Jan Timmermann
· 21.04.2025
Als Specialized vor einem Jahr das Epic 8 der Weltöffentlichkeit präsentierte, staunten wir nicht schlecht: 120 Millimeter Federweg mit Option auf mehr, progressive sowie anpassbare Geometrie, Staufach sowie clevere Details und das alles bei einem konkurrenzfähig leichtem Rahmengewicht. Wer die Chance hat ein Bein über das neue Epic zu werfen, dem blüht eine Überraschung. Kaum ein anderes Bike demonstriert so eindrücklich, wie gut Race-Bikes heute sein können. Auch das beste Cross-Country- und Marathon-Bike ist allerdings nur so gut, wie seine Haltbarkeit. Im Test scheuchten wir das 7500 Euro teure Specialized Epic 8 Expert durch alle denkbaren Szenarien: alltägliche Brot-Und-Butter-Fahrten, hochalpine Enduro-Trails und als Saisonhighlight das härteste MTB-Etappenrennen Europas. Im Dauertest hatte das Specialized wenig Glück mit dem Wetter und die Technik musste enorm viele Folter-Fahrten einstecken. Besonderes Bonbon: Um die Vielseitigkeit der Plattform auf die Probe zu stellen, bauten wir es im Laufe des elfmonatigen Tests auf die Evo-Version mit 130 Millimetern Federweg um.
Schon auf dem Papier ist das neue Epic eine geile Kiste. Ich war sehr gespannt, wie sich eine so hoch entwickelte Maschine im erbarmungslosen Biker-Alltag schlagen würde. Dass ich das Specialized so viel Schlamm aussetzen würde, wie noch kein anderes Bike in meinem Leben, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Bereits nach unserem Test des neusten Specialized S-Works Epic war mir klar, dass dieses Bike zu den aktuell besten Marathon-Fullys des Planeten gehören muss. Mit Blick auf das Highlight des Jahres, meiner ersten Teilnahme am legendären Mehrtagesrennen BIKE Transalp, schien das Epic 8 die perfekte Wahl. Ich wollte zudem unbedingt herausfinden, wie sich so ein ausgeklügeltes Race-Bike im Alltag schlagen würde. Die wenigsten Kunden kaufen ein Mountainbike für Hochglanz-Rennen bei perfekten Wetterbedingungen. Sie wollen ein Bike, das auf Trainingsrunden, im Urlaub aber eben auch im Wettkampf hält, was es verspricht. Die ersten Ausfahrten auf den Hometrails machten Lust auf mehr. Die lange, flache Geometrie kann bergab so manchem Trailbike das Wasser reichen. Ein langes Front-Center und ein flacher Lenkwinkel sorgen für Laufruhe. Die 435 Millimeter kurzen Kettenstreben halten das Handling unkompliziert und agil. Gleichzeitig ist das Epic verhältnismäßig leicht und lässt sich mühelos in die Ideallinie steuern.
Um mich auf die Strapazen der BIKE Transalp vorzubereiten, fuhr ich für ein fünftägiges Trainingslager zu meinen Teampartner am Rande des Odenwalds. Abschließendes Highlight sollte die Langdistanz des Odenwald Bike Marathons sein, auf der bereits die Deutsche Meisterschaften im XCM ausgetragen wurden. Der Wettergott hatte andere Pläne und versenkte die vordere Bergstraße in ergiebigem Dauerregen. Wir versuchten trotzdem täglich rund vier Stunden auf den Bikes zu sitzen. Vermutlich habe ich noch nie ein Bike in so kurzer Zeit einem solchen Stresstest unterzogen. Trails wurden zu Flüssen und das Epic musste mit Unmengen an flüssigem Dreck klarkommen. Trotz der widrigen Umstände schlug sich das Bike gut und machte die Misshandlung ohne Murren mit. Die sportliche Sitzposition prädestiniert das Epic für kilometerreiche Strecken. Hier ist man den ganzen Tag lang gut aufgehoben. Der Odenwald Bike Marathon jedoch wurde leider abgesagt - Rettungskräfte hätten in den Schlamm-Massen keine Chance gehabt.
Sieben Tage, gut 500 Kilometer und 16.000 Höhenmeter im Renntempo über das größte natürliche Hindernis Europas: Die BIKE Transalp war aufgrund ihrer schieren Länge als absolute Härteprüfung für das Specialized Epic 8 geplant. Im Renneinsatz schlug sich das Bike hervorragend und ließ mich nie im Stich. Keine Defekte, keine Platten - das ist bei dieser Belastung beachtlich. Für Cross-Country-Reifen erzeugt die Specialized-Kombi erstaunlich viel Grip. Unser BIKE-Testlabor bescheinigte den Roval-Laufrädern aus Carbon gute Beschleunigungswerte, die ich aus Praxiserfahrung bestätigen kann. Dank zwei Flaschenhaltern war immer genug Flüssigkeit an Bord und dank Pannenset im Rahmenstaufach konnten die Trikottaschen für Energieriegel frei bleiben.
Wie es sich für ein Marathon-Bike gehört, zeigte sich das Fahrwerk des Specialized Epic erfreulich antriebsneutral. Die per Drehgriff am Lenker gleichzeitig an Gabel und Dämpfer in drei Stufen verstellbare Plattform bot für jedes Terrain das richtige Setup. 120 Millimeter Federweg mögen in vielen Ohren wenig klingen, zusammen mit der progressiven Geometrie des Epic 8 ergeben sich aber jede Menge Reserven. Nicht nur, dass das Bike ein besserer Abfahrer ist, als vor ein paar Jahren noch jedes Trailbike, auf langen Strecken schont der Extra-Hub im gut funktionierenden Fahrwerk auch den geschundenen Körper. Dank 170 Millimetern Verstellbereich schafft die X-Fusion Teleskopstütze den Sattel zuverlässig aus dem Weg. Es gibt also gute Gründe, warum man das Specialized Epic im Startblock vieler Marathons häufig sieht.
Nach Ende der BIKE-Transalp zog es mich wieder auf entspanntere Touren und kleine Tages-Abenteuer. So entführte ich das Specialized Epic Dauertest-Bike auf die ein oder andere Runde durch die bayerischen Voralpen. Mehr als einmal traf ich dabei auf ausgewachsene Enduro-Trails. Im ausgesetzten, steilen Gelände waren es wieder einmal nicht Fahrwerk und Geometrie, die dem Bike seine Grenzen aufzeigten, sondern die zahmen Bremsen. Für ein Race-Bike gerade noch stark genug, besitzen die Sram Level bei weitem nicht das Potential des Specialized Epic. Auch die bislang überzeugenden Cross-Country-Reifen fanden auf feuchten Wanderpfaden ihr Grip-Limit. Dafür ist das Epic (oder zumindest dessen Ausstattung) eben doch nicht ausgelegt. Vielseitigkeit bewies das Testbike wiederum bei einem Camping-Roadtrip durch Finnland und Schweden. Gemeinsam mit dem Epic hatte ich Spaß in kleinen Trailparks und suchte mir Wege durch wildes Hinterland. Im Dauertest hat das Specialized Epic wirklich alles gesehen und das allermeiste davon mit Bravour gemeistert.
Schlamm und Matsch verkürzen erfahrungsgemäß die Lebensdauer von Lagern - zumindest, wenn diese nicht perfekt abgedichtet sind. So erreichte das Sram Dub Tretlager nur eine ernüchternde Laufleistung und drehte sich bereits nach 1500 Kilometern rau. Zum Ende des Dauertests ist das Teil defekt und hat sogar Spiel entwickelt. Gleiches Schicksal traf den Steuersatz. Specialized verbaut eine ovale Abdeckung. Das hat zur Folge, dass bei jedem Einlenken die Fixierung des Lenkanschlagsbegrenzers offen liegt. Bei sehr nassem Wetter kann sich an der Schraube Wasser sammeln und auf Dauer in den Steuersatz eindringen. Ein Wechsel wäre bereits nach 1700 Kilometern angemessen gewesen. Zum gleichen Zeitpunkt, nämlich nach Abschluss der BIKE Transalp, fing die Rockshox Federgabel auf den ersten Millimetern an rau zu laufen. Die Ursache: trocken gelaufene Dichtungen. Ein kleiner Gabel-Service konnte Abhilfe schaffen.
Auch die Specialized-Reifen waren nach 1700 Kilometern abgefahren. Gleichzeitig brachten sie die vielleicht beeindruckendste Leistung des Dauertests und blieben trotz hartem Trail- und Renneinsatz bis zu diesem Zeitpunkt defektfrei. Generell bot die Laufrad-Reifen-Kombi mit Tubeless-Setup im gesamten Testzeitraum keinen Anlass zum Kummer. Die Lager der DT-Swiss-Naben laufen noch immer, wie am ersten Tag. Einzig die aufgeklebten Decals der Roval-Carbon-Laufräder lösen sich inzwischen ab. Mehr Abnutzung zeigte da ein weiteres typisches Verschleißteil. Beschleunigt durch den Schlamm des Marathon-Trainingslagers war der erste Satz Bremsbeläge schon nach knapp 1000 Kilometer durch. Das nächste Paar verschlang die BIKE Transalp mit ihren rund 17.000 Tiefenmetern. Ein drittes Paar ist zu Testende fällig. Schön und nicht selbstverständlich: Die X-Fusion Variostütze funktioniert weiterhin ohne Probleme. Bis auf ein leichtes seitliches Spiel liefert sie ein gutes Bild ab.
Auch der Antrieb zeigte nach der Transalp im Renntempo (Kilometerstand 1700) erste Verschleißerscheinungen. Trotzdem lief er weiter und begleitete das Specialized Epic bis zum Ende des Tests ohne größere Probleme. Die Sram GX AXS Transmission Funkschaltung lief über die mehr als 3000 Kilometer zuverlässig und defektfrei. Einmal musste die Knopfzelle im Controller gewechselt werden. Kettenblatt, Kette und Kassette haben nun ihre Verschleißgrenze überschritten und sollten ausgetauscht werden. Auch am Lack ging der viele Matsch nicht spurlos vorbei. Wenn auch hochwertig verarbeitet, weißt die Lackierung einige Kampfspuren, vor allem an den Sitzstreben, auf. Kurz vor Ende des Dauertests fielen in der Wippe lockere Verschraubungen auf, die problemlos festgezogen werden konnten. Der Abschluss-Check im BIKE-Testlabor offenbarte ein nicht mehr taufrisches Hauptlager. Alle anderen Rahmenlager laufen noch sauber.
Mit 7500 Euro UVP ist der Anschaffungspreis fürs Specialized Epic 8 Expert happig aber auf Augenhöhe mit anderen topaktuellen Marathon-Fullys ähnlicher Güteklasse, wie etwa dem Cannondale Scalpel oder dem Mondraker Podium. Wer die Augen offen hält, findet das Epic 8 Expert auf Gebrauchtportalen bereits ab 5000 Euro in neuwertigem Zustand. Glück braucht man allerdings für die passende Rahmengröße. Der Wertverlust von circa 3000 Euro für unser Testbike ist nach nur elf Monaten schmerzhaft. Verschleißteile für insgesamt rund 345 Euro sind gemessen an Fahrleistung und Einsatz (leider) normal.
Die Tester-Erfahrung zeigt: Selbst beim Preispunkt von über 7000 Euro sind längst nicht alle Marathon-Fullys in Auslieferungszustand race-ready. Anders das Specialized Epic 8 Expert. Eigentlich könnte man das Bike beim Händler abholen und sofort auf die Langstrecke starten. Zwecks persönlicher Vorlieben montierte ich einen Selle Italia SLR Sattel und Innerbarends von SQlab. Beim Cockpit tauschte ich die völlig problemfreien Originalteile aus rein optischen Gründen gegen einen BikeYoke Barkeeper Vorbau in 55 Millimetern länge und einen auf 760 Millimeter gekürzten Hope Carbon Bar. Um den Sram Level Bremsen für alpine Abfahrten etwas mehr Biss zu verleihen, kombinierte ich sie mit Power-Belägen und größeren Scheiben von Trickstuff (200/180 mm). Dabei konnte ich durch Bremsscheibenschrauben aus Titan ein paar Gramm einsparen. Die Serien-Griffe ersetzte ich durch günstige ODI Longneck, welche ich seit BMX-Zeiten für ihre gute Dämpfung schätze und die sich einfach für die Kompatibilität mit dem Drehgriff abschneiden lassen.
Nach gut 2000 Kilometern auf dem Specialized Epic 8 näherte sich die MTB-Saison 2024 dem Ende und ich entschied dem Marathon-Fully für das letzte Drittel des Dauertests ein gänzlich neues Leben einzuhauchen. Durch den Austausch von Gabel und Dämpfer ist es möglich dem Epic vorne und hinten je zehn Millimeter mehr Federweg zu verpassen. Specialized verkauft die Version mit dem Namenszusatz “Evo”. Das Specialized Epic 8 Evo von der Stange konnten wir bereits ausgiebig testen. Für meinen Umbau entschied ich mich in die Vollen zu gehen, gönnte dem Bike ein Fox Factory Fahrwerk und einen Roval Trail-Laufradsatz aus Kohlefaser, der bei härterer Gangart nochmals mehr Stabilität versprach. Ein Reifenwechsel stand im Spätherbst ohnehin an. Leider waren die Sram Level Bremsen trotz vier Kolben, bissfesten Belägen und großen Scheiben nicht stark genug, um meine rund 85 Kilo Fahrergewicht in anspruchsvollen Trailabfahrten zu verzögern. Ich wechselte deshalb erst auf eine Hope X2, anschließend auf die neue TRP Evo X.
Nach dem Umbau hatte das Specialized Epic rund 700 Gramm mehr auf den Rippen und brachte es im Edel-Aufbau und in Rahmengröße XL immer noch auf beachtliche 12,15 Kilo. Damit gehört das Epic Evo zu den aktuell leichtesten Trailbikes am Markt. Die Geometrie-Veränderung ist geringfügig und lässt sich über den Flip-Chip individualisieren. Am Charakter des Bikes ändert der Umbau der Teile eher wenig. Verglichen mit der potenten Konkurrenz in der Trailbike-Kategorie bleibt das Epic als Evo ein vortriebsorientiertes, straffes Bike. Für lange, sportliche Touren mit großem Trailanteil ist das ideal. Komfort und Reserven gibt es bei anderen Konzepten mehr. Ein Plus an Reifengrip und Bremspower ist ein Gewinn fürs Specialized, ließe sich aber auch ohne Komplettumbau an der Marathon-Version realisieren. Die zusätzlichen Federwegsreserven helfen auf ruppigen Trails. Im direkten Vergleich wird jedoch nochmals deutlich, wie gut das Epic bereits mit 120 Millimetern Hub das Gelände beherrscht.
Als Fahrmaschine ist das Specialized Epic 8 aktuell kaum zu schlagen. Die Paarung aus extrem progressiver Geometrie und kontrolliertem Fahrwerk mit Extra-Reserven kann in jeder Lebenslage überzeugen. Details, wie Staufach und Flip-Chip, sind im breiten Einsatzbereich von XC über Tour bis Trail ein echter Mehrwert. Marathon-Racer dürfte es freuen, dass Specialized trotz allem noch einen Sweetspot beim Gewicht trifft. In der Ausstattungsvariante Expert ist das Epic 8 out of the box race-ready. Während die Fahreigenschaften also erstklassig sind, ist die Haltbarkeit nur Durchschnitt. Als Konzept geht das Epic besser auf, als das Epic Evo.