Mountainbiken an sich ist schon ein kostspieliges Hobby. Richtig teuer wird es, wenn man noch ein „E“ davorsetzt. Zumindest war es so in den vergangenen Jahren. E-Mountainbiken hatte sich insbesondere über die Corona-Jahre zum elitären Hobby entwickelt. Unter 4000 Euro waren vollgefederte E-Mountainbikes noch nicht einmal auf der Resterampe zu ergattern. Dank gieriger Nachfrage und bedingter Lieferfähigkeit saßen Hersteller und Händler am längeren Hebel und konnten die Preisschrauben so festdrehen, bis, ja bis …. Nach fest kommt bekanntlich ab, und mit dieser Situation muss sich die Branche nun auseinandersetzen.
Der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt schmerzt auf der einen Seite, auf der anderen Seite dürfen sich die Kunden nun die Hände reiben. Schnäppchen werden nicht nur in den Schaufenstern und Websites der Online-Shops gesichtet, auch die regelrechten UVPs der Hersteller werden momentan eiligst an die Nachfrage angepasst. Insbesondere wenn Modellwechsel anstehen, sind momentan fette Rabatte zu ergattern. Vollgefederte E-Mountainbikes um 4000 Euro? Sind nun gar kein Problem mehr – die Auswahl an Modellen ist reichhaltig. E-Fullys um 3000 Euro? Selbst da wird man mittlerweile fündig.
Wir haben uns vier Modelle herausgepickt, die uns im EMTB-Testteam in Sachen Preis-Leistung besonders überzeugt haben.
Bosch Smart System, Rockshox-Fahrwerk, Teleskopstütze und Vollfederung zum Preis eines Einsteiger-Hardtails: Für 3199 Euro schnürt Versender Radon mit dem Render AL 7.0 750 ein unverschämt gutes Paket.
Das Render vom Bonner Versender Radon ist schon lange ein heißer Tipp, wenn es um E-Mountainbikes der Preis-Leistungs-Liga geht. Umso mehr, seit Radon dauerhaft den Preis für das Alu-Modell reduzierte. Von ursprünglich ohnehin schon günstigen 3999 auf nun nur noch 3199 Euro. Damit dürfte das Radon das günstigste E-All-Mountain mit Bosch-Smart-Paket am Markt sein.
Gerade das Motorsystem von Bosch mit Performance Line CX, Kiox-Display und dickem 750er-Akku ist für viele Einsteiger sicher das gewichtigste Kaufargument. (Hier geht’s zum Langzeit-Test des Bosch CX). Der Antrieb gilt im Traileinsatz als Benchmark, er ist kräftig und feinfühlig zugleich, die Reichweite ist enorm. Aber das Bosch-Paket ist im Einkauf für den Hersteller teuer, die restliche Ausstattung musste der Versender entsprechend mit Bedacht zusammenstellen. Eine gute Wahl sind die Magura MT5-Bremsen mit großen Scheiben und ergonomischen Hebeln, die griffige Maxxis-Reifenkombi, und auch die SX-Eagle Zwölffachschaltung von Sram liefert fürs Gelände die entsprechende Übersetzung und Bandbreite. Grenzen im sehr sportlichen Traileinsatz setzt die einfache Stahlfedergabel, für Touren und moderate Trails reicht sie aber allemal aus.
Mit hervorragender Reichweite, einem herausragendem Antrieb, überwiegend funktionaler Ausstattung und einem super günstigen Preis liefert Radon derzeit eines der verlockendsten E-MTB-Pakete am Markt. Für nochmal 200 Euro weniger gibt es übrigens das Radon Render AL mit 625-Wh-Bosch-Akku.
Discounter Decathlon schickt mit dem Rockrider E-Expl 520S ein E-Bike mit 140 Millimetern Federweg und Brose-Motor zum Kampfpreis in den Ring. Kaum zu glauben: Für 2999 Euro gibt es ein voll geländetaugliches und komfortables Touren-Fully.
Der Sport- und Outdoor-Discounter Decathlon ist bekannt für ordentliche Produkte zum unschlagbar günstigen Preis. Ob Fußball, Camping oder Bergsport - das Sortiment der Franzosen ist riesig. Doch was passiert, wenn sich ein Discounter an einem so komplexen Produkt wie einem E-Mountainbike versucht? Das Rockrider E-Expl 520S ist Teil einer nagelneuen Serie moderner E-MTBs, die optisch so gar nicht nach Großmarkt aussehen.
Damit der verlockende UVP möglich wird, verzichten die Franzosen auf ein Premium-Aggregat. Das ist allerdings verschmerzbar, denn der Brose Drive T Alu ist mit 70 Nm zwar deutlich schwächer als der Brose Drive S Mag, aber die Power reicht für den Touren-Einsatz aus, zudem gefällt er mit geschmeidiger Kraftentwicklung und dezentem Sound. Den Strom bekommt das Aggregat aus einem Akku mit 500 Wattstunden, der bequem zur Seite aus dem Unterrohr genommen werden kann. Unserem Praxis-Test nach lassen sich damit in höchster Unterstützungsstufe gut 1000 Höhenmeter abspulen, bei bedachter Fahrweise entsprechend mehr.
Im Geländeeinsatz fällt das komfortable X-Fusion Fahrwerk positiv auf. Das passt gut zur klassischen Sitzposition und macht den Einsatzbereich klar: moderate Touren. Gemeinsam mit den sehr weichen und damit griffigen Reifen bietet das Bike viel Traktion – schwierige Anstiege nimmt es dadurch locker. Dank der langen Kettenstreben braucht man sich auch um ein steigendes Vorderrad kaum Gedanken machen.
Die Ausstattung des Rockrider E-Expl 520S ist etwas unkonventionell, einige dieser Parts entpuppten sich in unserem Test aber als positive Überraschungen. Einzig die schwachen Tektro-Bremsen sind ein klares Manko für den Einsatz im Gelände. Super dagegen: Im Gegensatz zu vielen anderen günstigen E-MTBs ist das E-Expl 520S schon ab Werk mit einer Teleskopsattelstütze ausgestattet. Das erhöht Komfort und Fahrsicherheit in Gelände und Alltag.
Auf Tour und im gemäßigten Gelände konnte uns das Rockrider E-Expl 520 S überzeugen. Ein Auge zudrücken muss man bei den zu schwachen Bremsen. Und wenig berauschend ist auch das Gewicht von über 25,5 Kilo, insbesondere in Anbetracht der kleinen Batterie. Unterm Strich hat Decathlon aber ein vielseitiges Bike mit Trail-Potenzial auf die Beine gestellt. Fahrsicher, leise - und zu einem echten Spottpreis!
Zugegeben, ein Bike für 5999 Euro in die Galerie der Schnäppchen einzureihen, ist vielleicht etwas verwegen. Doch die Ausstattung des Conway eWME 8.9 MX ist echt fett - das ist den Preis mehr als wert.
Der UVP des feschen Conway-Enduro lag einst bei 7199 Euro. Das war 2022, also ungefähr als die Preise für E-Mountainbikes coronabedingt ihren Höchststand erreicht hatten. Schon damals war der Preis gemessen an der luxuriösen Ausstattung eine Kampfansage an die Konkurrenz. Nun, für 5999 Euro, werden sich so einige Mitbewerber vor Wut wieder in die Faust beißen. Denn an Conways Enduro steckt ausstattungsseitig so gut wie alles, was Bikerträume feucht werden lässt: Fox Factory-Fahrwerk und -Teleskopstütze, XTR-Antrieb, DT Swiss Spline HX1501-Laufräder, Schwalbe Magic Mary und Hans Dampf-Bereifung. Allein bei den Bremsen hat man mit Maguras MT5 zu einem Preis-Leistungs-Kompromiss gegriffen, allerdings mit 220 mm Scheiben am Vorderrad. Dazu kommt der Shimano EP8-Motor mit dem reichweitenstarken Darphon Intube-Akku mit 720 Wattstunden.
Das Conway hat sich in unseren Tests in unterschiedlichen Modellausführungen bewährt. (Hier geht’s zum Test des Conway eWME 3.9 für 4000 Euro). In der MX-Version mit großem 29-Zoll-Vorderrad und 27,5-Zoll-Hinterrad hat das eWME kürzere Kettenstreben und einen Zentimeter mehr Federweg als die All-Mountain-Modelle mit 29-Zoll-Bereifung. Angetrieben wir der Bolide von Shimanos EP8, also dem etwas schwächeren Vorgänger des EP801. In Sachen Drehmoment reicht das Aggregat auch für steile Anstiege vollkommen aus, wenngleich es nicht die dynamische Kraftentwicklung und Maximalpower des EP801 hat. Dank der 720er Batterie von Darfon schafft es das Conway auf rund 1600 Höhenmeter in höchster U-Stufe – das ist stark und prädestiniert das Enduro insbesondere für lange Touren in anspruchsvollem Gelände. Das kleinere Hinterrad und die kürzeren Kettenstreben verleihen dem MX einen verspielteren Charakter im Vergleich zum All-Mountain-Pendant mit 29er Hinterrad. Das FOX-Fahrwerk mit Factory 38 Float-Gabel und Float X-Dämpfer ist auch in anspruchsvollsten Abfahrten über jeden Zweifel erhaben. In Sachen Bereifung haben sich die Produktmanager am Hinterrad für Schwalbes Nobby Nic mit Speedgripp-Compound entschieden – das garantiert gute Leichtlaufeigenschaften, erfordert aber Kompromissbereitschaft in Sachen Pannenschutz. Vorne geht man mit Schwalbe Magic Mary auf Nummer sicher. Feintuning in Sachen Antrieb vermittelt Shimanos XTR mit 34er Kettenblatt und 10-51 Zähnen am 12fach-Ritzel – eine bewährte Übersetzung an E-MTBs, mit der man furchtlos auch steile Uphills in Angriff nehmen kann.
5999 Euro sind ein Haufen Holz. Und trotzdem ist das Conway eWME 8.9 MX für uns ein Superschnäppchen. Es dürfte kaum ein anderes Bike am Markt geben, das unter 6000 Euro eine dermaßen feudale Ausstattung bietet. Als tourengeeignetes Enduro kommt es zudem für eine breite Zielgruppe in Frage.
Den Modellwechsel beim Torque:On gab’s zwar schon 2023, trotzdem führt Canyon den Vorgänger noch im Programm – zu verführerischen Konditionen: Der Preis wurde 2024 von 4999 auf 3999 Euro reduziert. Dafür bekommt man ein kompromissloses Freeride-Bike mit starkem Rock Shox-Fahrwerk.
180 Millimeter Federweg, 24 Kilo, extreme Geometrie – mit 430 Millimeter kurzen Kettenstreben und 63 Grad flachem Lenkwinkel. Die Fakten lassen es erahnen: Das Torque:On ist kompromisslos auf Downhill-Spaß ausgelegt. 180er Rock Shox Zeb-Gabel mit extra dicken Standrohren und ein massiver Alu-Rahmen mit 175 Millimeter Hub am Hinterbau: An Potenz ist das Canyon kaum zu überbieten. Ebenso wenig an Laufruhe, denn der Lenkwinkel fällt mit 63 Grad superflach und der Reach mit 480 Millimeter sehr lang aus. Nur in Sachen Akku backt Canyon kleinere Brötchen – das aber ganz bewusst. Die 540 Wattstunden sind nicht für ausgiebige Uphill-Rallyes vorgesehen, stattdessen sollen sie dem Freerider das Anstehen am Bikepark-Lift ersparen. Wer mit der Speicherkapazität nicht klar kommt, muss sich einen Zweit-Akku ins Auto legen – ausgiebige Touren sind mit dem Canyon nicht vorgesehen. Kniffelige Anstiege übrigens auch nicht: Die kurzen Kettenstreben sind Spaßgarant bergab, lassen die Front im Uphill aber früh steigen, der flache Lenkwinkel macht die Kontrolle bergauf zusätzlich schwer.
Ausstattungsseitig hat Canyon klug ausgewählt und in ein starkes Rock Shox-Fahrwerk aus Zeb R-Gabel und Deluxe Select R-Dämpfer investiert. Die übrigen Komponenten sind funktionell: Deore 12fach Antrieb, Deore Vierkolben-Bremsen, RaceFace AR30-Laufräder und einer griffigen Maxxis-Reifenkombi aus Assegai und Minion DHR II. Dazu gibt es ein solides FSA-Cockpit und eine Irridium Dropper Post mit 150 Millimeter Hub.
So verlockend das 3999 Euro günstige Angebot fürs Canyon Torque:On7 auch sein mag, Kaufen oder nicht Kaufen ist in diesem Fall eher eine Grundsatzentscheidung. Denn mit dem Torque:On hat Canyon einen Spezialisten für wilde Abfahrtsorgien geschaffen. Wer es darauf abgesehen hat, sollte zugreifen, solange das Auslaufmodell noch angeboten wird. Das neue Modell steht erst ab 5299 Euro auf der Website des Versenders.