Laurin Lehner
· 07.05.2025
Ghost präsentiert mit dem Poacha einen waschechten Freerider für den Park-Einsatz. Der Carbonrahmen bietet eine anpassbare Geometrie und ist für Doppelbrückengabeln freigegeben. Das Poacha ist in drei Ausstattungsvarianten erhältlich und startet bei 4999 Euro – alle im Mullet-Setup, was in unseren Augen durchaus sinnvoll ist.
Ach ja: Habt ihr euch gefragt, was es mit dem Namen auf sich hat? Er ist eine Anlehnung an Poacher – Poaching bedeutet auf Deutsch “Wildern”, wird unter Bikern aber auch verwendet, wenn man fremde Trails aufspürt und fährt.
Ghost positioniert sich mit dem neuen Poacha im Segment der kompromisslosen Freeride-Bikes. Das Bike mit 180 Millimetern Federweg an Front und Heck muss auch den beiden Ghost-Testimonial-Fahrern standhalten, Webshredder Korbi Engstler und City-Racer Tomas Slavik. Der Carbonrahmen wurde auf Kategorie-5-Niveau getestet und ist mit Doppelbrückengabeln kompatibel.
Ghost hatte ein High-Pivot-Bike im Programm, als Bikes mit erhöhter Umlenkrolle noch verpönt waren – anders als heute, wo sie im Trend liegen. So etwa das Ghost DH von 2011. Umso überraschender ist es, dass die Ghost-Konstrukteure beim neuen Poacha auf diese Hinterbaukonstruktion verzichten. “Für das, was das Poacha können soll, braucht es kein High Pivot”, sagt Konstrukteur Tim Lenz. Mehr dazu im Interview mit Tim weiter unten im Artikel.
Der Reach-Adjust ermöglicht eine Feinabstimmung: Mit dem integrierten Acros-Steuersatz lässt sich der Reach – und damit auch der Radstand – um fünf Millimeter verkürzen oder verlängern. Das ist allerdings aufgrund der Verklebung keine Einstellung, die man mal eben vor dem Ride vornimmt.
Warum mit Verklebung? “Weil’s sonst klappert”, sagt Produktmanager Tim Lenz. Der Reach von 665 Millimetern in Rahmengröße M (in der mittleren Einstellung) passt dem Tester mit einer Körpergröße von 1,78 Metern sehr gut. Im Gegensatz zur Reach-Verstellung im Steuersatz lässt sich der Flipchip auch direkt auf dem Trail verstellen.
Der integrierte Flip-Chip erlaubt eine Anpassung der Geometrie an Einsatzzweck und Terrain. Ab Werk im High-Setting ausgeliefert, lässt sich das Poacha bei Bedarf in die Low-Position umbauen – mit sieben Millimetern tieferem Tretlager, einem Grad flacherem Sitzwinkel und 0,5 Grad flacherem Lenkwinkel. Wir fuhren das Poacha in der steilen Einstellung und verspürten im Testterrain auf Sizilien – auf eher zahmeren, flachen Trails – kein Verlangen nach einer flacheren Geometrie.
Das neue Ghost Poacha bietet serienmäßig folgende Features: Es ist Barspin-ready – ohne Blocklock oder Downtube-Bumper –, Coil-Shock-kompatibel und mit zahlreichen Rahmenprotektoren ausgestattet.
Dank Freigabe für Doppelbrückengabeln mit bis zu 200 Millimetern Federweg ist das Poacha auch für harte Downhill-Strecken gewappnet. Für noch mehr Reserven in forderndem Gelände lässt sich der hintere Federweg durch den Einsatz eines Dämpfers mit 75 statt 70 Millimetern Hub zusätzlich auf 190 Millimeter erweitern.
Ghost bietet das Poacha in drei Ausstattungsvarianten an, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Das Basismodell setzt auf günstiges Rockshox-Fahrwerk mit Zeb Select an der Front und Vivid Select am Heck. Die Pro-Version rüstet mit Fox 38 Factory Grip X2 Gabel und TRP DH-R Evo Bremsen auf mehr Präzision auf.
Als Topmodell präsentiert Ghost das Poacha Full Party, das mit RockShox ZEB Ultimate Gabel, Vivid Ultimate Dämpfer und der kabellosen SRAM GX AXS T-Type Schaltung die Speerspitze der Serie darstellt. Alle drei Modellvarianten setzten auf das bewährte Mullet-Setup mit bewährten Continental Kryptotal Reifen.
Juhu, es gibt sie noch – Freerider ohne Motor! Das Ghost Poacha in der Full-Party-Version ist ein waschechter Freerider mit verspielter Geometrie und solidem Fahrwerk. Wir fuhren das Bike in Rahmengröße M bei einer Körpergröße von 1,78 Metern - das passte sehr gut.
Das Poacha steuert sich quirlig – solange der Trail steil genug ist. In flachen Passagen muss man aktiv pushen, um das Tempo zu konservieren. Das liegt sicher auch am stattlichen Gewicht. Der Vivid-Dämpfer im Heck fühlte sich mit viel Druckstufe deutlich besser an als im Grund-Setup.
Zugegeben: Lieber hätten wir es im Bikepark getestet statt auf einem zahmen Enduro-Track bei der Präsentation in Sizilien. Trotzdem können wir dem Bike klare Freeride-Gene attestieren. Super: Das Bike lässt sich leicht aufs Hinterrad ziehen.
Es bietet zudem eine sehr effiziente Plattform (fast schon auf Block), und man sitzt im Uphill angenehm zentral auf dem Bike. Sinnvoll für einen Freerider, den man auf Forststrassen gemütlich zum Trail-Einstieg pedalieren will. We like!
Das Ghost Poacha ist ein gelungener Freerider – verspielt und agil. Das Bike ist ideal für den Einsatz im Bikepark. Dank solider Uphill-Eigenschaften sind aber auch gelegentliche Enduro-Einsätze möglich, auch wenn das Gewicht nominell eher üppig ausfällt. Für klassische Up-&-Down-Trails ist das Poacha weniger geeignet – muss es als Freerider aber auch nicht sein. – Laurin Lehner, Tester
BIKE: Tim, fast alle Szene-Insider sind sich einig: Bikes ohne Motor haben derzeit nur noch im Bereich bis 140 Millimeter Federweg Zukunft. Ihr bringt nun einen Freerider mit 180 Millimetern ohne Motor – warum?
Tim Lenz: Wir wollen mit dem Bike die spaßorientierte Community ansprechen – und dafür braucht es genau so ein Bike. Unser Athlet:innen-Team spielt dabei eine zentrale Rolle: Die Nachfrage kam direkt von ihnen, und wir haben das Projekt gemeinsam mit viel Leidenschaft angepackt. Ihre Rückmeldungen aus der Praxis haben maßgeblich zur Entwicklung beigetragen.
Und wir glauben fest daran, dass es da draußen viele Fahrer:innen gibt, die genau das suchen – ein robustes, potentes Bike ohne Motor, das für maximalen Spaß im Bikepark gebaut ist. Und auch wenn viele Szene-Insider anderes prognostizieren: Ich teile diese Meinung nicht. Auch wenn wir uns anschauen, wer bzw. was aktuell im Bikepark unterwegs ist. Die Zukunft wird zeigen, wohin die Reise geht.
Das Ghost Poacha ist eine komplette Neuentwicklung. Die Plattform steht – wird es bald eine E-Version geben?
Ja, das stimmt – die Plattform ist eine komplette Neuentwicklung und damit extrem vielseitig. Sie eröffnet uns viele spannende Möglichkeiten, auch über das aktuelle Modell hinaus. Ob da in Zukunft vielleicht eine E-Version kommt? Dazu kann und will ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen – bleiben wir mal gespannt.
Ghost hatte bereits 2011 mit dem Ghost DH ein High-Pivot-Bike im Portfolio. Damals wenig gefragt – heute absolut im Trend. Warum verzichtet ihr beim Poacha darauf?
Weil wir bewusst kein Racebike bauen wollten. Das Poacha richtet sich an den Weekend-Warrior, der im Bikepark unterwegs ist, Spaß haben will und ein zuverlässiges, robustes Bike sucht. In diesem Einsatzbereich bringt ein High-Pivot-Hinterbau keine echten Vorteile – im Gegenteil: Er ist konstruktionsbedingt wartungsintensiver. Für das, was das Poacha leisten soll, war ein klassisches Konzept schlicht die bessere Wahl.
Wäre Aluminium für diesen Einsatzbereich nicht der konsequentere Werkstoff gewesen?
Darüber lässt sich natürlich diskutieren – Aluminium hat ohne Frage seine Vorteile. In unserem Fall sprach aber vieles für Carbon: Vor allem ließ sich das komplexe Kinematik-Layout mit Carbon deutlich präziser und effizienter umsetzen. Und auch in puncto Gewicht und Preis-Leistungs-Verhältnis war Carbon in diesem Projekt die stimmigere Wahl.
Wie bitte, Carbon war günstiger als Alu?
Ja, das überrascht viele – aber Aluminium ist nicht automatisch die günstigere Lösung. Es kommt stark auf die Konstruktion an. Bei komplexen Rahmendesigns wie beim Poacha lässt sich mit Carbon nicht nur funktional mehr herausholen, sondern unter Umständen auch kosteneffizienter arbeiten. So konnten wir eine attraktive Preisgestaltung realisieren – das Poacha startet bei 4999 Euro.