Florentin Vesenbeckh
· 11.03.2024
Ein Traumbike kann viele Gesichter haben. Edle Komponenten, Bling-Bling-Optik, elitäres Image... Oder lieber etwas Exotisches? Weg vom Einheitsbrei, dafür lieber eine Prise individuellen Charme. Solche Objekte der Begierde lassen sich im E-MTB-Markt reichlich aufstöbern, doch leider schweben diese meist in preislich allzu fernen Galaxien. Damit haben wir eine dritte Dimension des Träumens erreicht. Denn am süßesten schmecken Wünsche nun mal, wenn sie Wirklichkeit werden. Und dazu ist für viele Biker ein ideales Preis-Leistungs-Verhältnis unabdingbar. All diese Gedankenspiele scheinen auch bei den EMTB Lesern mitzuschwingen. Denn unter dem Motto „Most wanted – wir testen, was sich unsere Leser wünschen“, haben uns aus genau diesen Kategorien reichlich Einsendungen erreicht.
Los geht’s mit dem orange leuchtenden E-Expl 520 S von Rockrider. Mit 2999 Euro unterbietet das Bike vom Sport-Discounter Decathlon die Preise aller E-Fullys in den EMTB-Tests der letzten Jahre ganz deutlich. Achtung, Spoiler: Mit leisem und geschmeidigem Motor, erstaunlich fluffigem Fahrwerk und richtig gelungenen Fahreigenschaften hat uns das Bike positiv überrascht und stellt manch deutlich teureres E-Fully in den Schatten.
Am andere Ende des Preisspektrums warten Kandidaten von Scott und Alutech. Branchenriese auf der einen Seite, Handmade-Manufaktur auf der anderen. Mit fünfstelligen Preisen warten beim Patron eRide ST und dem eFanes High-End-Ausstattungen, hochtechnische Speziallösungen und individueller Charme. Obendrein gibt’s mit 170 Millimetern reichlich Federweg. Können die beiden Boliden echten Enduro-Ansprüchen gerecht werden?
Ebenfalls im Abfahrtssektor wildern mit Olympia und Haibike zwei weitere Hub-Monster. Während das Nduro 8 Freeride von Haibike mit massiver Doppelbrücke und Stahlfederdämpfer, aber auch satten 27 Kilo, echte Downhill-Gene aufweist, ist das Olympia Hammer ein reinrassiges Enduro mit extravagantem Antrieb: Im exotischen Italiener werkelt nämlich der seltene Oli-Edge-Motor mit einem extra dicken 900er-Akku.
Mit weniger Hub gehen Bulls, Cube und Husqvarna an den Start. Diese drei Bikes zeigen besonders eindrucksvoll, dass der Federweg alleine nur bedingt Rückschlüsse auf Fahreigenschaften und Abfahrtsstärke eines Bikes zulässt. Das One55 SLT von Cube zeigt sich erstaunlich sportlich und ist für ein Bike mit Bosch Powertube 750 richtig leicht. Das Mountaincross MC5 von Husqvarna ist definitiv ein Hingucker. Die Ausstattung setzt dem Bike mit markigem Image aber Grenzen. Und das günstige Bulls Sonic Evo AM will einen dicken Akku mit geringem Gewicht und umso mehr Geländekönnen kombinieren. Ob das gut geht? Unsere Testberichte geben Aufschluss.
E-MTBs jenseits der 10 000 Euro sind in unserem Testalltag keine Seltenheit. Und ja: Viele dieser Bikes begeistern. In diesem Test hat bei mir allerdings ein Bike vom anderen Ende des Preisspektrums Eindruck hinterlassen. Ich war wirklich baff, wie gut sich das Rockrider E-Expl 520 S für 2999 im Gelände geschlagen hat. Hut ab! - Florentin Vesenbeckh, Ressortleiter Test und Technik beim EMTB Magazin
Der Race-Motor von Bosch mag wie ein Marketing-Gimmick klingen. Doch der Race-Modus kann in schwierigen Uphills ein echter Game-Changer sein. Wer das Prinzip des extremen Nachlaufs einmal verstanden hat, kann sich spielerisch stufige Trails hochkatapultieren lassen. Neue Möglichkeiten für Uphill-Trickser! - Christian Schleker, EMTB Testautor
Für exotische Bikes ist in unserem Test-Alltag oft wenig Zeit. Dass sich der Blick über den Tellerrand lohnen kann, zeigt das Hammer von Olympia. Sahniges Fahrwerk, tolle Downhill-Eigenschaften und dabei noch überraschend handlich. Ein Geheimtipp für Abfahrts-Fans. Der Oli-Motor bietet ungewöhnlich viele Einstelloptionen. - Adrian Kaether, Redakteur EMTB Magazin
Acht Bikes, sieben Motoren: Das zeigt die Vielfalt am Markt. Dabei sind die neuen Light-Motoren noch nicht einmal mit von der Partie. 70 bis 90 Newtonmeter liefern die Aggregate – bei ganz unterschiedlichem Charakter. Mit dabei ist natürlich der Klassiker Bosch Performance Line CX. Gesellschaft bekommt er von seinem limitierten Bruder, dem Schwaben-Turbo Performance CX-Race. In E-Mountainbikes weniger im Einsatz ist Broses Drive T. Der günstige Antrieb aus Berlin ist etwas schwächer, dafür leise und geschmeidig. Auch von Shimano stehen zwei Motoren am Start. Der neue Top-Motor EP801 und sein kleiner Bruder. Der EP6 ist etwas schwerer und auch schwächer, dafür deutlich günstiger. Ein echter Exot ist der italienische E-Bike-Motor Oli Edge. Und mit Yamahas PW-X3 ist auch der vierte große Player am Markt mit von der Partie.
Drei Bikes haben sich aus der Masse der acht Kandidaten hervorgehoben und einen der begehrten EMTB-Tipps kassiert. Einen Testsieger haben wir bewusst nicht gekürt, da die Bikes aus ganz unterschiedlichen Preisklassen und Bike-Kategorien stammen. Ein direkter Vergleich macht deshalb nur bedingt Sinn.
Jahr um Jahr tun wir uns schwer, taugliche E-Fullys unter 4000 Euro für einen Vergleichstest zusammenzukratzen. Zu klein ist die Auswahl, zu groß der Kostendruck für die Hersteller. In dieser Preisklasse wird es selbst für starke Preis-Leistungsmarken eng. Rockrider, die Eigenmarke von Decathlon, stellt mit dem E-Expl 520 S ein Bike auf die Beine, dass die magische 4000er-Marke um satte 1000 Euro unterbietet. Dass das Bike dennoch einen grundsoliden Job macht, selbst im ernsten Gelände ist richtig stark. Unseren Tipp Preis/Leistung hat sich der leuchtend orange Franzose redlich verdient.
170 Millimeter Federweg, Fox 38 Factory, 29er-Laufräder: Wer bei diesen Fakten an ein rassiges Enduro für wilde Bikepark- oder Downhill-Einsätze denkt, könnte vom Patron ST eRide 900 Tuned enttäuscht werden. Warum es trotzdem eine Auszeichnung verdient hat? Weil es stattdessen als starker Allrounder, sowie ausgewogener Trail- und Tourenpartner glänzt. Souverän bergauf, fahrsicher bergab, nicht zu brachial für gemäßigte Trails. Echte Schwächen sucht man im gediegenen Einsatz vergeblich. Das bringt dem teuren Carbon-Gefährt mit Boschs CX-Race-Motor den EMTB-Tipp in der Kategorie Allround.
Der Underdog aus Italien war für uns vor allem durch den wenig bekannten Oli-Motor spannend. Im Test hat uns das Olympia Hammer dann aber vor allem durch seine ausgewogenen Fahreigenschaften und sein gutes Fahrwerk überrascht. Sobald die Trails Zähne zeigen, macht das Hammer eine richtig gute Figur. Und das, obwohl im Inneren des Unterrohrs ein schwerer 900-Wattstunden-Akku schlummert. Wer auf anspruchsvolle Enduro-Touren steht, und ein ausgewogenes Bike E-Bike sucht, sollte sich das Hammer durchaus näher anschauen.