Ja ja, wir wissen, dass die neue potente Generation der Enduro-Bikes den Downhillern den Rang ablaufen wird. Dennoch: Nix schlägt das Feeling, das sich einstellt, wenn man mit einem Doppelbrücken-Bike durchs Gelände ballert. Kein anderes Bike bietet so viel Komfort, Reserven und Speed wie die „Motocrosser“ unter den Mountainbikes. Big Bikes sind die Herrscher im Bikepark und in rauem Gelände. Daher sagen wir: Wer gerne im Bikepark shredden geht, kommt um ein Big Bike kaum drum herum – besonders in anspruchsvollen Parks wie Schladming, Leogang oder Livigno.
Nicht nur der Name war ein Knaller, der komplette Auftritt des Canyon Sender verblüffte 2016 die Szene, denn das Bike besaß einen derart elegant geformten, cleanen Vollcarbon-Rahmen, dass wir es voller Design-Ehrfucht „das iPhone unter den Downhillbikes“ tauften.
Dieses Frühjahr präsentierte der Versender aus Koblenz endlich die dritte Generation seines Big Bikes. Endlich deswegen, weil die Neuauflage schon mehrfach angekündigt und immer wieder verschoben wurde. Das lag daran, dass das Sender dieses Mal kein Lirumlarum-Facelift bekam, sondern ein komplett neues Fahrwerk.
Gemeinsam mit dem Worldcup-Team um Teamchef und Zweifach-Weltmeister Fabien Barel verpassten die Canyon-Ingenieure dem Sender eine High-Pivot-Kinematik – das im Gravity-Sport regelrecht als Heilsbringer verehrte Fahrwerkssystem. Es will den Hinterbau von Antriebseinflüssen entkoppeln, das Hinterrad geschmeidiger nach hinten ausweichen lassen, wenn es von Felsen, Wurzeln und Kanten mit harten Schlägen eingedeckt wird.
Die Folge: viel Traktion und Fahrkomfort. Dafür ist die Konstruktion etwas komplexer. Um den Kettenzug in den Griff zu kriegen, muss die Kette über ein Zahnrädchen umgeleitet werden. Das alles wirkt sich aufs Gewicht aus – doch beim Downhillen gilt, anders als bei allen anderen Bike-Kategorien: leicht ist nicht automatisch gut. Mancher Racer strapst sich sogar Blei unters Tretlager, weil Gewicht Laufruhe erzeugt.
Das Sender ist nur als Mullet-Bike zu haben, was nicht heißt, dass es keine Einstell-Optionen gibt. Im Gegenteil, es gibt jede Menge. So lässt sich per Flipchip der Lenkwinkel um 0,6 Grad abflachen und das Tretlager absenken. Auch den Dämpfer kann man für mehr Progression umhängen. Im Steuerrohr stecken Lagerschalen, die den Reach verändern (+/- 8 mm). Nur die Kettenstreben bleiben gleich (439 mm). Sie sind kurz genug, damit das Bike willig aufs Hinterrad geht.
In Sachen Fahrsicherheit spielt das Canyon in einer eigenen Liga, da können Propain und YT nicht mithalten. Wer auch mal die Ideallinie verlassem möchte, ohne gleich den Notruf anfunken zu müssen, wer die maximale Anzahl an Parklabs sammeln möchte, ohne pumpende Arme und müde Beine und wer eh am liebsten den schroffsten Weg nach unten wählt, dem empfehlen wir ganz klar: Canyon Sender! Das Bike verwöhnt den Fahrer mit Komfort und Kontrolle. Genau das wollten die Ingenieure auch mit dem neuen Fahrwerk und der auf Laufruhe getrimmten Geometrie erreichen. Wir genossen die Vorzüge des High-Pivot-Hinterbaus bei Highspeed und konnten es richtig laufen lassen, wo wir mit den Konkurrenz-Bikes früher in die Eisen stiegen. Dass im Vergleich zum Vorgänger die Park- und Freeride-Eignung beschnitten wurde, liegt im Wesen der Sache.
Bewertung Spinnendiagramm: Sprint, Spieltrieb, Downhill bezieht sich auf das Fahrverhalten: Je größer der Ausschlag, desto besser die Eignung. Ausstattung: setzt sich aus unterschiedlichen Punkten wie Qualität/Verarbeitung. Sprint: Einfluss von Gesamtgewicht und Laufradträgheit. Die BIKE-Note setzt sich aus Praxiseindrücken der Testfahrer und Labormesswerten zusammen. Die Note ist preisunabhängig. Notenspektrum: 0,5–5,5, analog zum Schulnotensystem.
Gesamtgewicht: 18,52 kg ohne Pedale
Gewicht Laufräder: 6073 g
Laufradträgheit: 4975 kg x cm²
BIKE-Messwerte: Laufradträgheit: Je niedriger der Messwert, desto leichter zu beschleunigen. Gewicht ohne Pedale. Laufradgewicht pro Satz mit Reifen, Kassette, Bremsscheiben.
Vollgas bergab? Maximale Fahrsicherheit? Massig Reserven? Wenn das deine Prios sind, liegst du mit dem neuen Sender richtig. Auf keinem anderen Bike konnten wir so kompromisslos draufhalten wie mit dem Sender. Durch die neue Konstruktion hat der Spieltrieb zwar etwas gelitten, dafür bekommt man einen rassigen Downhiller – was aber nicht bedeutet, dass man mit dem Canyon im Park keinen Spaß hat.