Krise hin oder her: Die Flut an E-MTB-Neuheiten ist 2025 so groß wie nie. Und viele der interessantesten Modelle rollen gerade erst in die Showrooms. Gleichzeitig werden viele der klassischen E-Topseller von 2024 schon gar nicht mehr produziert. Cubes Stereo 140 zum Beispiel (hier der Nachfolger Stereo One44 im Test!) oder das Canyon Spectral:On, das gerade mit massiven Akkuproblemen kämpft. Statt noch einmal alte Topseller zu vergleichen, wie wir es zum Beispiel im diesem E-MTB All Mountain Test schon getan haben, schauen wir hier lieber in die Zukunft.
Entsprechend unserer großen BIKE-Leserumfrage haben wir bei den beliebtesten E-MTB-Herstellern Rotwild, Bulls, Propain und Conway – Cube und Canyon sind bereits beim Test der klassischen MTB-Topseller vertreten – die Modelle angefragt, auf die die Hersteller 2025 ihre größten Hoffnungen setzen. Neue Modelle älterer Kassenschlager-Baureihen sind ebenso dabei wie ganz neue Preis-Leistungs-Knaller.
Herausgekommen sind vier Bikes, die grob in zwei Richtungen tendieren. Da ist zum einen in der Performance-Ecke das sündhaft teure Rotwild R.EX Ultra. 21,6 Kilo leicht, praktisch entnehmbare Batterie mit satter Kapazität (800 Wh!), moderne Geometrie und Kinematik, dazu superkurze Kettenstreben. Klingt fast nach den Eckdaten des perfekten E-MTBs, oder? Kann sich das teure und edle Rotwild damit wirklich zum Topseller mausern?
In der Preis-Leistungs-Ecke dagegen: das neue Copperhead Evo AM von Bulls. Das Bike kostet trotz guter Ausstattung kaum halb so viel wie das Rotwild und ist noch dazu vollgestopft mit massig Reichweite und praktischen Features. Das Conway Ryvon LT mit Light-Motor und das neue Propain Sresh sortieren sich in der Mitte zwischen den Extremen ein. Mit dem minimalistischen Bosch SX, Shimanos EP801 und Boschs großem CX sind in den vier Testbikes drei der relevantesten Motoren am Markt vertreten.
Reichweite ist für E-MTBs nach wie vor eine der härtesten Währungen. Für den Topseller-Test lassen wir belastbare Fakten sprechen. Denn rein theoretische Werte wie etwa die Akku-Kapazität in Wattstunden helfen am Ende nur bedingt weiter. In aufwendigen Feldtests ermitteln wir bei BIKE daher real vergleichbare Reichweitenwerte. Da Höhenmeter besonders viel Akku verbrauchen, sprechen wir dabei auch von Reichhöhe.
Um eine maximale Vergleichbarkeit unserer Messwerte sicherzustellen, ermitteln wir die Reichhöhe immer an demselben steilen Asphaltanstieg im Chiemgau und mit denselben Parametern: 90 Kilogramm Fahrergewicht und identischer Reifendruck für alle Bikes. Mit Garmins Powermeter-Pedalen Rallye stellen wir eine durchgängige Tretleistung von 150 Watt sicher. Gefahren wird in der maximalen Unterstützungsstufe. So können wir über die durchschnittliche Geschwindigkeit beim Test auch eine Aussage über die Motorleistung bei moderatem Tritt im Tourenbetrieb treffen.
Auffällig: Bei den Topsellern sichert sich Boschs CX im Bulls Copperhead wieder einmal die stärksten Werte, der Shimano im Rotwild schiebt dafür schon bei niedriger Fahrerleistung besonders vehement an. Das resultiert in einer sichtbar hohen Durchschnittsgeschwindigkeit von über 16 km/h. Der Light-Motor Bosch SX im Conway fällt mit kleinem Akku und geringerer Geschwindigkeit spürbar zurück. Zudem drosselt Boschs Light-Antrieb trotz kühler Außentemperaturen nach gut 300 Turbo-Höhenmetern spürbar die Leistung. Potentielle Käufer sollten Thema Derating also im Auge behalten.
Dreimal Power-Bike und einmal Light E-MTB also, viele unterschiedliche Federwege und Einsatzbereiche: Entsprechend verschieden fahren sich die Bikes auf dem Trail. Doch ein Modell konnte sich im Praxis-Ranking der Tester klar absetzen. Mit mittlerem Federweg und Wohlfühl-Geometrie macht das neue Sresh von Propain bergab fast überall eine gute Figur und dürfte mit Top-Reifen und starkem Fahrwerk die Anforderungen vieler anspruchsvoller Trailbiker sehr gut treffen.
Ob das Bike damit automatisch zum Topseller wird? Über objektive Kriterien wie Reichweite, Fahrleistungen und Verarbeitung der vier Bikes gibt unser Test Aufschluss. An der Ladentheke entscheidet aber nicht zuletzt der Faktor Emotion. Können die vier Kandidaten hier ebenso überzeugen? Wir können nur sagen: Mit einem ganz eigenen Charakter hat jedes der vier Testbikes auf seine eigene Weise das Zeug dazu.
Unsere vier Topseller-Kandidaten zeigen exemplarisch, wie breit E-MTBs mittlerweile aufgestellt sind. Vier Bikes von Tour bis Enduro, von Power- bis Light-Motor, die alle ihre Berechtigung haben. Es lebe die Vielfalt! - Adrian Kaether, Redakteur Test & Technik