Florentin Vesenbeckh
· 03.06.2025
Doppelte Premiere: Das Yeti MTe ist nicht nur das erste Light-E-MTB der amerikanischen Boutique-Brand Yeti. Es ist auch das erste E-Bike mit dem neuen TQ HPR 60 Motor überhaupt! Und das Bike hat natürlich einige Besonderheiten parat. Schon ab 17,5 Kilo soll es den abfahrtsstarken Trail-Flitzer geben - dann allerdings nur mit Mini-Akku. Denn das Bike setzt auf ein variables Akku-Konzept und hat, im Gegensatz zu den meisten anderen E-MTBs dieser Kategorie, einen entnehmbaren Akku. Das soll den Edel-Flitzer besonders vielseitig machen.
Aber von Anfang an. Gesetzt ist in dieser Kategorie natürlich der Vollcarbonrahmen. Yeti zielt mit 160/145 mm Federweg auf den Trail- und All-Mountain-Einsatz. Dazu kommen 29er-Laufräder. Allerdings kann das Bike optional auch auf Mullet umgebaut werden. Dazu gibt es einen Flipchip, der die Geometrie entsprechend ausgleicht. Neben dem Yeti 160 E, einem ausgewachsenen Race-Enduro, ist das MTe “erst” das zweite E-Mountainbike der amerikanischen Kult-Schmiede. Auch wenn beim leichten MTe kein Renneinsatz im Lastenheft stand: Einen Tick Race-Charakter hat auch das leichte E-Bike abbekommen.
Während das Power-E-MTB der Amis von Shimanos EP801 angeschoben wird, setzt Yeti für sein neues Leichtgewicht auf einen E-Antrieb aus Bayern: Der bekannte Flüster-Motor HPR 50 von TQ hat eine Runderneuerung spendiert bekommen. Et voilà: Der TQ HPR 60! Auch wenn der kleine Rundling erstmal ausschaut wie sein Vorgänger - im Inneren hat sich viel getan. Laut TQ wurde der Motor komplett neu entwickelt.
En bloc: Der Neuling ist stärker geworden. 60 statt 50 Newtonmeter und 350 statt 300 Watt. Außerdem soll er effizienter und standfester agieren. Das Mehr an Power und Drehmoment können wir nach unseren Tests bestätigen. Deutlich kräftiger schiebt der Motor an, bei gleichzeitig extrem gesteigerter Standfestigkeit. Für letztere dürften nicht zuletzt die großen Kühlrippen und die gute Belüftung am Yeti MTe verantwortlich sein.
Die Amerikaner verbauen im MTe den große Akku mit 580 Wattstunden. Keine Überraschung: Damit wird das Bike im Vergleich mit anderen Light- oder Mid-Power-E-MTBs zum sehr reichweitenstarken Gefährt. Weder E-MTBs mit Boschs Performance SX (400 Wh) noch mit Fazuas Ride 60 (430 Wh) können hier mithalten. In unserem standardisierten Reichweitentest erkletterte das Yeti MTe auf höchster Unterstützungsstufe 1536 Höhenmeter, dazu kommen 222 Höhenmeter bei niedrigem Akku-Stand und dadurch deutlich reduzierter Motor-Leistung. Das ist beachtlich.
Interessant: Yeti integriert den Akku entnehmbar im Unterrohr, das liefern die wenigsten Light-E-MTBs. Dieser Fakt ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn die Entnahme nach unten aus dem geschlossenen Unterrohr des Yeti MTe ist etwas fummelig und eher weniger für den täglichen Ausbau geeignet. Vier Schrauben (teils klein oder mit losen Unterlegscheiben, Achtung beim Ausbau unterwegs!) müssen komplett herausgeschraubt, eine fünfte gelockert werden. Dann lässt sich der Energieträger nach unten herausziehen. Andere Hersteller haben diese Art der Entnahme komfortabler gelöst.
Vorteil: Durch die Ausbauoption ist das MTe kompatibel mit verschiedenen Akku-Größen. Neben dem 580er-Akku passt auch ein 290er-Mini-Akku ins Unterrohr. Ideal für kurze Trail-Loops - ob zum Feierabend, in der Mittagspause oder einfach zwischendurch. Über 1,2 Kilo spart die kleine Batterie. So soll das gewichtsoptimierte Topmodell bei 17,5 Kilo landen.
Das Switch-Infinity-Link ist seit Jahren die Besonderheit der Yeti-Mountainbikes. Damit konnte zum Beispiel das Yeti SB 165 in unserem Enduro-Test begeistern. Durch einen separaten Slider in der Dämpferanlenkung wandert der Hauptdrehpunkt des Hinterbaus über den Lauf des Federwegs. Das ermöglicht eine punktgenaue Abstimmung der Federungsparameter - und soll in einer idealen Mischung aus Antriebsneutralität und Schluckvermögen resultieren. Am E-Mountainbike steht dem Switch Inifinity allerdings der Motor im Weg. Doch Yeti hat einen Weg gefunden, die besondere Kinematik trotzdem aufs E-MTB zu übertragen.
Wie beim 160E, dem ersten E-MTB im Portfolio, heißt die Lösung Sixfinity. Ein aufwändiges Six-Bar-Design. Wie beim Switch Infinity, soll hier der Hauptdrehpunkt im Laufe des Einfedervorgangs die Richtung wechseln. Entgegen der Bikes mit Switch Infinity, und auch den meisten anderen Systemen mit virtuellem Drehpunkt, ist der Hinterbau nicht aus einem Stück. Sitz- und Kettenstrebe sind klassisch über ein Gelenk verbunden.
Yeti setzt beim Carbon-Chassis an besonders beanspruchten Stellen auf zusätzliche Materialeinlagen, die den Rahmen robuster machen sollen. Diese Lagen bestehen aus Vectran, einem hochleistungsfähigen Multifilament, das ähnlich widerstandsfähig wie Kevlar sein soll. Diese Fertigungsweise hat Yeti mit seinen Profi-Athleten in Prototypen aus dem Downhill- und Slopestyle-Bereich erprobt und entwickelt. Vectran soll maximale Schlagfestigkeit und Robustheit in die hochbelasteten Rahmenbereiche bringen.
In der Geometrietabelle des Yeti MTe finden sich keine Überraschungen. Der Reach fällt moderat lang aus, ohne ins Extreme abzudriften. Bei 505 Millimetern in Größe XL ist Schluss. Sehr große Fahrer könnten hier mehr Länge oder eine XXL-Größe vermissen, doch für die allermeisten Bikerinnen und Biker dürften die vier Varianten von S bis XL gut passen.
Das Chassis zeigt einen leicht racigen Charakter. Die Kettenstreben und der Radstand landen eher auf der langen Seite, was einen zielstrebigen und laufruhigen Charakter erahnen lässt. Das kurze Steuerroh ermöglicht einen eher niedrigen Stack. Der Lenkwinkel ist mit 64 Grad aber nicht extrem flach. Dank steilem Sitzwinkel von gut 77 Grad soll der Fahrer auch in steilen Uphills zentral im Bike sitzen, was eine gute Kontrolle in schwierigen Anstiegen verspricht.
Aber wie wirkt sich das auf dem Trail aus? Wir konnten das Yeti MTe T3, die mittlere Ausstattungsvariante mit vollem Fokus auf Abfahrtsstärke, bereits ausführlich testen. Auf zornigen Trails am Gardasee genauso, wie auf unterschiedlichen Runden im bayerischen Mittelgebirge und dem Alpenvorland. Die Sitzposition fällt richtig ausgewogen aus. Man hat zu keiner Zeit das Gefühl, von hinten in die Pedale zu treten, sitzt aber auch nicht gedrungen auf dem Bike. Die Position ist nicht betont weit vorne, wie es bei manch modernem Enduro mit extrem steilem Sitzwinkel der Fall ist. Die Länge ein angenehmes Mittel, um auch im Flachen ordentlich Kilometer zu machen.
In schwierigen Anstiegen ist das MTe für Light-Verhältnisse kompetent unterwegs. Der neue HPR 60 kann mit einem guten Drehmoment und starker Kontrolle überzeugen. Für kniffelige Schlüsselstellen und Stufen fehlte uns nur etwas mehr Nachlauf zum Uphill-Glück. Nicht falsch verstehen: Mit einem klassischen Motor der Power-Kategorie à la Bosch kann der kleine Rundling natürlich lange nicht mithalten. Wir befinden uns hier klar in der Light-Kategorie!
Die ausgewogene Fahrposition bringt bergauf eine gute Kontrolle über das Bike. Auch, weil das Fahrwerk betont stabil im Hub steht und auch bei viel Druck nicht wegsackt. Trotzdem generiert das Heck eine richtig gute Traktion. Die griffigen Schwalbe-Reifen mit Radialkarkasse tun ihr übriges, dass man auch bei fiesen Bedingungen kaum mit Gripverlust zu kämpfen hat. An richtig steilen Rampen muss man allerdings auch das MTe aktiv im Zaun halten, um die Front in die Spur zu bringen. Doch für Light-Verhältnisse sind die Kletterkünste beachtlich.
Auch bergab wird schnell klar, dass das MTe ein seriöses Sportgerät ist. Mit sportlicher Definition im Fahrwerk animiert das Bike zu einer aktiven Fahrweise. Das gilt auch für die Fahrposition. Mit einer eher niedrigen Front ist der Fahrer sportlich über das Bike gespannt. Die Lastverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad fällt sehr ausgewogen aus und die Fahrsicherheit ist hoch. Mit dem eher langen Heck und Radstand ist das Bike gern zielstrebig und schnell unterwegs. Doch keine Angst: Ein träger Brummer ist das Yeti nicht. Mit dem ausgewogenen Handling und seinen leichten Laufrädern lässt es sich spritzig und flink auch über seichtere Trails bewegen. Hier hilft auch der gute Gegenhalt in der starken Heckfederung.
Ein ultimativ verspieltes und quirliges Trail-Bike will das MTe dabei nicht sein. Es lässt sich gut aufs Heck und in die Luft bewegen, doch im Herzen wählt es lieber die direkte und schnelle Linie. Wer dem Bike auf ruppigeren Abfahrten die Sporen gibt, wird von enormen Nehmerqualitäten und gutem Schluckvermögen des Hecks überrascht. Gerade das Fahrwerk blüht richtig auf, wenn man es im ruppigen Geläuf ordentlich stehen lässt. Wer allerdings eine hohe Front bevorzugt, muss mit einem Lenker mit massivem Rise nachhelfen. Denn mit dem serienmäßig verbauten Riser-Lenker fühlt sich die Front trotz Spacer unter dem Vorbau noch eher niedrig an.
Bergauf gibt es nach unseren Erfahrungen keinen leiseren Motor als den kleinen TQ. Daran hat sich auch mit der Neuauflage zum HPR 60 nichts geändert. Wenn man im steilen bei langsamer Fahrt die volle Leistung abruft, ist der TQ deutlich hörbar - wird aber selbst in diesem Szenario nicht unangenehm. In vielen Fahrsituationen geht das Motorengeräusch in den Umgebungsgeräuschen unter.
Zeitweise hatten wir bei einem von zwei Testbikes jedoch mit Knack-Geräuschen aus dem Tretlagerbereich zu kämpfen. Die konnten durch den Hersteller behoben werden und kamen anscheinend aus der Verbindung zwischen Rahmen und Motor. Bergab bleibt der TQ HPR 60 schön leise. Das Yeti gehört zu den angenehm ruhigen E-Bikes und gleitet sehr leise über den Trail.
Mit dem MTe bringt Yeti ein gelungenes Light-E-MTB, das auf dem Trail mit einem starken Kompromiss aus Nehmerqualitäten und Fahrspaß überzeugt. Richtig aufblühen kann es, wenn man ihm im Gelände ordentlich die Sporen gibt. Der TQ-Antrieb ist super klein und leise - und liefert dennoch ordentlich Power und eine gute Reichweite. Das ergibt eine starke Mischung, die das neue Yeti zum gelungenen Alleskönner macht. Nicht zuletzt der exorbitante Preis wird jedoch dafür sorgen, dass der Neuling einen exklusiven Touch behalten wird! - Florentin Vesenbeckh, stv. Chefredakteur BIKE Magazin
Achtung, bitte festhalten! Traditionell sind die Preise bei Yeti nichts für schwache Nerven. Das neue MTe macht hier keine Ausnahme. Das Light-Bike kommt in drei Ausstattungsvarianten. Los geht’s erst bei exorbitanten 9700 Euro für das C2-Modell. Damit wirken die Einstiegspreise anderer US-Highend-Marken wie Pivot, Santa Cruz oder Transition fast schon günstig.
Das Modell MTe T3 kostet 12.500 Euro und ist die Top-Variante für anspruchsvolle Trail-Shredder. Die teuerste Variante T4 kostet 13.900 Euro und ist explizit auf Leichtbau getrimmt. Mit dem 290er-Mini-Akku soll das E-Bike nur 17,5 Kilo wiegen. Alle Modelle gibt es in den beiden Farben Turq und Midnight.
Das Einstiegsmodell des Yeti MTe für 9700 Euro kommt schon mit einer elektronischen Reverb AXS Funk-Teleskopstütze, spart dafür mit einem Fox-Performance-Fahrwerk und günstigen 1900er-Laufrädern von DT Swiss.
Für 12.500 Euro hat das Yeti MTe T3 quasi alles an Bord, was sich selbst ambitionierteste Trail-Freunde mit dem nötigen Taschengeld wünschen. Fox Factory-Fahrwerk, Carbonlaufräder von DT Swiss und eine elektronische X0-Transmission Funkschaltung.
Das Topmodell der MTe-Reihe tanzt etwas aus der Reihe und ist explizit auf Minimalgewicht getrimmt. Dafür ist nur der kleine 290er-Akku verbaut. Außerdem spart Yeti durch leichte Exo-Reifen von Maxxis, die leichtere Fox-Kartusche GripX, 1501er-Carbonlaufräder und einen Float-Dämpfer ohne Ausgleichsbehälter. So soll das Bike schlanke 17,5 Kilo wiegen.