Eigentlich bin ich überzeugter Light-Assist-Biker. Seit ich vor etwas mehr als 4 Jahren ein Bein über das Specialized Levo SL schwingen durfte, schaue ich eher mitleidig auf die schwere Powerbike-Fraktion. Aber man soll ja auch im höheren Alter noch lernfähig bleiben! Während der Testfahrten für das “Günstig gegen Teuer” Duell (hier zum Test) des Propain Ekano 2 CF gegen seinen günstigeren Alu-Counterpart entdeckte ich die Liebe zum klassischen Power E-Bike von Neuem.
Das lag zum einen an den sensationellen Fahreigenschaften bergab, die das Ekano CF an den Tag legte. Schnell, laufruhig, stabil – und dabei noch beweglich genug, um alle meinen alten Bestzeiten auf dem Testtrail am Gardasee zu pulverisieren. Srams Eagle Powertrain Motor mit nur zwei Motormodi und optionalem Autoshift (automatische Schaltvorgänge) war der zweite Grund für mich als bekennenden Tech-Nerd, das Ekano CF für einen längeren Test auf die Liste zu setzen. Ein vollintegriertes System, das mit wenig Chichi und Rumgedrücke Spaß potenzieren soll – geht das? Im ersten Test ging es durchaus, aber wie zuverlässig und ganzjahrestauglich ist dieses Konzept?
Der Sram Motor basiert auf der neusten Entwicklungsstufe des Brose Drive S Mag. Der ist mit 90 Newtonmetern bekanntlich durchzugsstark und leistungsfähig, aber er war eben auch nicht immer der zuverlässigste gewesen. Das soll sich geändert haben. Und wie zukunftsweisend das „vollintegrierte, elektronische System mit intuitiver User Experience“ (Marketingzitat) des Powertrain wirklich ist, muss sich schon in unterschiedlichsten Situationen beweisen – und bestenfalls muss es ohne Systemausfall glänzen, um den Preis zu rechtfertigen.
Ausgestattet mit einem zweiten Akku – und damit Potential für viele tausend Höhen- und Tiefenmeter pro Tour – startete ich als lebender Dauer-Prüfstand in den Test. Und kam erstmal nicht weit…
Das Propain Ekano 2 CF wurde – anders als das günstigere Alupendant – konsequent um die Powershift-Einheit von Sram herumkonstruiert. Anders als die Konkurrenz, setzt Sram auf eine stark reduzierte Anpassungsmöglichkeit der Motorpower. Es gibt nur zwei Modi, Range und Rallye, die sich in der App zwar anpassen lassen, in ihrem Grundsetup aber vorgegeben sind. Entweder Reichweite, oder Bumms. Kombiniert wird das mit einer Autoshiftfunktion, die man in ihrer Reaktion auf Fahrerinput ebenfalls anpassen kann. Oder man schaltet sie ab. Funktionieren tut das alles, zusammen mit der Schiebefunktion nur, wenn man auch die AXS Sattelstütze ordert. Bei einer mechanischen Stütze entfällt der Schiebemodus, oder man muss sich mit dem Durcheinander aus Sram Pod und unergonomischem Dropper-Hebel am Lenker abfinden. Muss man wissen.
Der Motor an sich kann sehr viel und ist ein sehr gutes Aggregat. Wenig verwunderlich, schließlich kommt die Hardware von Broses bekanntem Drive S Mag. Zusammen mit dem entnehmbaren 630WH-Akku kommt man gemessen an den Wattstunden sehr weit. Motor und Akku arbeiten effizient zusammen. Der Akku lässt sich am Bike und außerhalb laden. Die Entnahme geht schnell, man braucht aber ein Multi-Tool oder einen Inbus. Der Motor ist kraftvoll, nicht zu laut, durchzugsstark und im Range-Modus sensibel und nicht zu pushy. Im Rallymodus kommt ordentlich Kraft an und man bekommt auch mit geringer Trittfrequenz viel Unterstützung. Wobei das Thema geringe Trittfrequenz so eine Sache ist. Stichwort Autoshift. Ohne diese Funktion gibt es kein Ekano 2 CF.
Wenn man also quasi gezwungen ist, das Propain Ekano CF mit Autoshift zu kaufen – insgesamt ein teurer Spaß – dann sollte das auch gut funktionieren und Sinn machen. Zu langsames Treten verhindern, rechtzeitig in plötzlichen Anstiegen runterschalten, immer den richtigen Gang parat haben, wenn man auf eine Kurve zu oder aus einem Anlieger rausrollt. In der Tat lässt sich das System während der Fahrt leicht feintunen und reagiert auf die unterschiedlichen Einstellungen sensibel mit angepassten Schaltvorgängen passend zur Trittfrequenz. Zumindest meistens. So das Fazit nach den Vergleichstestfahrten im Duell. Fazit aber auch: So ein System kann potenziell sehr viel, es verlangt aber nach dauerhafter und nachhaltiger Auseinandersetzung. Ergo: Dieser Dauertest.
Das Ekano 2 CF gibt es Propain-typisch in drei Ausstattungsoptionen, die man im Konfigurator noch bei fast jedem Bauteil variieren kann. Bei 7794 Euro geht es los (Base), das Ultimate kostet 9999 Euro und bei 11.999 Euro liegt das teuerste Ausstattungsmodell (Factory). Teurer geht auch noch, wenn man das ein oder andere BlingBling-Teil dazu bestellt. Unser Testbike für 10.029 Euro entspricht einem Mix: Federelemente und Bremsen sind vom Topmodell, Laufräder vom Base und die X0 Schaltung und die AXS Stütze aus der Mittelklasse. Das Bike kann man mit 29“ vorne und hinten, oder als Mullet bestellen.
Weil ich beim Wachstum ab 172 cm Größe aufgegeben habe, fahre ich lieber hinten etwas kleiner, damit ich an Steilstufen nicht ständig auf dem Hinterreifen aufsetze. Auch das Kurvenhandling profitiert aus meiner Sicht. Dass das Bike dadurch in verblockten Uphills etwas an Traktion und Überrolleigenschaften einbüßt, nehme ich da gerne in Kauf. Die Uphills meiner Touren passieren ohnehin eher auf Schotter. Dafür sind die Abfahrten meist brachial, oder die Bikepark-Strecken immer schwarz. Folglich mussten die Federelementen und Bremsen kompromisslos super sein. Die Fox Factory 38 Federgabel und der DHX2 Stahlfederdämpfer sind tolle Parts, an denen man so viel tunen kann, dass eigentlich jeder ein perfektes Setup finden kann. Wenn die Linie nicht passt, oder die Zeit mies war – an der Federung lags dann nicht. Und die MT7 ist ein Wurfanker – Punkt.
Weil ich den vollen Umfang des Powertrains wollten, führte kein Weg an der AXS Stütze vorbei. Damit der Preis nicht durch die Decke geht, blieb es bei der X0-Schaltgruppe, die bereits sehr edel ist. Und die Laufräder aus Alu schienen erstmal ein sinnvolles Sparteil zu sein. Spoiler: Falsch gedacht.
Kaum war das Bike da, passte das Wetter perfekt für erste Bikeparkbesuche und Bergtouren. Ich legte los. Und kam von Tag 2 im Bikepark ernüchtert zurück: Das hintere Laufrad zeigte fatale Auflösungserscheinungen. Drei Speichen weg, starke Acht in der Felge. Bummer. Das überraschte mich insofern, als die Newmen-Laufräder eigentlich qualitativ hervorragend sind und bisher solche Ausfallerscheinungen bei mir privat und diversen Testbikes nicht gezeigt haben. Pech? Montagsmodell? I don‘t know. Allerdings grenzt das Tempo mit einem dermaßen abfahrtsstarken Boliden auch eher an das eines Downhillbikes. Jetzt stecken im Propain zumindest übergangsweise bereits von mir jahrelang durchgetestete Zipp 3 Zero Moto Laufräder drin, damit das Kilometerschrubben weitergehen kann. Zusätzlich hat das Bike schon nervige Knack- und Knarzgeräusche im Steuerrohrbereich entwickelt. Die Züge laufen hier intern durch Lenkkopflager – liegt es daran? Auch dem Problem werde ich im Laufe des Dauertestes auf den Grund gehen.
Good News: Die eigentlichen Fahreigenschaften sind und bleiben super. 180 Millimeter vorne, 170 Millimeter hinten, tiefer Schwerpunkt, flache Geo. Dazu eine echte Staubsaugerperformance der Hinterbaukinematik. Üble Felswüsten? Her damit! Hohe Drops - war da was? Nur Bunny Hops und das Spielen mit dem Gelände verlangen viel Schmackes vom Fahrer. Aber hey, auch E-Biken ist Sport! Und: Das Powertrain-System macht bis dato was es soll. Ein Tag im Bikepark Bischofsmais ganz ohne Schalthebel rechts war schon mal ein spannender, aber erfolgreicher Test des Intuitiv-Automatik-Konzeptes.
>> Und so geht’s weiter: Der Dauertest hat erst begonnen, wir aktualisieren diesen Artikel regelmäßig. Stay tuned!