Dass das Propain Spindrift 5 ist ein Freeride Bike durch und durch ist, kommt nicht von ungefähr. Den Propain-Ingenieuren liegt Gravity im Blut. Die Idee zur eigenen Fahrradmarke mit dem ersten Big Bike kam den Gründern 2006 in einem Whistler-Urlaub. Kein Wunder also, dass das deutsche Label seit Jahren konsequent ein Modell für radikale Bikepark-Action im Programm führt. Bei Propain war Freeride nie tot und soll mit dem kürzlich aktualisierten Spindrift so richtig aufleben. Hierfür lässt sich das Bike entweder mit Carbon- oder rund 700 Gramm schwererem Alu-Rahmen ordern.
Um den Aluminium-Rahmen des Propain Spindrift 5 AL mit einer hohen Ermüdungsbeständigkeit und Festigkeit für schonungslose Landungen zu rüsten, setzt Propain auf ein eigens entwickeltes Metall-Gemisch namens Blend-Alloy und robuste Lager aus Edelstahl. Welche Teile am Komplettbike hängen sollen, können Kunden im Konfigurator selbst zusammenpuzzeln. Dabei stehen alle etablierten Laufradgrößen zur Wahl: Full-Twentynine, 27,5 Zoll vorne und hinten oder eben Mullet. In der Park-Version lässt sich auch eine 200-Millimeter-Doppelbrückengabel spezifizieren. Schon ab 2999 Euro geht's los. Wer in Kauflaune den Kohlenstoff-Rahmen wählt und alle Regler auf High-End schiebt, kann bis zu 9184 Euro investieren. Mehr Variabilität geht wirklich nicht.
Durch die Versetzung des Dämpfers vor das Sitzrohr baut der bewährte Pro10-Hinterbau knapper als früher. Bei spontanen Turns und Hinterrad-Spielereien sind die im direkten Vergleich zum Specialized Status 10 Millimeter längeren Kettenstreben trotzdem deutlich zu spüren. Ganz ohne Kicker braucht es zum Abziehen mehr Körpereinsatz. Hilfestellung kommt vom Fahrwerk. Dieses besitzt den besseren Gegenhalt und verschafft dem Spindrift trotz hohen Gewichts zielstrebig Airtime.
Auf der Jumpline liegt das Propain Fully äußerst souverän in der Luft. Im dezenten Reach-Wert mittig integriert, gehört die Angst vor einem Dead-Sailor der Vergangenheit an. Die Fluglage ist etwas unkomplizierter als am längeren Specialized. Brachiale Einschläge verdaut der Hinterbau ohne Murren. Auch an der Front passt die Endprogression prinzipiell. Schade nur, dass die Federgabel ihren vollen Hub kaum voll ausnutzen will, auch bei deutlich geringeren Luftdrücken, als vom Hersteller empfohlen. Die ZEB Base ist die günstigste Freeride-Gabel von Rockshox und kann in langen, ruppigen Downhills für müde Unterarme sorgen.
Obwohl die Federelemente an unserem Testbike Einsteiger-Ware sind und sich die Gabel schwer tut, die angegebenen 180 Millimeter Federweg voll auszunutzen, geizen die Weichmacher nicht mit Sensibilität. Bei kleineren Schlägen erzeugt das Propain Spindrift mehr Traktion als das Specialized Status. Unterstützt durch die hohe Fahrwerkskontrolle lässt sich das insgesamt etwas kürzere Bike in der Falllinie präzise platzieren. Die Formula Cura 4 Bremsen bekommen wir an Testbikes selten zu Gesicht. “Leider” muss man sagen, denn die italienischen Stopper besitzen eine vernünftige Power. Zwar sind sie in Sache Bremskraft der bärenstarken TRP-Bremse am Specialized unterlegen, besitzen dafür aber den etwas weicheren, besser dosierbaren Druckpunkt.
Die wuchtigen Continental-Gummis an unserem Propain Testbike sind eine echte Bank, Pannenschutz und Eigendämpfung über jeden Zweifel erhaben. Da, wo das Specialized schon in den Drift wechselt, gript das Propain weiter und macht eine richtig radikale Linienwahl möglich. Kehrseite der weichen Traktor-Reifen ist ihr hoher Rollwiderstand. Wer selbst zum Start-Gate hochkurbeln will, sollte ein paar Extrastunden in der Beinpresse buchen. Der Hinterbau wippt beständig. Im Flachland bringt der super steile Sitzwinkel zu viel Druck auf die Hände.
Das Gewicht des Komplettbikes ohne Pedale ermitteln wir im BIKE-Testlabor. Das Laufradgewicht versteht sich pro Satz mit Reifen, Kassette und Bremsscheiben. Bei der Laufradträgheit gilt: Je niedriger der Messwert, desto leichter zu beschleunigen.
Das BIKE-Urteil setzt sich aus Praxiseindrücken der Testfahrer, Labormesswerten und Reichweitentests zusammen. Die Gewichtung (prozentual, in Klammern) variiert je Einsatzgebiet.
Uphill, Spieltrieb, Downhill bezieht sich auf das Fahrverhalten: Je größer der Ausschlag, desto besser die Eignung. Ausstattung: setzt sich aus unterschiedlichen Punkten wie Qualität/Verarbeitung, Usability, Flaschenhaltervolumen, Sattelversenkbarkeit zusammen.
²Das BIKE-Urteil setzt sich aus Praxiseindrücken der Testfahrer und Labormesswerten zusammen. Das Urteil ist preisunabhängig. Notenspektrum: 0,5–5,5, analog zum Schulnotensystem.
Schön, dass das neue Spindrift ein waschechter Freerider geblieben ist. In einem Haufen Aufbau-Optionen werden ausnahmslos alle Bedürfnisse befriedigt ohne dass der Dispo bemüht werden muss. Höchstens nochmals kompaktere Kettenstreben bleiben auf dem Wunschzettel ohne Häkchen. Manövrierbarkeit und Ausstattung überzeugen, der echte Trumpf in diesem Duell ist aber das starke Fahrwerk des Propain. - Jan Timmermann, BIKE-Testredakteur