Laurin Lehner
· 06.10.2023
Ein Big-Bike-Duell Giant gegen Ribisu – das heißt der größte Fahrradhersteller der Welt tritt an gegen die vielleicht kleinste Bike-Schmiede eines Schweizer Tüftlers. Doch die Fahrradbranche ist bekannt für ihre Tüftler und Eigenbrötler. Technikbegeisterte, die davon überzeugt sind, es besser zu machen als die etablierten Hersteller. Beispiele gefällig? Der damals 18-jährige Jakob Lauhoff ertüftelte eine Scheibenbremse mit Wasser statt Öl in der Hydraulik. Brakeforce One lehrte die Konkurrenz das Fürchten.
Oder Cornelius Kapfinger aus Freiburg, der mit seinen Intend-Federgabeln bei Magazintests Besturteile einheimst. Oder eben Adrian Summermatter mit seiner Marke Ribisu. Der Schweizer Downhill-Enthusiast verdient sein Geld als IT-Administrator bei einem Pharmakonzern. Mittlerweile hat er sein Arbeitspensum auf 80 Prozent reduziert, um sich ganz der Produktion seines Babys widmen zu können: dem Big-Bike Psychopath.
Das krasse Gegenteil ist der Fahrradgigant aus Taiwan, der seinem Namen alle Ehre macht. Giant gilt als der größte Fahrradhersteller der Welt. Während Summermatter in Kleinserie produziert und bisher erst 20 Downhiller verkauft hat, besitzt Giant neun eigene Fabriken, produziert mit 13000 Mitarbeitern für vier Hausmarken und einigen Partnern jährlich über sechs Millionen Fahrräder. Ein Duell auf Augenhöhe? Genau das wollten wir herausfinden.
Das Giant Glory läuft bereits in der 5. Generation. Vor knapp zehn Jahren (!) präsentierte Giant das letzte Glory. 2023 nun die Neuauflage. Prototypen sind bereits seit vielen Jahren im Worldcup im Einsatz. Jetzt endlich gibt es das Glory auch für Hobby-Downhiller wieder. Das Vollcarbon-Bike ist vorerst nur in einer Ausstattungsvariante zu haben und als Rahmen-Kit.
Das Ribisu Psychopath wird in einer exklusiven Kleinserie verkauft. Seit 2020 bietet Ribisu-Chef Summermatter den Carbon-Rahmen an. Damals nur in Rahmengröße M, für 2023 investierte der Schweizer in eine größere Rahmenform, die Summermatter 20.000 Schweizer Franken kostete.
Das Ribisu Psychopath kommt in zwei Ausstattungsvarianten, entweder mit Fox- oder Rockshox-Fahrwerk. Bei den Komponenten geht Summermatter gerne auf Kundenwünsche ein. Wer bei Ribisu ein Bike bestellt, telefoniert automatisch mit dem Chef.
Beide Bikes sind für den Downhill-Einsatz konzipiert und sollen den Fahrer auf grobem Terrain mit Komfort unterstützen. Ribisu-Chef Summermatter legte bei der Konstruktion zudem Wert auf ein spritziges Handling. Auffällig: Der L-Rahmen wirkt sehr kurz. Die superknappen Kettenstreben (432 mm) sollen für die nötige Agilität sorgen. Normalerweise verkauft Summermatter sein Psychopath als Mullet, uns lieferte er aber aus Teilemangel ein Bike mit 27,5-Zoll-Laufrädern.
Das Giant Glory ist konsequenter auf Race getrimmt. Die Geometrie ist lang, tief und flach. Den Carbon-Rahmen gibt es in All-29 und Mullet. Neu: drei Einstellmöglichkeiten per Flipchip – am Hinterbau, an der Kettenstrebe und am Steuerkopf. So kann der Kunde die Geometrie ganz nach seinen Vorlieben einstellen. Wir haben die mittlere Einstellung gewählt und sind damit sehr gut gefahren.
Wir haben beide Bikes über die roughen Strecken in den Bikeparks Serfaus-Fiss-Ladis und in Leogang geprügelt. Aber auch über Jump-Trails. Los geht’s mit dem brandneuen Giant Glory.
Die moderne Geo positioniert den Fahrer sicher im Bike und lässt den Wohlfühlfaktor sofort in die Höhe schnellen. Das Bike lässt sich sehr intuitiv steuern, bei Sprüngen und in Turns gibt es angenehmen Gegendruck. Wird die Strecke steiler und ruppiger, profitiert der Pilot von der gestreckten Geometrie. Das Fahrwerk harmoniert, doch erst, als wir die Fox 40 deutlich weicher abstimmten. Zur Sänfte wird das Giant Glory dennoch nicht, dafür erzeugt das Fahrwerk zu wenig Komfort und Plushness. Das Glory macht sowohl auf DH-Strecken als auch im Park eine gute Figur.
Das Ribisu Psychopath muss sich dem Glory leider schnell geschlagen geben. In Wurzelpassagen kam bei dem superleichten Carbon-Flitzer (15,1 kg!) kein Flubber-Feeling auf, stattdessen stolperte es durchs Wurzelgeflecht, schaukelte sich auf und geizte mit Traktion. Das kleine Vorderrad und die gedrungene Geometrie unterstützten das Gefühl: eher Super-Enduro als Big Bike.
Aber wir wollten nix unversucht lassen und montierten die neue Rockshox Boxxer mit 29-Zoll-Vorderrad. Und siehe da: Das Psychopath gefiel viel besser: mehr Speed, mehr Kontrolle, mehr Big Bike. Auf Jump-Strecken rollte das Rad dank der leichten Carbon-Laufrädern extrem schnell – super! Nervig: die laute Geräuschkulisse. Liegt vielleicht am Resonanzkörper des Rahmens.
Keine Überraschung. Das neue Giant Glory gewinnt klar. Es ist modern, kann Park und Downhill und hat clevere Features wie die vielseitige Geo-Verstellung. Das Ribisu Psychopath ist eher ein Light-Big-Bike und leidet unter einer angestaubten Geometrie. Sieg für Giant. – Laurin Lehner, FREERIDE-Redakteur
Schade, ich hätte mir gewünscht, dass die Mini-Schmiede aus der Schweiz den Big Player abwatscht. Leider nein! Das Ribisu Psychopath ist eher Super-Enduro als Big Bike.
Laurin Lehner, Tester (1,78 m | 73 Kilo)
Das neue Giant Glory ist kein Downhill-Pflug, sondern angenehm spritzig. Mir hat es auf den Parkstrecken ähnlich viel Spaß gemacht wie auf dem Downhill-Track.
Dimitri Lehner, Tester, (1,79 m | 75 Kilo)