Giants Anthem geht bereits ins zwanzigste Modelljahr und zeigt sich angriffslustiger denn je. Die neueste Ausbaustufe des Race-Bikes kommt mit einem komplett neuen Rahmendesign und wurde bereits mit dem Weltmeistertitel in Crans Montana gekrönt.
Was könnte es besseres geben als einen WM-Sieg zur Markteinführung? Der Südafrikaner Alan Hatherly machte mit seinem souveränen Ritt in Crans Montana nicht nur sich, sondern gleich auch das komplette Giant Produktmanagement glücklich. Hatherly fuhr bereits die komplette Weltcup-Saison auf einem Protoyp vom neuen Anthem und pilotierte das nahezu serienreife Bike in der Schweiz zum WM-Sieg. Um das neue Anthem besser und schneller denn je aufzugleisen, wurde der Rahmen von Grund auf neu konzipiert. Auffälligstes Merkmal beim neuen Rahmendesign ist die Abkehr vom Giant typischen stehenden Dämpfer. Durch die Platzierung des Dämpfers dicht unterm Oberrohr erreicht Giant nicht nur seine ambitionierten Gewichtsziele, sondern schafft zeitgleich Platz für eine zweite Trinkflasche im Hauptrahmen.
Doch nicht nur optisch hat sich am Rahmenlayout viel getan. Um das Anthem Advanced SL auf die Höhe der Zeit zu bringen und fit für die gestiegenen Herausforderungen des Weltcups zu machen, stellt das Fahrwerk nun standesgemäße 120 Millimeter Federweg an Front und Heck bereit. Damit zieht das neue Racebike mit der etablierten Konkurrenz wie Scott Spark oder Specialized Epic 8 gleich und bietet mehr Reserven auch abseits der Rennstrecke.
Um nicht nur gleich zu ziehen, sondern sogar noch eine Schippe drauf zu legen, ging das Entwicklungsteam konsequent den neuen Carbon-Rahmen an. Lediglich 1530 Gramm soll der Rahmen in Größe M laut Giant auf die Waage bringen. Damit soll das neue Anthem einen Specialized S-Works Epic 8 Rahmen um immerhin 194 Gramm unterbieten und dennoch eine bessere Steifigkeit und damit einen verlustfreien Vortrieb liefern. Schlüssel zum verbesserten STW-Wert ist zum einem der Flexpoint Pro Hinterbau, der mit nur einem Hauptlagerpunkt auskommt und wie bereits der Vorgänger zusätzliche Kugellager einspart. Um weiterhin Gewicht zu reduzieren, wird der Hauptrahmen im Monocoque-Design aus nur einem Stück laminiert. In dem neu entwickelten Verfahren wird ein einteiliger Bladder (Heizbalg) verwendet, der es erlaubt größere Carbon-Matten mit weniger Überlappung einzusetzen, was das Gewicht reduziert. Zudem soll sich die Tretlager- und Lenkkopfsteifigkeit laut Aussage von Giant im Vergleich zum Vorgänger und auch zum Referenzbike von Specialized erhöht haben.
Doch nicht nur das Herzstück, der Rahmen, entscheidet über die Fähigkeiten eines Racebikes. Um die Kraft des Fahrers verlustarm bis zum Boden zu transferieren, spendiert Giant seinem neuem Anthem zugleich auch noch einen Premium-Laufradsatz. Der 1350 Gramm leichte Laufradsatz verfügt über Carbon-Speichen und fünf Millimeter breite Felgenhörner und kommt bei den drei teuersten Modellen des Anthem zum Einsatz. Die breiten Felgenhörner der Carbon-Felge sollen besonders niedrige Reifendrücke ermöglichen und eine Beschädigung des Reifens bei einem Durchschlag verhindern. Neben dem Giant eigenen XCR-Laufradsatz kommt zudem eine Lenker-Vorbau-Einheit zum Einsatz, die alle Leitungen in einer Vertiefung auf der Unterseite aufnimmt. In Deutschland werden fünf Ausstattungsvarianten von 4500 bis 12500 Euro erhältlich sein.
Im Rahmen der Produktpräsentation in Taiwan konnten wir das Topmodell bereits einen halben Tag lang fahren. Im Top Trimm streichelt das Anthem die Waage nur zart und sprintet mühelos aus jeder Kurve. Die Rahmensteifigkeit fühlt sich sehr hoch an. Vor allem das vordere Rahmendreieck steht wie eine Eins uns lässt keinerlei Torsion zu. Das Anthem findet präzise die Ideallinie.
Mit einem Reach von 470 Millimetern in Größe L, einem Lenkwinkel von 66,5-67 Grad und einem Sitzwinkel von 75,5-76 Grad (je nach Flipchip Einstellung) gibt sich das Giant ausgewogen und modern. In Verbindung mit dem 70er Vorbau sitzt man keinesfalls zu sportlich oder überstreckt, was die Kontrolle in technischen Passagen erleichtert. Sobald es rau wird macht sich das auf 120 Millimeter erstarkte Fahrwerk deutlich bemerkbar. Feinheiten sowie größere Unebenheiten nimmt das sensible Rockshox Fahrwerk bereitwillig auf. Bei 25 Prozent Sag lässt sich der Federweg gut nutzen und besitzt eine angenehme Progression. Ohne Unterstützung des automatischen Lockouts pumpt der Hinterbau leicht im Wiegetritt. Ein zu verschmerzender Nachteil im Vergleich zur gewonnen Traktion, die der Flex-Hinterbau bereitstellt.
Hinter dem Marketing-Blabla stecken in erster Linie zwei Dinge, die den Rahmen des neuen Anthem besonders leicht machen. 1. Der Hauptrahmen wird aus nur einem Stück laminiert, was unnötige Überlappungen und zusätzliche Klebestellen vermeidet. Dazu wurde ein einteiliger Bladder (Heizbalg) entwickelt (zuvor drei), der bereits die exakte Rahmenform besitzt und Harzüberschuss sowie Falten auf ein Minimum reduziert. 2. Dank Roboterunterstützung können die Carbonmatten nicht nur präzise geschnitten, sondern auch perfekt auf dem Bladder und in der Heizform platziert werden. Der Rahmen kommt mit größeren aber weniger Carbonmatten aus besteht nur noch aus 700 Einzelteilen. Das spart Gewicht.
32 Zoll ist im Anmarsch. Ist der Zeitpunkt jetzt ein neues 29er Racebike zu zeigen, nicht etwas spät?
Wir haben vor mehr als drei Jahren mit dem Projekt begonnen. Die Entwicklung ging bereits nahtlos nach dem letzten Anthem weiter. Wir haben quasi nie gestoppt. Wir sehen, dass sich XC-Racing weiterentwickelt hat und reagieren entsprechend. Das positive Feedback von Alan Hatherly hat uns bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Er wollte sogar den Alu-Prototyp im Worldcup fahren, auch wenn er einige Kilos schwerer war. Wir waren und sind also sehr von dem Bike überzeugt, auch wenn sich in der Zwischenzeit in Richtung Laufräder einiges getan hat.
Werden wir im XCO-Weltcup in Zukunft auch noch Bikes mit mehr als 120 Millimeter Federweg sehen?
Ich glaube, wir werden auf jeden Fall 130er Gabeln sehen. Alan experimentiert bereits mit 130 rum, weil er mit Fox keinen Gewichtsnachteil an der Gabel hat. Wenn der Fahrer dadurch einen Vorteil hat, warum nicht. Je nach Strecke macht es Sinn, noch mehr Reserven zu haben.
Welche Rolle wird Elektronik in Zukunft im Rennsport einnehmen?
Elektronik wird generell mehr und mehr Einzug erhalten. Sobald es einen relevanten Vorteil gibt, wird dieser auch genutzt. Mit Flight Attendant hat der Kunde bei unserem Topmodell die Option, die Vorteile eines elektronischen Fahrwerks zu nutzen. Beim zweitteuersten Modell im Lineup war uns der Powermeter jedoch wichtiger als ein elektronisches Fahrwerk.