7 Highend-Enduros im TestDie richtigen Geräte mit der Lizenz zum Ballern

Peter Nilges

 · 12.05.2025

Das Transition im Flugmodus.
Foto: Max Fuchs
Der Begriff „Enduro“ ist dehnbar. Von Grenzgängern mit 150 Millimeter Federweg über klassische Race-Enduros bis hin zu 180-Millimeter-Geschossen mit Freeride-Ambitionen ist alles dabei. Doch welches Bike hat das Zeug zum Überflieger? Sieben abwechslungsreiche Enduros von Forestal, Lapierre, Merida, Norco, Propain, Scott und Transition im Labor- und Praxistest.

Darf’s vielleicht ein bisschen mehr sein? Was an der Wursttheke gilt, kann doch auch für ein High-End-Enduro nicht schlecht sein, dachten wir uns bei der Zusammenstellung dieses Testfelds. Schließlich rumpeln Enduro-Biker nicht selten über heftig austeilende Steinfelder oder liebäugeln mit wilden Freeride-Missionen. Gleich zwei Bikes in diesem Vergleich (Lapierre Spicy und Propain Spindrift) sollten mit stolzen 180 Millimetern Federweg für derartige Einsätze gut gerüstet sein. Am anderen Ende des Spektrums stehen das Norco Sight und das Transition Sentinel mit 160 Millimeter vorne und 150 Millimeter am Hinterbau. Dazwischen platzieren sich das brandneue Forestal Siryon, das Merida One-Sixty und das Scott Ransom in der goldenen Mitte. Preislich bewegen sich unsere High-End-Boliden zwischen 6999 und 9999 Euro.

Diese Bikes haben wir getestet

Mehr ist mehr

Auf dem Papier wirken die 10 bis 20 Millimeter mehr an Federweg zwar marginal, der Effekt ist dennoch eindeutig spürbar. „Das Propain pflügt einfach am souveränsten durch das Steinfeld und lässt am meisten Geschwindigkeit zu“, fasst Christian Textor nach diversen Test-Runs zusammen. Der mehrfache Deutsche Meister im Enduro unterstützte uns beim Praxistest in Finale Ligure und führte unsere Testkandidaten mit routinierter Hand in den Grenzbereich. Sobald es steil und rau zur Sache geht, ist jeder Millimeter zusätzlich ein echter Gewinn und bringt Ruhe ins Fahrwerk. Lediglich in flachen und zahmeren Passagen zeigt sich die Schattenseite des langen Hubs.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Wo beim Norco und vor allem beim Transition noch ein leichtes Pushen genügt, um die Geschwindigkeit vor der nächsten Kehre zu konservieren, verpufft bei Propain und Lapierre viel der Energie in der Federung und den fetten Reifen. Hier geht es zwangsläufig etwas indirekter und träger zur Sache. Auch aktives Springen erfordert mehr Einsatz vom Fahrer. Doch schon 15 bis 20 PSI mehr im Dämpfer gleichen diesen Nachteil nahezu aus und erhöhen den Gegendruck spürbar. Auch vom Gewicht her schlagen die beiden Langhüber nicht über die Stränge und fügen sich unauffällig ins Testfeld ein.

Das Norco war eines der handlichsten Enduros im Vergleich.Foto: Max FuchsDas Norco war eines der handlichsten Enduros im Vergleich.

Zu hart, um schnell zu sein

Während sich die Unterschiede bei Gewicht und Lenkwinkeln mit rund 1,3 Kilo respektive 1,1 Grad in Grenzen halten, gibt es doch gravierende Differenzen innerhalb des Testfelds zu entdecken. Insbesondere das Fahrgefühl in Kurven und rauen Passagen unterscheidet sich von Modell zu Modell zum Teil sehr deutlich. Während Bikes wie das Forestal oder auch das Norco gerade in Schräglage auffallend viel Grip generieren und sich nahezu gelassen über den Trail dirigieren lassen, geizen andere wiederum mit Komfort, verspringen und erschweren das Halten der Linie.

Unsere Steifigkeitsprüfung im BIKE-Labor, in der wir Hauptrahmen und Hinterbau isoliert voneinander messen können, bestätigt das Fahrgefühl und quantifiziert die Eindrücke der Tester. So ist der Hinterbau des Scott Ransom um ganze 78 Prozent steifer als das Heck des „weichsten“ Kandidaten. Selbst am Hauptrahmen liegen die Unterschiede bei über 40 Prozent. „Das Scott fährt sich zwar sehr direkt und präzise, aber auf Dauer auch viel zu anstrengend, und es bestraft jede noch so minimal unsaubere Linienwahl“, gibt Texi zu Protokoll. Unsere Messungen zeigen, dass es im Bereich der Rahmensteifigkeit noch deutliches Entwicklungspotenzial gibt, um das Fahrgefühl zu optimieren. Und sie stellen klar: Was an der Wursttheke gilt, lässt sich nicht unbedingt auf ein High-End-Enduro übertragen.

BIKE-Messwerte

Für nachvollziehbare Testurteile gleichen wir die Praxiseindrücke aller Kandidaten mit den objektiven und reproduzierbaren Ergebnissen aus unserem Testlabor ab.

Trägheit der Laufräder

Die Trägheit der Laufräder spiegelt sich direkt im Antritt und im Handling eines Bikes wider. Bei der Labormessung werden Vorder- und Hinterrad inklusive Bremsscheiben, Kassette und Reifen vermessen. Den Löwenanteil an der Trägheit besitzt der Reifen, der am weitesten vom Drehpunkt (Nabe) entfernt ist. Bikes mit Mullet-Bereifung, also kleinem 27,5-Zoll-Laufrad hinten, wie Merida und Lapierre, profitieren bei der Beschleunigung und kommen leichter in Schwung. Mit soliden Reifen und schweren Laufrädern landet das Forestal auf dem letzten Rang. Das bedeutet, es reagiert zäh bei Sprints, ist dafür aber auch sehr gutmütig und wenig nervös im Downhill.

Die Rahmensteifigkeit liefert wichtige Daten zum Fahrverhalten.Foto: Georg GrieshaberDie Rahmensteifigkeit liefert wichtige Daten zum Fahrverhalten.

Wie steif muss ein Rahmen sein?

Neben der Geometrie und der Funktion des Fahrwerks hat die Rahmensteifigkeit einen entscheidenden Einfluss auf das Fahrverhalten eines Mountainbikes und ist damit die wichtigste Messung bei BIKE. Wo früher noch galt: Je steifer, desto besser, hat sich die Erkenntnislage stark geändert. Da ein Mountainbike im rauen Gelände bewegt wird, geht es um das Zusammenspiel aus Präzision einerseits, gleichzeitig aber gewünschtem Komfort. Unsere Labormessung zeigt nicht nur, wie steif ein Rahmen ist, sondern auch die Verteilung, ob sie von vorne oder hinten kommt. Während Gewichte und Geometrien recht eng beieinanderliegen, offenbart diese Messung extreme Unterschiede innerhalb der Testgruppe. 43 Prozent beim vorderen Rahmendreieck und 78 Prozent am Hinterbau untermauern die zum Teil starken Unterschiede im Praxistest. Durch die hohe Steifigkeit am Heck fährt sich das Scott zu hart und ermüdend.

Die Rahmensteifigkeiten im Überblick. Das Diagramm zeigt die Seitensteifigkeit in N/mm getrennt für das vordere Rahmendreieck inkl. der verbauten Gabel (vorne) und dem Hinterbau (hinten). Während es beim Gesamtgewicht recht eng zugeht, gibt es bei der Rahmensteifigkeit mit bis zu 78 Prozent wirklich extreme Unterschiede.Foto: BIKE-MagazinDie Rahmensteifigkeiten im Überblick. Das Diagramm zeigt die Seitensteifigkeit in N/mm getrennt für das vordere Rahmendreieck inkl. der verbauten Gabel (vorne) und dem Hinterbau (hinten). Während es beim Gesamtgewicht recht eng zugeht, gibt es bei der Rahmensteifigkeit mit bis zu 78 Prozent wirklich extreme Unterschiede.Texi, der Deutsche Meister im Enduro, unterstütze uns beim Test in Finale Ligure. | Max FuchsTexi, der Deutsche Meister im Enduro, unterstütze uns beim Test in Finale Ligure. | Max Fuchs

Bei unserem Praxistest in Finale Ligure unterstützte uns der mehrfache Deutsche Enduro-Meister Christian “Texi” Textor. Neben ausgiebigen Shuttle-Runs zum Ausloten der Abfahrts-Performance standen auch technische Uphills auf dem Programm. Alle Testbikes wurden von insgesamt vier Fahrern gefahren und bewertet.

1 Servicefreundlichkeit: Wie gut ist der Rahmen geschützt, und wie leicht lässt sich das Bike warten. Rahmensteifigkeit: Seitensteifigkeit in N/mm getrennt für das vordere Rahmendreieck inkl. der verbauten Gabel (vorne) und dem Hinterbau (hinten). 2 Die BIKE-Note setzt sich aus Praxiseindrücken der Testfahrer und Labormesswerten zusammen. Die Note ist preisunabhängig. Notenspektrum: 0,5–5,5, analog zum Schulnotensystem.Foto: BIKE-Magazin1 Servicefreundlichkeit: Wie gut ist der Rahmen geschützt, und wie leicht lässt sich das Bike warten. Rahmensteifigkeit: Seitensteifigkeit in N/mm getrennt für das vordere Rahmendreieck inkl. der verbauten Gabel (vorne) und dem Hinterbau (hinten). 2 Die BIKE-Note setzt sich aus Praxiseindrücken der Testfahrer und Labormesswerten zusammen. Die Note ist preisunabhängig. Notenspektrum: 0,5–5,5, analog zum Schulnotensystem.BIKE-Testleiter Peter NilgesFoto: Max FuchsBIKE-Testleiter Peter Nilges

Fazit Peter Nilges, BIKE-Testleiter

Newcomer Forestal schnappt sich den Testsieg vor dem Federwegs-gewaltigen Propain Spindrift. Die beiden kurzhubigen Bikes von Norco und Transition halten sich im guten Mittelfeld und bieten zusammen mit dem Scott das beste Uphill-Verhalten, was den Einsatzbereich angenehm vergrößert.

So testet BIKE

Der BIKE-Test ist eine Symbiose aus umfangreichen Praxistests und aussagekräftigen Labormessungen. Erst das Zusammenspiel beider Quellen lässt eine vergleichbare und objektive Beurteilung zu. Je nach Kategorie greift BIKE gerne auf Promi-Unterstützung im Praxistest zurück. Um Mountainbikes objektiv zu beurteilen, treiben wir bei BIKE einen beispiellosen Aufwand. Diese Kriterien sind ausschlaggebend für die Bewertung:

Fahrverhalten

Der wichtigste Punkt im Bewertungssystem macht bei Fullys 65 Prozent der Endnote aus. Wir unterscheiden, wie gut sich ein Bike bergauf und bergab fahren lässt und wie das Fahrwerk entsprechend arbeitet. Bergauf bewerten wir zum einen die Geometrie: Passt der Komfort? Stimmt die Kraftübertragung, und übersteht man auch lange Tage im Sattel? In technischen Uphills gibt es Strafpunkte für ein früh steigendes Vorderrad und mangelnde Kon­trolle in Schlüsselstellen. Zum anderen urteilen wir über die Effizienz des Fahrwerks. Abzüge gibt’s für starkes Wippen beim Pedalieren. Features wie eine effektive Plattform, ein Lockout oder eine Lenker-Remote werden von unserem Punktesystem wiederum belohnt.

Auch wichtig: Erzeugt der Hinterbau auch unter Kettenzug gute Traktion, ohne tief einzusacken? Die Spieltrieb-Wertung ist dem Fahrspaß gewidmet. Hier punkten handliche Bikes mit spritzigem Handling. Modelle mit hohem (Laufrad‑)Gewicht, trägen Fahrwerken und sperrigen Geometrien sind hier im Nachteil. Bei der Downhill-Wertung unterscheiden wir zwischen den Fahreigenschaften, der Geometrie und den Fahrwerks-Qualitäten. In der ersten Kategorie legen wir besonderen Wert auf die Fahrposition: Steht man gut integriert im Bike, lässt es sich intuitiv steuern, und wie viel Sicherheit vermittelt die Geometrie im steilen Gelände oder bei hohen Geschwindigkeiten? Zum Punkt Fahrwerk zählen Schluckvermögen und Ansprechverhalten der Federelemente: Harmonieren Front und Heck, fangen Gabel und Dämpfer auch schnelle Schlagabfolgen ab, und generiert der Hinterbau selbst unter Bremseinflüssen gute Traktion?

Laborwerte

Das Gesamtgewicht und die Laufradträgheit machen insgesamt 10 Prozent der Gesamtnote aus. Um uns bezüglich der Geometrie nicht auf die Werte der Hersteller und in puncto Steifigkeit nicht auf das Bauchgefühl eines Einzelnen verlassen zu müssen, ermittelt unsere Labor-Crew Rahmensteifigkeiten (Seite 47) und exakte Geometriedaten.

Ausstattung

Hinter den 25 Prozent verbergen sich insgesamt fünf Bewertungskriterien. Neben der Qualität der Komponenten und Anbauteile bewerten wir Dinge, die für den Fahrer einen Mehrwert schaffen. Das kann beispielsweise ein integriertes Tool oder ein Lenkanschlagsbegrenzer sein. Zusätzlich honorieren wir die Größe der Trinkflasche, die am Rahmen transportiert werden kann, die Versenkbarkeit des Sattels sowie letztendlich die Qualität und Verarbeitung des Rahmens.

Servicefreundlichkeit

Eine Ampel in der Punktetabelle gibt Auskunft darüber, wie leicht Service- und Wartungsarbeiten am Bike erledigt werden können. Grün steht für eine gute Servicefreundlichkeit, Orange für eine mittlere, und Rot warnt vor Stress beim Schrauben. Dabei bewerten wir die Zugverlegung, wie leicht das Tretlager und der Steuersatz getauscht werden können, ob der Rahmen an Problemzonen (Kettenstrebe, Unterrohr etc.) ausreichend geschützt ist und ob ein universelles Schaltauge spezifiziert wurde.

Die neue Spinne

Welche Stärken und Schwächen und damit welchen Charakter ein Bike hat, zeigen wir auf einen Blick mit dem neuen Spinnendiagramm. Grundsätzlich gilt: Je größer die farbige Fläche, desto besser das Bike. Aber auch die Bewertung in den einzelnen Kriterien wird hier sichtbar. Die Gewichtung passen wir dabei je nach Bike-Kategorie an. So werden wir den unterschiedlichen Anforderungen an zum Beispiel Freeride- oder Trailbikes gerecht. Der Vortrieb setzt sich aus dem Gesamtgewicht und der Laufradbeschleunigung zusammen.

Meistgelesen in der Rubrik Fahrräder