Jan Timmermann
· 19.04.2024
Der Name Pinarello Dogma stand lange Zeit ausschließlich für High-End-Rennräder. Die Straßenradsport-Szene leckt sich noch heute die Finger nach dem charismatischen italienischen Design der Renner. Mit dem Engagement der Ineos Grenadiers Mannschaft eroberten Radsport-Superstars, wie Tom Pidcock und Pauline Ferrand-Prévot die Crosscountry-Disziplin der Mountainbiker. Und das mit vollem Erfolg: Bei der letzten MTB-Weltmeisterschaft 2023 gingen die Top-Podiumsplätze der Frauen und Männer an Pidcock und Ferrand-Prévot. Beide fuhren Mountainbikes mit der Aufschrift “Dogma”. Pinarello veröffentlichte erste Details zum neuen Super-Hardtail, schwieg sich aber über die Markteinführung des Fullys aus. Auf der Homepage der Italiener suchte man bislang vergebens nach Infos zu Pinarello Fahrrädern mit breiten Reifen. Pünktlich zum Olympia-Jahr lässt Pinarello die Katze endlich aus dem Sack und stellt die Dogma XC Linie in aller Ausführlichkeit vor.
Etwas kompliziert machen die Italiener ihren Crosscountry-Markteintritt dann doch. Unter dem Namen “Dogma XC” fährt ab sofort das Fully an die Startlinie. Nomen est omen verbirgt sich hinter dem Label “Dogma XC Hard Tail” ein Racebike mit starrem Heck. Zusätzlich bringt Pinarello eine etwas kostengünstigere Linie, in der das Fully lediglich den Namen “XC”, das Hardtail den Namen “XC Hard Tail” trägt. Während die Rahmen mit dem Dogma-Prädikat aus leichtem Toray M40J Carbon bestehen, sind die Bikes ohne Namenszusatz aus dem einfacheren Toray T900 UD laminiert.
Sowohl als Fullsuspension-Bike als auch als Hardtail soll das Pinarello Dogma XC über dieselben zentralen Attribute verfügen. Dazu gehört eine nach Angaben der Italiener extrem hohe Steifigkeit im hinteren Rahmendreieck sowie im Tretlagerbereich. Während die Ingenieure dies am Hardtail durch ein spezielles Dreiecksdesign erreichen wollen, profitiert die Fully-Variante zudem von einem übergroßen Drehpunkt mit großem Lager. Äußern soll sich das steife Heck auf der XC-Rennstrecke durch eine maximierte Kraftübertragung sowie eine reaktives Handling. Ein patentiertes, asymmetrisches Hinterbau-Design soll diese Eigenschaften noch verstärken. Dazu wurde die Nicht-Antriebs-Seite verstärkt, um die dort auftretenden höheren Kräfte besser zu managen.
Einen besonderen Clou hat sich Pinarello beim Hinterbau-Design des neuen Dogma XC Fullys gleich patentieren lassen. Zwei separate Halbdreiecke werden im Hauptdrehpunkt über eine zweigeteilte Achse zusammengeführt. Die benötigte Stabilität soll über deren Zahn-Profil erreicht werden. Diese Bauweise verspricht eine Verbindungsbrücke zwischen den beiden Hinterbau-Seiten überflüssig zu machen. So kann das Pinarello Dogma XC breite Reifen bei gleichzeitig kurzer Kettenstrebenlänge aufnehmen. Zudem fällt eine entscheidende Stelle weg, an der sich Schmutz festsetzen könnte. Wie inzwischen fast alle Crosscountry-Fullys verzichtet das Dogma XC auf ein viertes Lager am Hinterbau, sondern kommt mit sogenannten Flex-Stays. Das spart nicht nur Gewicht, sondern verbessert auch die Steifigkeit des Carbon-Rahmens.
Erklärtes Ziel bei der Entwicklung des Pinarello Dogma XC Fullys war es ein Fahrwerk zu kreieren, welches nicht nur einen idealen Kraft-Transfer zwischen Fahrer und Bike ermöglicht, sondern auch in technischen Abfahrten durch optimale Federung und Dämpfung eine hohe Kontrolle bietet. Durch einen Mix aus klassischen Lagern und Gleitbuchsen will Pinarello die Reibung in den Drehpunkten minimiert haben. An Stellen mit großer Bewegung und niedriger Belastungen kommen Lager zum Einsatz, während an den Punkten, wo nur eine kleine Bewegung aber eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen auftretende Kräfte gefragt ist, Gleitbuchsen verwendet werden. Zu den Vorteilen dieses Konzeptes sollen nicht nur verringerte Energieverluste, sondern auch ein besseres Ansprechverhalten und eine lange Haltbarkeit zählen.
Eine Besonderheit des neuen Pinarello Dogma XC Fullys ist ein variabler Hinterbau-Federweg. Die obere Dämpferaufnahme lässt sich verstellen und der Carbon-Rahmen kann mit unterschiedlich langen Federbeinen aufgebaut werden. Entsprechend der Ansprüche an die Strecke und persönliche Vorlieben kann der Federweg von 100 auf 90 Millimeter umgebaut werden. Pinarello empfiehlt entsprechend die Verwendung einer Federgabel mit entweder 120 oder 100 Millimetern Hub. Bei letzterer Konfiguration geben die Italiener in Rahmengröße S und M einen Lenkwinkel von 67,5 in Größe L und XL von 68 Grad an. Die Kettenstreben sind mit 425 Millimetern auffällig kurz gehalten. Derweil fällt der Sitzwinkel mit über 75 Grad modern-steil aus. Beim Reach ist das neue Pinarello Fully mit 480 Millimetern in Größe L auf der langen Seite für ein Racebike.
Das Dogma XC Hard Tail ist auf Gabeln mit 100 Millimetern Federweg ausgelegt. Auch das Bike ohne Hinterbau-Dämpfung kommt mit ausladendem Reach-Wert (470 Millimeter in Größe L) und super kompakten Kettenstreben. Diese wachsen mit der Rahmengröße von 418 Millimetern in Größe S auf 426,3 Millimeter in Größe XL. Ebenso ist der Lenkwinkel größenabhängig und steigt in 0,25-Grad-Scxhritten von 67,5 Grad in Größe S auf 68,25 Grad in Größe XL. Die Sitzrohre des Hardtails bauen etwas kürzer, als die des Fullys, jedoch kommen nur die vollgefederten Komplettbikes mit einer Variostütze.
In die Optimierung eines XC-Cockpits hat Pinarello viel Entwicklungsaufwand investiert. Ausnahmslos alle Bikes kommen mit einem neuen Carbon-Einteiler, der im Vergleich zu einer klassisch-zweiteiligen Kombination aus Vorbau und Lenker Gewicht sparen und die Lenkpräzession verbessern soll. Während die Schaltung via Funk angesteuert wird, laufen die Seilzüge für den Fahrwerks-Remote ebenso, wie die Leitung der hinteren Bremse durch das Carbon-Cockpit ins Rahmeninnere. Ein in den Steuersatz integrierter Lenkanschlagsbegrenzer stoppt bei 60 Grad Drehung und soll so Beschädigungen vorbeugen. Am Hinterbau setzt Pinarello auf eine Flatmount-Bremsaufnahme.
Nicht nur Pinarello schielt mit der Neuvorstellung seiner Racebikes auf olympisches Gold auch andere Hersteller, wie Ghost oder Liv stellten kürzlich ihre neusten Rennfeilen vor.
Mountainbikes im Niedrigpreis-Segment wären bei den für die Rennräder von Pinarello aufgerufenen Summen erstaunlich gewesen. Die Italiener bleiben sich aber treu und setzen mit den Dogma XC Bikes auf zahlungskräftige Kundschaft. Zwar erreichen die Bikes nicht die Mondpreise der Topmodelle von Specialized oder Yeti, platzieren sich aber auf Augenhöhe mit luxuriösen Konkurrenten, wie etwa von Cannondale. Bei den Preisen für die Rahmensets geht Pinarello mit 6000 Euro beim Fully und 5000 Euro beim Hardtail dann aber in die Vollen. Gleichzeitig erreichen die Herstellerangaben beim Rahmengewicht der neuen Pinarello Mountainbikes zwar passable Zahlen aber keine Bestwerte.
Alle Komplettbikes kommen mit elektronischer Funkschaltung der Sram Transmission Baureihe, Bremsen von Shimano und Federelementen von Fox. DT-Swiss-Laufräder unterschiedlicher Güteklasse und das hauseigene Carbon-Cockpit komplettieren den Aufbau. An den Reifen vertraut Pinarello durchgehend auf das Modell Maxxis Rekon Race. Während vorne 2,35 Zoll breite Gummis spezifiziert werden, gibt es hinten flächendeckend nur 2,25 Zoll Breite - und das obwohl Pinarello mit einer extra großen Reifenfreiheit wirbt. Die Dogma XC Modelle sind in je zwei Farbvarianten zu haben. Das Fully und das Hardtail der XC-Reihe gibt es nur in Schwarz.