übers Vorderrad. Ob das mal ’ne gute Idee war? Laurin sitzt neben mir, und amüsiert sich. Kein Wunder! Mit ihm in der Kabine: das niegelnagelneue 29-Zoll-Trailbike Tempo von Commencal.

Jetzt geht’s runter!

Laurin: Der Typ ist voller Adrealin. „Check doch erst, ob alles schön festgezogen ist an dem alten Bock“, sage ich zu ihm. Doch er rollt schon los. Dabei hat das Remedy noch Schnellspanner filigran wie Pfauenfedern. Aber soll er ruhig vorfahren – ich hole ihn eh sofort wieder ein.

Dimitri: „Let’s f*#cking Go!“ Ich will’s wissen. Kann so schlimm doch nicht sein... ....ist schlimm! Alleine die Geräusche sägen an den Nerven. Die Kette peitscht über die Alustreben – Kettenführungen waren bei Enduros damals noch selten. Kling, klang, klong – dieses Blech-Konzert zermürbt mein Selbstvertrauen. Bereits auf der ersten Gratfahrt des Hangman I. fährt mir das Trail-Rodeo in die Arme. Auf seinen kleinen Laufrädern stolpert das Trek zu Tal und erzeugt Überschlagsängste – das kurze Rad lässt mich daher weit nach hinten rutschen. Damals hatte ich verkündet: „Größere Laufräder braucht niemand, 26 Zoll 4ever!“ – jetzt, in diesem Moment, kommen mir die Dinger lächerlich klein vor.

Erster Drop mit dem 17 Jahre alten Bike auf der Strecke Hangman in Leogang: große Augen und Popo weit nach hinten!Foto: Max FuchsErster Drop mit dem 17 Jahre alten Bike auf der Strecke Hangman in Leogang: große Augen und Popo weit nach hinten!

Jetzt wird’s rau!

Laurin: Dass ich mit meinem Bike viel schneller sein würde, war zu erwarten. Die großen Laufräder rollen und machen den knappen Federweg des Trailbikes wett. Die moderne Geometrie gibt Kontrolle. Dennoch: Gut festhalten lautet die Devise. Die Bikepark-Tracks sind auch für das Commencal „too much“. Umso erstaunter bin ich, wie Dimi auf seinem orangefarbenen Flitzer durch den Trail ballert.

Dimitri: Auch ich bin erstaunt. Nach dem ersten Schreckmoment arrangiere ich mich mit dem Oldie. Was das Fahrwerk nicht schluckt, müssen Arme und Beine schlucken, wenn die Laufräder stolpern, müssen die Augen eine sanftere Linie finden. Drops, Sprünge, Steil-Passagen – ja, ich hänge meist hinten. Vielleicht sind die alten Geometrien daran schuld, dass es mir auch heute nicht recht gelingen mag, nach vorne zu kommen in eine zentrale Fahrposition.

Gut festhalten! Mit Schwung durch den Wurzelsalat!Foto: Max FuchsGut festhalten! Mit Schwung durch den Wurzelsalat!

Jetzt wird abgerechnet!

Laurin: Mag sein, dass sich Dimi wieder an seine „Alte Liebe“ gewöhnt hat – das ändert nix an der Tatsache, dass alte Bikes wie das Trek Remedy von 2008 ausgedient haben. Kurzum: Wette gewonnen, der Eisbecher geht auf seine Kosten.

Dimitri:
Okay, ich seh’s ein: Wette verloren, den Eisbecher bezahle ich. Mein Fazit: Das „Schrumpf-Bike“ hat am Ende zwar einen gewissen Spaßfaktor erzeugt – doch das lag mehr an der sportlichen Herausforderung, es damit ins Tal zu schaffen. Die Entwicklungsschraube will man nicht zurück drehen – gut, dass wir heute auf größeren Laufrädern rollen, auf Bikes sitzen mit modernen Geometrien, Vario-Stützen, breiten Lenkern und Federelementen, die ihrem Namen gerecht werden. Also liebes Remedy, ab mit dir in deinen wohlverdienten Ruhestand!

Kennt sich mit Bikes aus wie kaum ein anderer: Peter DenkFoto: Laurin LehnerKennt sich mit Bikes aus wie kaum ein anderer: Peter Denk

Interview mit Peter Denk, Bike-Konstrukteur: „Leider nein!“

BIKE: Sind alte Kisten wie unser Trek Remedy von 2008 zu retten?

PETER DENK: Schwierig. Du kannst nur die Bikes retten, die ein extrem kurzes Sitzrohr haben und eine geringe Überstandshöhe. Vorausgesetzt, du fährst den Rahmen eine oder sogar zwei Nummern größer, denn nur dann kommst du auf einen erträglichen Reach-Wert.

Die meisten von uns werden wie ich ein altes Bike in ihrer Größe in der Garage haben – ich will ja kein „neues“ altes Bike in XL kaufen. Nein, dieses Trek Remedy in Medium (Reach: 392 mm).

Dann wird’s leider nix. Denn für den modernen Fahrstil brauchst du einen gewissen Reach. Nur wenn du den hin kriegst wie z. B. mit einem größeren Rahmen, kannst du das Bike retten. Außer du gewöhnst dir wieder den alten Fahrstil an. Doch wer will das? Das kann ich niemanden empfehlen, denn der zentrierte, moderne Fahrstil macht viel mehr Spaß. Niemand will mehr mit dem Arsch so weit hinten hängen wie damals.

Also ab auf dem Schrottplatz damit?

Seit 2008 ist zu viel passiert. Der Fahrstil hat sich komplett geändert. Früher hieß es: Arsch hintern Sattel. Heute: zentral auf dem Bike und runter! Diese zwei Fahrstile sind nicht kompatibel und daher auch die Bikes nicht. Das ist wie mit Skiern aus den 1980ern und Carving-Ski.

Mit alten Skiern fährt man wie der erste Mensch.

Genau. Und wenn ich auf ein altes Bike steige, dauert es bis ich einigermaßen zurecht komme. Gar nicht leicht, sich umzugewöhnen. Das werdet ihr auf dem Trek Remedy auch erlebt haben.

Wir konnten nicht fassen, wie man früher mit so einem kurzen Reach klar kam.

Das geht mir ganz genau so. Ich bin 1,80 Meter groß und jetzt bei 475 Millimeter angelangt. Guckt man sich alte Filmaufnahmen an, sehen selbst Worldcupper komisch aus wie sie auf ihren Bikes hängen. Da fragt man sich: „Sag mal, wie sind die damals denn gefahren!“ Doch die mussten so fahren – sie mussten den Körperschwerpunkt nach hinten verlagern, um nicht über den Lenker zu gehen. Heute haben die Bikes viel mehr Reach und flachere Lenkwinkel, dadurch ist der Aufstandspunkt des Vorderrads um Lichtjahre weiter vorne.

Was passiert, wenn ich in das Remedy eine 27,5er-Gabel stecke und Mullet draus mache?

Das frisst noch mehr Reach und du sitzt noch gedrängter drauf. Doch ich habe einen Tipp! So ein altes Bike, umgerüstet auf Mullet, kann ein wirklich gutes Bike für Jugendliche oder kleine Leute sein. Sogar besser als was man momentan für kleine Leute kaufen kann. Voraussetzung: ein sehr niedriges Sitzrohr.

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