Raffinierter Zucker in Würfelform wurde 1848 in Tschechien patentiert. Das dürfte für die meisten ebenso eine Überraschung sein wie die Tatsache, dass die Osteuropäer hervorragende Mountainbikes bauen. Doch es stimmt: Das Trailbike von Superior ist der rollende Beweis. Doch vor der ersten Testrunde hält sich unsere Begeisterung noch in Grenzen. Schon wieder ein aufgebohrtes Race-Fully als Trail-Bike-Ersatz? Das Kürzel „DC“ für Down-Country und das schnittige Rahmendesign erinnern auf den ersten Blick mehr an schweißtreibende Trainingseinheiten als an Trail-Spaß. Schaut man sich im Portfolio der Tschechen um, findet man das XF tatsächlich auch als reinrassiges Race-Bike. Doch das 130-Millimeter-Fahrwerk und die trailtaugliche Ausstattung wirken offenbar Wunder.
Unsere anfängliche Skepsis verfliegt mit den ersten Pedalumdrehungen. Angenehm kompakt und aufrecht nimmt man im Sattel Platz. Der Sitzwinkel fällt mit 74 Grad sehr flach aus. Zum Vergleich: Die meisten modernen Trailbikes mit Sitzwinkeln von 77 Grad und steiler platzieren den Piloten oft sehr frontlastig im Bike. Nichts für lange Touren, denn dadurch lastet viel Druck auf den Handflächen. Mit der Geometrie des Superiors verteilt sich das Körpergewicht gleichmäßig zwischen dem Gesäß und den Handflächen. So übersteht man auch lange Tage im Sattel ohne Komforteinbußen.
Apropos Komfort: Auch das Fahrwerk hat nicht viel mit dem straffen Fahrgefühl vieler Down-Country-Bikes gemein, sondern hält kleine wie große Schläge zuverlässig vom Fahrer fern. Die Kehrseite: spürbares Wippen im Wiegetritt. Der Plattformhebel sitzt aber in Reichweite und unterbindet das Eigenleben. In steilen Kletterpassagen zwingen der flache Sitzwinkel und die kurzen Kettenstreben den Fahrer dazu, ganz nach vorn auf die Sattelnase zu rutschen. Verharrt man in der komfortablen Sitzposition, verliert man früh die Kontrolle über das Vorderrad. Wellige Trails und kurze Gegenanstiege meistert das Superior dafür wortwörtlich mit Leichtigkeit. Mit nur 12,8 Kilo Gesamtgewicht gehört es trotz schwerer Alulaufräder zur leichten Clique in der 130-Millimeter-Liga. Kurze oberflächliche Kritik: Der schlanke Carbonrahmen macht optisch durchaus was her. Bei ge-nauerem Hinsehen trüben die teils unsauber verklebten Superior-Logos das Gesamtbild.
Bergab beschert uns das Superior die größte Überraschung. Denn entgegen unserer ersten Ver-mutung zündet der Kandidat ein regelrechtes Fahrspaßfeuerwerk. Von Race-Bike-Feeling keine Spur. Vor allem moderate verwinkelte Trails und flowige Strecken liegen dem Bike. Wie vom Hafer gestochen wirbelt es – stets mit einer Handbreit Luft unter den Rädern – durchs Gelände und hetzt von einer Kurve in die nächste. Die kompakte Geometrie mit kurzen Kettenstreben und das poppige Fahrwerk machen es möglich. „Wie ein BMX-Bike fürs Gelände“, fasst Testfahrer Mario den enormen Spieltrieb des Superiors in Worte.
Das Ansprechverhalten des Hinterbaus? Schön sensibel – zumindest bei freier Fahrt. Steht man in steilerem oder technischerem Gelände verstärkt auf der Bremse, blockiert der Hinterbau und leitet Schläge nahezu ungefiltert an den Fahrer weiter. Hier endet die Wohlfühlzone des Kandidaten, denn auch das 480 Millimeter (!) lange Sitzrohr erschwert mangels Bewegungsspielraum das Handling auf technischen Abfahrten. Hinzu kommt die Reifenwahl: Die Schwalbe-Schlappen in der schnellen Speedgrip-Gummimischung rollen zwar höllisch schnell, verlieren aber früh Traktion und bieten kaum Pannenschutz. Hier besteht noch Tuning-Potenzial.
Alle Leitungen und Kabel der Steuerzentrale verlaufen durch den Steuersatz in den Rahmen. Im Inneren des Rahmens liegen die Züge frei und nicht in einlaminierten Führungen oder Röhrchen. Das erschwert Reparaturen oder etwa den Tausch der Bremsanlage. Auch schade: Der Steuersatz sitzt eingepresst im Steuerrohr und kann nur mit Spezialwerkzeug getauscht werden. Auch das Pressfit-Tretlager erschwert den Ein- und Ausbau bei Wartungsarbeiten und beansprucht dabei den Rahmen stärker als ein verschraubtes Tretlager. Lob gibt's für die massiven Kunststoff-Protektoren auf dem Unterrohr und an der Kettenstrebe. Die zahlen zudem auf die Haltbarkeit ein. Dank UDH-Schaltauge ist das Superior auch mit den aktuellen Transmission-Antrieben von Sram kompatibel.
Die Tschechen haben es geschafft, auf Race-Fully-Basis ein spaßiges Trailbike für den Toureneinsatz aufzubauen. Je nach Gelände bringt das Bike enormen Fahrspaß. Für technisch anspruchsvolle Strecken findet man aber kompetentere Modelle.