Auf den ersten Blick versetzt uns das Cube AMS One11 C:68X Pro 29 ins Staunen. Wow! Der Carbonrahmen in Hochglanz-Metallic-Lackierung und formschön abgedeckten Hinterbaulagern kommt gut an. Dazu ringen uns die Shimano-XT-Schaltung und die Newmen-Teile ein anerkennendes Kopfnicken ab. Zum attraktiven Preis von 3799 Euro stellt Cube ein wirklich schönes Fully auf die Reifen. Das Konzept mit 120 Millimetern Federweg vorne, beziehungsweise 110 Millimetern hinten, Trail-tauglicher-Ausstattung und fairem Preisschild dürfte viele Touren-Biker magisch anziehen. Da braucht es schon ein geschultes Auge, um an diesem Deal auf dem Händler-Parkplatz irgendwelche Haken zu erkennen. Im direkten Vergleich mit dem Canyon Lux Trail CF7 fanden wir aber doch noch das ein oder andere Haar in der Suppe.
Ein Blick auf die Geometrietabelle verrät, dass Cube am AMS One11 in Sachen Sitzposition einen konservativen Weg wählt. Der Sitzwinkel fällt extrem flach, das Oberrohr trotzdem kurz aus. So kommt es, dass der Fahrer zwar recht ausgewogen im Sattel Platz nimmt, jedoch kaum Druck auf die Front bringt. Zusammen mit positiv gewinkeltem Vorbau und 25 Millimeter Lenker-Rise steigt das Vorderrad an steilen Rampen deutlich schneller als bei Canyon. Bei seichten Steigungen im welligen Gelände geht die Rechnung noch auf, dann stört eher das höhere Laufrad- und Gesamtgewicht. Der Dämpfer verzichtet auf einen Lenker-Remote, wippt jedoch nur wenig und kann via Plattform-Hebel zusätzlich beruhigt werden. Die griffigen Reifen können die schwache Traktion des Hinterbaus leider nicht kaschieren. Bergauf bleibt das Cube hinter dem leichteren und sportlicheren Duellgegner von Canyon zurück.
Neigt sich die Tour gen Tal, vermitteln die hohe Front und der flache Lenkwinkel des Cube AMS One11 C:68X Pro 29 viele Sicherheitsreserven. Selbst mit richtig steilen Trails kommt die Geo des kurzhubigen Cubes gut zurecht. Ähnlich eines klassischen Trailbikes steht der Pilot entspannt im Bike und das kontrollierte Handling gibt sich gefällig. Cube beweist eindrucksvoll, dass heute auch günstige Fahrwerkskomponenten feinfühlig funktionieren können. Die einfache Rockshox-Recon und der Trailbike-Dämpfer Deluxe filtern Schläge erstaunlich sensibel aus dem Trail. Wird das Gelände anspruchsvoller und die Fahrt flotter, geizt die Gabel allerdings mit Progression und kommt trotz mehr Federweg früher ans Limit als der Hinterbau. Apropos: Dieser setzt nicht, wie bei Racebikes üblich auf einen Flexpivot, sondern auf ein zusätzliches Lager in der Kettenstrebe. Bei schneller Schlagabfolge hilft das leider nicht. Dann parieren die lediglich 110 Millimeter Federweg im Heck hölzern und der Hinterbau fängt im Wurzel-Stakkato schon mal das Stottern an.
Bewertung des Cube AMS One11 C.68X Pro 29 im BIKE-Spinnendiagramm: Uphill, Spieltrieb und Downhill bezieht sich auf das Fahrverhalten. Je größer der Ausschlag, desto besser die Eignung. Die Bewertung der Ausstattung setzt sich aus unterschiedlichen Punkten wie Qualität, Verarbeitung, Usability, Flaschenhaltervolumen und Sattelversenkbarkeit zusammen. Der Ausschlag beim Vortrieb bezieht sich auf den Einfluss von Gesamtgewicht und Laufradträgheit.
Auch wenn das Cube im ersten Eindruck erfreulich viel fürs Geld bietet, entlarven Profis ziemlich schnell einige Schwachstellen im Paket. Die Newmen-Felgen stammen aus dem untersten Fach des Produkt-Portfolios und sind gesteckt anstatt verschweißt. Obwohl auf dem Schaltwerk das prestigeträchtige Shimano-XT-Logo prangt und der XT-Hebel schön knackig am Finger liegt, entspringen Kassette und Kette “nur” der SLX-, beziehungsweise Deore-Serie. Die einen nennen das einen Blender, die anderen geben ohnehin nichts auf teure Verschleißteile. Beim Thema Servicefreundlichkeit bleibt allerdings kein Diskussionsspielraum. In dieser Kategorie der BIKE-Bewertung schneidet das Cube AMS One11 außerordentlich schlecht ab. Die abgedeckten Hinterbaulager sind zwar schön anzuschauen, machen beim Bedarf nach einem Wechsel aber zusätzliche Zeit in der Werkstatt notwendig.
Mit einem verpressten Tretlager und kaum Rahmenschutz lassen die Bayern zusätzliche Nachhaltigkeits-Punkte liegen. Wer lange an seinem Cube-Bike Spaß haben möchte, sollte vor Gebrauch in Schutzaufkleber und Protektoren für die Kettenstrebe investieren, denn ab Werk kommt das Chassis quasi nackt. Auf dem Trail rächt sich der knausrige Rahmenschutz. Die Schaltwerksdämpfung reicht nicht aus, um Kettenschlag zu verhindern, und der Antriebsstrang knallt lautstark aufs Carbon. Eine weitere Sparmaßnahme betrifft die Bremsanlage. Die simple Magura MT Thirty ist bereits ab 60 Euro pro Paar zu erstehen. Sie braucht eine extrem lange Einbremszeit und ist anschließend trotzdem eine ganze Klasse schwächer als die Shimanos am Canyon. Immerhin: Alle Tester lobten die guten Griffe am Cube AMS One11 C:68X Pro 29.
Die BIKE-Note setzt sich aus Eindrücken der Testfahrer und Labormesswerten zusammen. Die Note ist preisunabhängig und analog zum Schulnotensystem (Notenspektrum: 0,5-5,5).
Gesamtnote: 2,7
Das schnittige Cube AMS One11 C:68X Pro 29 ist ein klasse Mountainbike für Einsteiger, die am liebsten vielseitige Touren unter die Stollen nehmen. Auf einfachen Trails zeigt es sich gutmütig und unkompliziert. Radikaleren Fahrmanövern stehen Fahrwerk und Ausstattung teils im Weg. Obacht: Einige Details entlarven ihre Defizite erst auf den zweiten Blick. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur