Florentin Vesenbeckh
· 29.08.2024
Das Specialized Levo SL ist so etwas wie der Urtyp leichter E‑Mountainbikes. Anfang 2020 revolutionierte die erste Ausbaustufe den Markt der Light-E-MTBs. In seiner zweiten Generation bleibt das E-Bike seinen Maximen treu. Auch wenn der Motor etwas stärker ist als beim Vorgänger, gehört er doch zu den minimalistischen Antrieben. Dazu passt der kleine 320er-Akku. Der Mini-Antrieb spart Gewicht. Diesen Vorteil kann das Levo SL in der günstigsten Ausstattungsvariante nicht ganz ausspielen. Denn für 6600 Euro gibt es bei Specialized nur ein Bike mit Alu-Rahmen. Und der macht den Gewichtsvorteil des Antriebs wieder wett. 20 Kilo sind in Anbetracht des fest verbauten, kleinen Akkus kein Top-Wert, gehen aber mit Blick auf den robusten Alu-Rahmen und die abfahrtsorientierte Ausstattung voll in Ordnung. Günstiger geht bei Specialized übrigens gar nichts in Sachen Light-E-MTB.
Der SL 1.2 (hier im Test) ist ein Minimalist. Er bietet spürbar weniger Leistung und Drehmoment als ein Bosch Performance Line SX oder der Fazua Ride 60. Deshalb ist er auch sparsamer und kommt mit dem kleinen 320er-Akku, der fest im Unterrohr sitzt, erstaunlich weit. Mit 1,9 Kilo gehört er zu den leichtesten Mittelmotoren überhaupt. Für mehr Reichweite gibt´s die Option auf einen Range Extender im Trinkflaschenformat mit 160 Wh. Das Mastermind TCU-Display, das ins Oberrohr eingelassen ist, ist noch immer eines der besten Displays am Markt. Die schlanke Optik und die vielen Funktionen, die obendrein noch über die App auf persönliche Bedürfnisse anpassbar sind, sucht man bei anderen Herstellern nach wie vor vergeblich.
Specializeds Größe S4 fällt beim Levo SL wie ein kleines L-Bike anderer Hersteller aus. Besonders lang ist das Levo SL nicht, denn der Fokus liegt auf Agilität. Dank sehr kurzem Sitzrohr kann man für mehr Länge zur größeren Größe greifen - muss dabei aber die nicht ganz versenkbare Stütze im Auge behalten! Ebenfalls auffällig: Die Kettenstreben messen superkurze 433 Millimeter. Eine Seltenheit an E-MTBs, die dem Levo SL zu agilem Handling verhilft. Der Lenkwinkel fällt flach aus und das Tretlager tief. Sonst sucht man Extreme vergeblich. Der Radstand ist für ein Bike mit 160/150 mm Federweg überraschend kurz. Per Flipchip kann man die Geometrie für ein 29-Zoll-Hinterrad anpassen, für den Lenkwinkel liegt eine separate Lagerschale für +/- 1 Grad Lenkwinkel bei.
Durch das günstigere Alu-Chassis bleibt Budget für solide Parts. So fällt das Levo SL bei den Parts in den soliden Schnitt dieser Preisklasse. Das Fox-Performance-Fahrwerk bekommt am Heck einen Ausgleichsbehälter spendiert, die hauseigenen Laufräder fallen recht leicht aus, und die Sram Code-Bremsen erledigen zuverlässig ihren Job. Gespart wird an der Schaltung. Die NX-Eagle bietet weniger Bandbreite als die teureren Sram-Gruppen und kann auch beim Schaltgefühl nicht ganz mit den Top-Produkten mithalten.
Praxistest: So fährt sich das Specialized Levo SL Comp Alloy
Hat man die kompakten Geometriemaße im Kopf, verwundert es, dass sich das Specialized Levo SL eher nach „viel Bike“ anfühlt. Die satte Federung, das hohe Cockpit und der klebrige Vorderreifen vermitteln viel Fahrsicherheit statt maximaler Wendigkeit. Damit kann das Alu-Levo mit der größten Fahrsicherheit auf ruppigen Abfahrten in unserem Testfeld von sieben bezahlbaren Light E-MTBs auftrumpfen.
Im Vergleich zur teils kurzhubigeren Konkurrenz fährt sich das Specialized wie ein Mini-Enduro. Begleitet vom Flubbern des griffigen Vorderreifens (denn das Bike ist bergab sehr leise!) gleitet das Levo SL sicher über Steinfelder und Wurzelteppiche. Beim Fahrer kommt nur wenig vom Gerumpel auf der Piste an. Auch auf gemäßigten Trails kommt richtig Freude auf, denn das Levo lässt sich intuitiv und agil steuern, geht gut um Kurven und lässt sich locker in die Luft ziehen. Top Handling!
Ganz so leichtfüßig wie die deutlich leichteren Top-Varianten des Levo SL fährt das Comp Alloy aber nicht. Auch in unserem Vergleich gibt’s spritzigere und direktere Kandidaten. Was auch bei den teureren Varianten nicht besser war: Bergauf lässt das Bike Federn. Mit dem schwächsten Motor und den kürzesten Kettenstreben muss man an steilen und schwierigen Anstiegen deutlich mehr arbeiten. Immerhin: Der Grip am Hinterrad ist wegen des guten Fahrwerks top.
Den Wow-Effekt der sündhaft teuren Modelle kann das Levo SL mit Alu-Rahmen nicht ganz liefern. Doch auf dem Trail sticht auch das Alloy mit viel Abfahrtsstärke und sehr ausgewogenem Handling heraus. Schwächen in fiesen Uphills. - Florentin Vesenbeckh, Testleiter EMTB Magazin