Florentin Vesenbeckh
· 28.03.2025
Tiefgezogenes Oberrohr, langes, flaches Chassis und klare Linien: Das Canyon Neuron:Onfly trägt eine sportliche Trail-Attitüde in sich. Für ein Bike der 140-Millimeter-Kategorie fällt es auf den ersten Blick ziemlich abfahrtslastig aus. Das gilt auch für das Einstiegsmodell, das schon auf den gleichen, schicken Vollcarbonrahmen setzt wie seine teureren Brüder. Apropos Preis: Aktuell ist das CF7 auf der Homepage des Direktversenders auf 3999 Euro reduziert – so günstig war ein Light-E-MTB komplett aus Carbon wohl noch nie! Grundsätzlich gilt: Selbst unterhalb der 6000-Euro-Grenze findet man bei den wenigsten Herstellern bereits ein Light-Bike im Portfolio - denn Leichtbau kostet Geld.
Aber zurück zur fast schon enduromäßigen Anmutung des Light-Neuron. Bei der Ausstattung zeigt sich das Bike eher gemäßigt, zumal zum Sparpreis natürlich nicht nur auf die Highend-Teile gesetzt wird. Kann das günstigste Canyon Neuron:Onfly trotzdem mit Trail-Spaß und gutem Handling überzeugen? Wir haben das Bike ausführlich getestet. Und zwar im direkten Duell mit einem anderen Light-Bike, das mit besonders günstigem Preis und starker Preis Leistung punkten will. Dem AMS Hybrid One44 Race von Cube.
Canyon setzt beim Motor auf den Bosch Performance Line SX, der zwar nicht besonders kompakt oder leicht ist, aber mit einer hohen Spitzenleistung überzeugt. Er wiegt 2,1 Kilo und bietet bei schnellem Pedalieren eine kraftvolle Unterstützung. An steilen Anstiegen erfordert das im Vergleich zur 85-Nm-Klasse geringere Drehmoment jedoch engagiertes Treten und hohe Trittfrequenz. Für Fans klassischer E-Bikes könnte das ein Ausschlusskriterium sein. Nachteil des Light-Motors von Bosch: Anders als der neue CX klappert der SX noch aus dem Getriebe. Das ist vor allem auf Rumpel-Passagen beim Rollen zu hören.
Die Energie zieht der Motor aus dem Bosch Compact Tube 400. Die Batterie mit 400 Wattstunden ist fest im Unterrohr integriert. Dadurch ist die Reichweite deutlich geringer als bei klassischen E-MTBs, wie zum Beispiel dem großen Bruder Canyon Neuron:On CF mit Powertube 750 von Bosch. Auf langen Touren, insbesondere in den Alpen, sollte mit seinem Light-Bike sorgfältig planen und sparsam mit der Motorleistung umgehen. Für ausgedehnte Touren können Radfahrer/innen die Reichweite ihres Neuron:Onfly mit einem optionalen Zusatzakku erweitern. Der Bosch Power More 250 liefert 250 Wattstunden und kostet aktuell etwa 400 Euro. Mit einem Gewicht von 1,6 Kilogramm kann der Akku wie eine Trinkflasche am Unterrohr befestigt werden. Ein Kabel verbindet den Zusatzakku mit dem Ladeanschluss des Fahrrads.
Für ein Trail-Bike mit 140 mm fällt die Geometrie des Canyon Neuron:Onfly CF sehr modern und abfahrtslastig aus. Insbesondere der lange Radstand hat fast schon Enduro-Abmessungen. Neben dem langen Reach sind dafür auch die eher langen Kettenstreben und der recht flache Lenkwinkel verantwortlich. Das Tretlager liegt tief und sorgt gemeinsam mit dem langen Steuerrohr für einen gut integrierten Stand im Bike.
Die Geometrie ist zwar modern gezeichnet, aber ein Blick auf die Ausstattung macht klar, dass das Canyon Neuron:Onfly kein Abfahrtsexperte nach Enduro-Manier sein will. Schlanke Federelemente und vor allem ein schmächtiger Nobby-Nic-Hinterreifen stellen die Vorzeichen auf Touren und eher seichte Trails.
Der Rest der Ausstattung ist stimmig gewählt und gibt wenig Grund zum Jammern. Die Parts zeigen aber, dass auch Versender mit heißer Nadel kalkulieren müssen, um ein Light-E-MTB mit Carbonrahmen für unter 5000 Euro an die Rampe schieben zu können. Funktional sind die Parts solide aber echte Begeisterung kommt weder bei der günstigen Pike-Gabel, noch den einfachen Code-R-Bremsen und erst recht nicht bei den schweren Laufrädern auf. Positiv stechen die lange Teleskopstütze mit 200 mm Hub und das serienmäßig verbaute Bosch-Connect-Modul mit GPS-Tracking und Diebstahl-Alarm heraus.
Im Gelände beweist das Bike „Neuron-DNA“. Unkompliziert und spaßig lässt es sich durchs Gelände bewegen. Die hohe Front und der lange Radstand geben dem Bike eine gute Laufruhe und einiges an Fahrsicherheit. Zum rechten Downhill-Ass will das Bike mit den günstigen Federelementen aber nicht mutieren. Auch der schmale, schwachbrüstige Hinterreifen bremst die Nehmerqualitäten unnötig ein. Dafür gefällt das Neuron:Onfly auf flachen und engen Trails. Es fährt sich natürlicher und leichtfüßiger als vergleichbar teure Power-E-MTBs. Von dem quirligen Handling des Duell-Partners Cube AMS Hybrid One44 ist das schwerere und längere Canyon allerdings ein gutes Stück entfernt.
An Anstiegen hat das Neuron hier minimal das Nachsehen. Steilstufen muss man etwas aktiver anfahren, um das Bike in der Spur zu halten und auch die Traktion ist nicht perfekt. Doch für Light-Verhältnisse klettert das Neuron:Onfly sehr gut. Denn bei hoher Trittfrequenz dreht der SX-Motor auf und bringt dann richtig viel Leistung. Auch die Modulation des Bosch-Aggregats ist erstklassig. Auf langen Touren muss man allerdings sparsam mit dem Turbo umgehen. Denn der fest verbaute 400er Akku hält nicht ewig. Bei moderatem Schub sind aber auch mit Boschs Light-System lange Ausfahrten drin. Für mehr Reichweite gibt’s optional den Range Extender Powermore mit 250 Wattstunden.
Das edle Carbon-Chassis des Canyon Neuron:Onfly CF und das Bosch-Paket bilden eine starke Basis für ein gelungenes Light-E-MTB. Die moderne Geometrie ist super, doch das günstige Fahrwerk und die Reifen hemmen die Trail-Qualitäten des Einstiegsmodells. - Peter Nilges, BIKE-Testleiter