Mit dem Spearfish löst sich Salsa aus einer Ecke und springt in die nächste. Die Amerikaner sind für zuverlässige Abenteuer-Bikes bekannt und haben sich vor allem mit Gravelbikes und Bikepacking-Spezialisten einen Namen gemacht. Das neu aufgelegte Spearfish präsentiert sich außergewöhnlich performant, schielt mit 120 Millimetern Federweg im Heck sowie einem sportlich geschnittenen Carbonrahmen auf den Cross-Country- und Marathon- Kurs. Doch es wäre kein echtes Salsa, wenn das Spearfish nur im hochgezüchteten Rennzirkus funktionieren würde. Das XC-Fully richtet sich mit seinen verschiedenen Aufbau-Optionen nämlich auch an die Fans rassiger MTB-Touren und will sogar im spaßigen Trailbike-Segment wildern. Bekanntlich funktioniert so viel Vielfalt nur, wenn auch die Ausstattung passt. Unser Testbike geht deshalb in die Vollen. Schön, leicht, teuer: Wie gut der Dreambuild des Salsa Spearfish wirklich?
Konstruiert wurde das Salsa Spearfish, um die härtesten Ein- und Mehrtagesrennen des Planeten zu bezwingen. Das Chassis soll Effizienz und Komfort auch dann noch liefern, wenn der Ritt bereits elf Stunden lang anhält. Dazu setzt Salsa auf ein Konzept, das die Entwickler “Endurance-XC-Geometry” nennen. Ein langer Reach und ein flacher Lenkwinkel sollen das Spearfish für lange, raue Strecken prädestinieren. Kombiniert werden hier ein langes Oberrohr und ein kurzer Vorbau. Dazu lässt die variable Rahmenplattform einen an unterschiedliche Terrains angepassten Aufbau zu. Ein Flip-Chip im Dämpferauge stellt Möglichkeiten fürs Feintuning bereit. Kompakte Kettenstreben und ein steiler Sitzwinkel versprechen das Handling auf verwinkelten und steilen Kursen scharf zu halten. Beim Deluxe-Topmodell des Spearfish kommt die fortschrittlichste Carbon-Konstruktion zum Tragen, welche Salsa je entwickelt hat. Am Rahmen sparen die Amerikaner so rund 255 Gramm im Vergleich zum Standard-Carbon.
Anders als viele moderne XC-Interpretationen setzt Salsa nicht etwa auf eine sogenannte Flex-Stay, sondern auf ein zusätzliches Hinterbaulager im Split-Pivot-Design, bei dem einer der Drehpunkte auf Höhe der Hinterradachse liegt. So soll sich das Heck nicht nur effizient unter Power-Input verhalten, sondern auch beim Bremsen aktiv bleiben. Salsa verspricht einem satten Support in der zweiten Federwegshälfte. 120 Millimeter Hub stehen am Hinterbau parat. Kombinieren lässt sich das im Marathon-Einsatz mit einer 120er Federgabel oder - wie in unserem Fall - mit 130er-Forke für den Downcountry-Einsatz. Mit kürzeren Federelementen verwandelt sich das Spearfish in einen Vollblut-Racer mit je 100 Millimetern Knautschzone vorne wie hinten. Individualisieren lässt sich die Geometrie des jeweiligen Aufbaus mithilfe eines Flip-Chips, welcher Einfluss auf Tretlagerhöhe und Lenkwinkel nimmt. Die maximale Reifenfreiheit beträgt standesgemäße 2,4 Zoll.
Das Salsa Spearfish kommt selbstverständlich mit allen modernen MTB-Standards, wie einem Boost-Hinterbaumaß und einem UDH-Schaltauge. Während die zwei kleinsten Rahmengrößen bereits zwei Flaschenhalteraufnahmen mit an Bord haben, passen in die Größem MD bis XL sogar drei Trinkflaschen. On top gibt es einen Tool-Mount für die Unterbringung eines Reparatur-Kits und zusätzlich einen Montagepunkt auf dem Oberrohr, auf dem sich eine Tasche fest verschrauben lässt. Günstig ist das ausoptimierte Salsa Spearfish 120 Carbon Deluxe Frameset nicht: Mit 3499 Euro reißt das Rahmenkit einen großen Krater ins persönliche Budget.
In den BIKE-Test rollt das Rad in einem individuellen Dreambuild. Dazu gehört ein großes Kit an Wolftooth-Parts. Vom Steuersatz über die Griffe bis zum Dropper-Remote glänzen die charismatischen Markenteile. Sämtliche Befestigungsschrauben am Rahmen wurden durch farbige Tuning-Modelle ersetzt, leichte Carbon-Teile von Race-Face drücken das Gewicht. Ein Fox-Factory-Fahrwerk mit 120 Millimetern Hub hinten und 130 Millimetern vorne soll die Trails zähmen. Die Gänge wechselt eine Sram XX Eagle AXS Transmission Baugruppe und die Carbonfelgen von Crankbrothers drehen sich um sündhaft teure Industry-Nine-Naben. Insgesamt wiegt das Salsa Spearfish so 11,2 Kilo und kostet 12.299 Euro.
Noch in der Werkstatt fällt uns ein Problem mit dem Dreambuild auf. Aufgrund der langen Reach-Werte empfiehlt Salsa Rahmengröße L für bis zu 191 Centimeter große Fahrer. Gleichzeitig baut das Sitzrohr mit 455 Millimetern extrem kurz. Mit der verbauten Fox Transfer SL lässt sich die Sitzhöhe von Testern um 1,90 Metern überhaupt nicht erreichen. Die minimalistischen 100 Millimeter Dropper-Verstellbereich sind offensichtlich deplatziert. Ins Stummel-Sitzrohr würde für klassische L-Fahrer problemlos auch eine Variostütze mit dem doppelten Hub passen. Manch einer dürfte sogar über noch mehr nachdenken, um die Vorteile dieses Geometrie-Konzeptes wirklich nutzen zu können, wird aber bei manchem Hersteller durch den 30,9er-Sitzrohrdurchmesser des Salsa limitiert.
Abgesehen davon fühlten wir uns auf dem Spearfisch von Anfang an wohl. Die Sitzposition ist sportlich-gestreckt und die tiefe Front lädt zum Kilometer-Schrubben ein. Dass das Salsa in der Ebene trotzdem nicht ganz so locker-flockig nach vorne geht, wie andere Marathon-Bikes, liegt zu großen Teilen an den mäßig rollenden Teravail-Reifen. Der Hinterbau nickt beim Treten leicht mit und knautscht im Wiegetritt deutlich, lässt sich aber mittels dreistufiger Dämpferplattform beruhigen.
Die Traktion am Hinterbau ist beeindruckend gut und eine der klaren Stärken des Salsa Spearfish. Trail-Rampen und grobe Forstpisten sind genau das Metier des Marathon-Bikes. Kompetent überträgt das System in technischen Uphills die Kraft auf den Boden und ist dabei hervorragend komfortabel. Wird es richtig steil, fängt das Vorderrad dezent an zu tänzeln - ein Zusammenspiel aus kurzen Kettenstreben, flachem Lenkwinkel und dem sensiblen Hebel des kurz-breitem Cockpits. Apropos: Im Testaufbau kombiniert Salsa einen 40-Millimeter-Vorbau mit einem flachen 800-Millimeter-Lenker mit dickem 35er Klemm-Maß. Die Paarung schafft zwar ein sehr direktes Lenkverhalten, ist aber auch auffallend steif und reicht Vibrationen an den Fahrer weiter. Da helfen auch die dicken Wolftooth-Griffe nicht mehr.
Das Salsa Spearfish will Fleisch und Fisch, Race- und Trailbike gleichzeitig sein. Wie unsere Tests ähnlicher Ansätze (zum Beispiel Specialized Epic 8 oder Kona Hei Hei) zeigen, hängt es stark von zwei Zutaten ab, ob das Rezept am Ende auch wirklich schmeckt: Bremsen und Reifen. Der Individualaufbau unseres Testbikes setzt jeweils auf eine Kompromisslösung. Die Formula Cura X Bremsen können in Kombination mit 180er-Scheiben per se eine gute Verzögerungsleistung bieten. Allerdings ist ihr Druckpunkt weniger definiert, als bei vielen Stoppern der Konkurrenz, sodass höhere Handkräfte nötig und lange Abfahrten anstrengend werden. Zudem ist der filigrane Carbon-Hebel nicht sonderlich steif gelagert. Den exotischen Teravail-Reifen konnten wir auch in der Abfahrt leider nur wenig abgewinnen. Während der Grip im Trockenen noch passt, fallen Nasshaftung und Bremstraktion unterdurchschnittlich aus. Besser wäre in unseren Augen die Kombination eines aggressiveren Trail-Reifens vorne und eines etablierten Race-Modells hinten gewesen.
Neigt sich der Pfad gen Tal, sorgen der lange Hauptrahmen und das sensible Fahrwerk für Sicherheit. Die Laufruhe ist der eines Trailbikes durchaus würdig. Der Fahrer ist gut ins Bike integriert und kann selbstbewusst in die Ideallinie reinhalten - solange er weiß das tiefe Cockpit zu managen. Schnelle Downhills beherrscht das Salsa also, wobei größere Features und heftige Wurzeltrails das Spearfisch in die Schranken weisen: Die 120 Millimeter Federweg sind merklich schneller am Limit als größere Trailbike-Systeme mit zehn oder gar 20 Millimetern mehr Knautschzone. Gleichzeitig übertrumpft das Salsa die allermeisten Marathon-Fullys in Sachen Fahrwerksreserven: Damit geht was! Die Fox 34 ist leicht, steif und steht mit der Grip Sl Dämpfung etwas höher im Federweg als Modelle mit Grip X Dämpfung. Ihr sportlich-definierter Charakter passt hervorragend zum Spearfish.
Auf flowigen Pfaden hatte ich lange nicht mehr eine solche Gaudi, wie mit dem Geometrie-Konzept des Salsa. Eine niedrige Überstandshöhe, ein definiertes Fahrwerk und extrem kompakte Kettenstreben treiben den Fun-Faktor in die Höhe. Harte Trails bringen das Downcountry-Bike ans Limit. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Ein Feuerwerk zündet das Salsa Spearfish auf sanften bis abwechslungsreichen Trails. Dann nämlich kann die progressive Geometrie ihre Handling-Stärken voll ausspielen. Die mit 431 Millimetern superkurzen Kettenstreben machen aus dem 11,2 Kilo leichten Bike eine Manual-Maschine. An jeder Kuppe lädt der unkomplizierte Charakter zum Abziehen ein. Salsa lässt das kompakte Heck auch in den oberen Rahmengrößen nicht mitwachsen, was nicht allen Bikern gefallen dürfte. Mit Schuhgröße 48 ging die Ferse ab und an sogar auf Tuchfühlung mit dem Sram-Transmission-Fahrwerk - so kurz ist das Heck. Trotz Sensibilität bietet das Fahrwerk auch ein gutes Feedback vom Untergrund und unterstützt den Spieltrieb des Salsa.
Bei BIKE betreiben wir einen beispiellosen Aufwand, um Fahrräder zu testen. Als einziges Fachmagazin weltweit betreiben wir ein eigenes Testlabor. Die ermittelten Daten stützen die Eindrücke aus dem Praxistest. Auch bei den Geometriedaten verlassen wir uns nicht ausschließlich auf die Herstellerangaben, sondern setzen selbst das Lasermessgerät an.
In diesem Dreambuild ist das Spearfish weder konsequenter Racer noch vollwertiges Trailbike. Trotzdem hatte ich auf dem Salsa eine verdammt gute Zeit, denn das Rezept aus progressiver Geometrie und leichtem Aufbau sorgt auf Touren mit hohem Trailanteil für Fahrspaß satt. On top kommt eine beeindruckende Langstrecken-Eignung. Schade, dass der Exot in Deutschland so teuer ist. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur