Das brandneue Pivot Phoenix des US-Herstellers aus Arizona kommt mit einer aufwendigen Highpivot-Konstruktion inklusive Doppelkettenantrieb. Pivot nennt das Konzept Mid-High-Pivot DW6. Es soll den Spagat aus feinem Ansprechverhalten und gutem Gegenhalt schaffen. Das Phoenix rollt auf einer Mullet-Bereifung (29/27,5 Zoll).
Auch wenn Downhiller dank ihrer massiven Federwegsreserven ideal für den Bikepark-Einsatz geeignet sind, schlägt die Stunde des Pivot Phoenix auf der Rennstrecke. Das Phoenix ist maximal auf Speed getrimmt und das spürt man dem Bike auch an. Gefahren sind wir das Bike artgerecht auf der Downhill-Strecke in Serfaus-Fiss-Ladis sowie auf der UCI-Worldcup-Strecke in Leogang. Auf den Park-Abfahrten checkten wir Spieltrieb und Wendigkeit des Pivot Phoenix.
Das Pivot Phoenix fährt sich so präzise wie eine Rasierklinge. Es ist schnell und entwickelt massig Vortrieb. Dabei gibt es dem Piloten deutliches Feedback vom Untergrund. Das ist geil, das ist racig, doch es ist auch ganz schön anstrengend. - Laurin Lehner, BIKE-Testredakteur
¹ BIKE-Messwerte: Laufradträgheit: Je niedriger der Messwert, desto leichter zu beschleunigen. Gewicht ohne Pedale. Laufradgewicht pro Satz mit Reifen, Kassette, Bremsscheiben. Rahmensteifigkeit: Seitensteifigkeit in N/mm getrennt für das vordere Rahmendreieck inkl. der verbauten Gabel (vorne) und dem Hinterbau (hinten)
Der prominenteste Pivot-Racer ist der Brite Bernard Kerr. “BK”, wie er in der Szene genannt wird, gilt als einer der talentiertesten DH-Racer überhaupt. Seit rund zwei Jahren fährt er den Phoenix-Prototyp und startete damit bei Worldcups und der Red Bull Hardline. Jetzt ist das Bike endlich auch für uns Hobby-Racer verfügbar. Der schicke Carbon-Rahmen ist definitiv ein Eyecatcher, das Herzstück ist allerdings die aufwendige Hinterbaukonstruktion.
In dem von Kinematik-Koryphäe Dave Weagle entwickelten 6-Gelenker-System arbeiten zwei Ketten entkoppelt voneinander in einem sogenannten Mid-Low-Drehpunkt. Das soll Pedalrückschlag verhindern und Speed aus dem Hinterbau kitzeln. Für Harmonie mit dem Heck und ein Plus an Bodenfreiheit soll die spezielle Kettenführung sorgen. Nachteil: Viele bewegliche Teile sind in der Regel wartungsintensiver.
Der Fahrer steht im Phoenix gut integriert im Rad. Die Front ist etwas tief. Schon auf den ersten Metern unserer Teststrecke merkt man, für wen und für welche Strecken dieses Bike entwickelt wurde: Geometrie und Fahrwerk sind maximal auf Speed getrimmt. Der Hinterbau glänzte umso mehr, je schneller wir unterwegs waren, und sorgte für viel Traktion.
Das Plus an Hub im Heck (210 mm) war jedoch nicht zu spüren. Sauschnell – ja! Komfortabel – eher nein. Das flache und lange Phoenix steuerte sich mit seiner steifen Front extrem präzise und schnitt wie eine Rasierklinge durch fieses Geröll. Für mehr Komfort stimmten wir das Pivot schrittweise weicher ab (vorne: 71, 65, 61 PSI; hinten: 230, 215, 200 PSI). Der Charakter änderte sich dadurch aber nur geringfügig.
Auf zahmeren Passagen gab das Luft-Heck wenig Federweg frei und pumpte sich so effizient auf Speed. In Highspeed-Kurven rollte das Phoenix wie auf Schienen, lieferte viel Gegendruck und spritzte aus Turns mit so viel Wumms, dass wir uns über die bissige Saint-Bremse freuten. Ein Tester kommentierte: “Krank schnell, aber das Ding kostet Körner.” Dem stimmten auch die anderen Tester zu. Wer mit dem Pivot auf der Worldcup-Strecke in Leogang vom Start bis ins Ziel durchfahren will, braucht eine sehr hohe Fitness. Als Hobby-Racer muss man über ein gewisses Skill-Level verfügen, um mit diesem Bike Spaß zu haben.
Auf Parkstrecken gefiel uns das zu Beginn des Federwegs straff arbeitende Heck. Pop hatte es auch. Mit 444 Millimetern fallen die Kettenstreben zwar moderat aus, aufs Hinterrad bekamen wir das lange Phoenix aber dennoch kaum. Zu meckern gab’s schließlich auch noch was: Die beiden Ketten klapperten bei uns, und die Saint-Bremse pfiff nervig.
Das Pivot Phoenix ist sauschnell und hat ein originelles, aber auch unnötig kompliziertes Hinterbaukonzept. Das Bike erfordert ein hohes Können und viel Fitness, um viel und lange Spaß damit zu haben. Der Einsatzbereich ist spitz. Eingefleischte Downhill-Racer werden es jedoch lieben, das können wir garantieren.
² BEWERTUNG: Spinnendiagramm: Antrieb, Spieltrieb, Downhill bezieht sich auf das Fahrverhalten: Je größer der Ausschlag, desto besser die Eignung. Ausstattung: setzt sich aus unterschiedlichen Punkten wie Qualität/Verarbeitung, Usability zusammen. Die BIKE-Note setzt sich aus Praxiseindrücken der Testfahrer und Labormesswerten zusammen. Die Note ist preisunabhängig. Notenspektrum: 0,5–5,5, analog zum Schulnotensystem.